Interessante Pilz- und Flechtenfunde 173 – Russula nympharum

Begonnen von Bernd Miggel, April 02, 2025, 18:52:58 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Russula nympharum

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Bild 1 - Russula nympharum (Sven Kögel), 1600x.JPG
Bild 1Russula nympharum am Fundort. Foto: Sven Kögel.


Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Ende Januar dieses Jahres setzte mich Dr. Hans-Jürgen Stahl davon in Kenntnis, dass es sich bei einem Fund, den Sven und ich Mitte August 2017 gemacht und als Russula maculata Quél., Bull. bestimmt hatten, in Wirklichkeit um Russula nympharum F. Hampe & Marxm. 2016 handelt. Der aus aus zwei Fruchtkörpern bestehende Fund stammt vom Waldrandbereich des Forstdistrikts Herzensgrund (Waldsportpfad) bei Pforzheim, Baden-Württemberg. Dort befindet man sich auf einer Höhe von 355 mNN, mit einem aus älterem Lößlehm bestehendem Boden. Begleitbäume waren Eichen, Rot- und Hainbuchen, Waldkiefern und Feldahorn. Da R. nympharum erst 2016 von R. maculata abgespalten wurde, ist die Art natürlich in der Roten Liste Pilze Deutschlands (2016) nicht enthalten.

Bild 2 - Der Fundort (B. Miggel).JPG
Bild 2 – Der Fundort von Russula nympharum, Waldrandbereich über Lößlehm. Foto: Bernd Miggel.


Makroskopische Merkmale des Fundes

Der Hut ist anfangs flach mit leicht vertiefter Mitte und abgerundetem Rand, reif ausgebreitet und nach oben gebogen, bis 100 mm breit, glänzend, klebrig, etwas körnig, jung cremefarben (Meth 4A3) mit hell orangeroten Zonen (Meth 5A3-4), reif orange bis rotorange (Meth 6-7B7), Hutmitte cremefarben (Meth 4A3-4) mit kleinen, orangebraunen Flecken. Huthaut am Rand zu etwa einem Viertel des Radius dünn abziehbar, darunter rosa, Hutrand auf 10 mm gerieft. Die Lamellen sind brüchig, anfangs buttergelblich, später dottergelb, am Stiel schmal angeheftet, am Hutrand gerundet, bis 10 mm breit, nur wenige gegabelt, nicht untermischt, dichtstehend, reif am äußersten Rand ca. 8-10 pro cm Hutrand. Schneide ganzrandig, mit der Fläche gleichfarben. Der Stiel misst bis 85 x30 mm, er ist zylindrisch, stabil, weiß, gilbend bis bräunend, längsadrig. Das Fleisch ist fest, weiß, im Hut ,,normal" dick, im Stiel sehr fest, das ist Stielinneres voll, reif etwas ausgestopft. Der Geruch beim Durchschneiden fruchtig und nach Zedernholz, der Geschmack sehr scharf.

Makrochemische Farbreaktionen
FeSO4: sehr schwach rosa, Guajak: rapide, aber nur von mittlerer Intensität.
Die Farbe des Trockenbelegs ist gegenüber dem frischen Fruchtkörper unverändert.

Die Sporenpulverfarbe nach der Tabelle in Marxmüller 2014:  ein mittleres Gelb IVd.

Bild 3 - Sporen in Melzer (Sven Kögel).jpg
Bild 3 – Sporen des Fundes in Melzers Reagenz. Foto: Sven Kögel.


Mikroskopische Merkmale des Fundes

Die Sporen sind breitellipsoid, stumpfwarzig-gratig, einige der Warzen isoliert, andere miteinander verschmolzen oder durch kurze oder längere, derbe Grate miteinander verbunden, vielfach existieren nur Verbindungslinien, wobei auch offene oder geschlossene Maschen gebildet werden, Warzen oder Grate meist 0,4-0,6 µm, max. bis 0,7 µm hoch, stark amyloid, Hilarfleck 2–3 µm breit, deutlich amyloid.

Messwert-Schätzungen bei einer Stichprobe von 25 repräsentativen Sporen:
Länge x Breite: 8,3-9,3-10,3 x 6,9-8,0-9,0 µm
Mittelwert von Länge x Breite: 9,1-9,5 x 7,8-8,2 µm
Mittelwert des Schlankheitsgrades Qm: 1,15-1,19
Mittelwert des Volumens Vm: 290-330 µm3

Die Epicutis besteht aus Haaren und Pileozystiden:
Die Haare sind schlank, meist zylindrisch, 1,5-2,5 µm breit, Terminalglied um die 10-30 µm lang, teilweise gewellt oder geschlängelt, mit abgerundetem, teils verschmälertem, mitunter kopfigem Ende, selten verzweigt; die Pileozystiden zahlreich, zylindrisch bis keulig, 1-3 mal septiert, an breitester Stelle bis 10 µm dick, in SV stark schwärzend.

Bild 4 - HH in KrH2O (B. Miggel).jpg
Bild 4 – Huthaut-Haare sowie eine Pileozystide in Kongorot-Wasser. Foto: Bernd Miggel.

Bild 5 - HH in SV (B. Miggel), 1600x.jpg
Bild 5 – Pileozystiden in Sulfovanillin. Foto: Bernd Miggel.


Russula nympharum vs. R. maculata

Wenn man Adamcik et al. 2016 folgt, dann ist meines Erachtens Russula nympharum makroskopisch nicht von Russula maculata unterscheidbar, mikroskopisch dagegen sehr wohl:
Die Sporen sind in der Größe zwar vergleichbar, jedoch ist die Ornamentation bei Russula nympharum nur bis 0,6 µm hoch, während sie bei R. maculata durchaus 1-1,25 µm erreicht.
Die nahe dem Hutrand gemessenen Pileozystiden besitzen bei R. nympharum eine maximale Breite von bis zu 10 µm, während R. maculata nur ca. 6 µm erreicht.
Der hier beschriebene Fund passt also mit einer Sporen-Ornamenthöhe von 0,4-0,6 µm und einer max. Pileozystidenbreite von 10 µm sehr gut zu Russula nympharum.

Deutliche Unterschiede zwischen beiden Arten sind auch in der DNA vorhanden, siehe Bild 6. In der sechsten Zeile ist der hier beschriebene Fund aufgeführt:

Bild 6 - Maculatinae Tree mit Bernd Miggel col.jpg
Bild 6 – Ausschnitt aus dem phylogenetischen Baum mit Russula maculata und R. nympharum.


Literatur
• Adamcik, S. et al. (2016): A molecular analysis reveals hidden species diversity within the current concept of Russula maculata (Russulaceae, Basidiomycota). In:
Phytotaxa 270 (2): 071-088 (2016).
• EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 43: Nr. 87.
• MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones Bd. II: 646-649.
• Meth: KORNERUP, A. & WANSCHER, J.H. (1961): Taschenlexikon der Farben.
• ROMAGNESI, H. (1985): Les Russules d' Europe et d'Afrique du Nord. Neudruck der Ausgabe von 1967 mit Ergänzungen: 871-880.
• SARNARI, M. (1998, 2005): Monografia illustrata del Genere Russula in Europa, Tomo Primo: 695-699.


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd


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A. Büschlen

Hallo Bernd,

Pilzsporen sind sehr kleine, dreidimensionale Objekte. Sie liegen im Präparat im Eindeckmedium Wasser oder Melzers. Das Bild 3 zeigt sehr schön, wie unterschiedlich Pilzsporen in einem Präparat liegen können.

Im Zitat:

ZitatRussula nympharum vs. R. maculata

Wenn man Adamcik et al. 2016 folgt, dann ist meines Erachtens Russula nympharum makroskopisch nicht von Russula maculata unterscheidbar, mikroskopisch dagegen sehr wohl:
Die Sporen sind in der Größe zwar vergleichbar, jedoch ist die Ornamentation bei Russula nympharum nur bis 0,6 µm hoch, während sie bei R. maculata durchaus 1-1,25 µm erreicht.
Die nahe dem Hutrand gemessenen Pileozystiden besitzen bei R. nympharum eine maximale Breite von bis zu 10 µm, während R. maculata nur ca. 6 µm erreicht.
Der hier beschriebene Fund passt also mit einer Sporen-Ornamenthöhe von 0,4-0,6 µm und einer max. Pileozystidenbreite von 10 µm sehr gut zu Russula nympharum.

wird die unterschiedliche Ornamenthöhe von 0,4-0,6µm als gutes Merkmal hervorgehoben.

Wie misst man sicher und reproduzierbar 0,4-0,6µm an einem duchschnittlichen biologischen Mikroskop das auf einem durchschnittlichen Tisch in einer Umgebung mit weiteren Einflüssen wie Erschütterung und veränderlicher Temperatur steht ?

Freundliche Grüsse

Arnold Büschlen

Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Bernd Miggel

Hallo Arnold,

zuerst fotografiere ich die Sporen im Profil, siehe unten. Als Ergebnis sieht man die Ornamente (Warzen, Grate) seitlich herausragen. Mit der Micam-Software wird dann die Ornamenthöhe gemessen und automatisch in eine Tabelle eingetragen, die man als xlsx-Datei exportieren kann. Das geht alles ruckzuck.

Viele Grüße
Bernd

Russula putida, Sp im Profil.JPG

A. Büschlen

Hallo Bernd,

danke, dass du uns deine Arbeitsweise mitgegteilt hast.
Nur, wie viele Bilder machst du den um darin sichere Messungen zu machen? Welche Sporen wählst du aus um daran die Ornamentierung zu messen?
Und, wäre es dann nicht auch wichtig, dass du in deiner Beschreibung deine Messmethode erwähnst?

Freundliche Grüsse
Arnold Büschlen
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Bernd Miggel

#4
Hallo Arnold,

ich weiß nicht recht, ob detailliertere Angaben nicht eher Verwirrung stiften würden.
Meine Vorgehensweise ist bei den Sprödblättlern immer die gleiche:
  • Es wird in Melzers Reagenz mikroskopiert, und zwar mit hundertfachem Öl-Objektiv.
  • Verwendet werden als Stichprobengröße 20-50 zufällig ausgewählte, repräsentative Sporen.
  • Von jeder Spore wird das Wertepaar Länge, Breite genommen.
  • Es wird für die Statistische Auswertung das 95-prozentige Vertrauensintervall zugrunde gelegt.
  • Mit diesem sogen. "Zwei-Sigma-Intervall" werden geschätzt: untere und obere Populationsgrenze von Länge und Breite, Mittelwert von Länge und Breite, Mittelwert des Schlankheitsgrades und Mittelwert des Volumens.
  • Bei der Volumenberechnung wird die Spore als Rotationsellipsoid angenommen.

Ich glaube, das ist ein übliches Verfahren. Bisher bin ich nicht schlecht damit gefahren.
Allerdings wenden nicht alle Mykologen mathematische Methoden an.

Viele Grüße - Bernd

Bernd Miggel

Hallo Arnold,

darf ich dich einmal auf etwas ganz anderes ansprechen? Wie mir scheint,verstehst du eine ganze Menge von parasitischen Pilzen auf oder an Moosen. Darf ich dir hin und wieder mal eine Frage zu diesem Thema stellen? Ich möchte mich nämlich in diese Materie einarbeiten.

Viele Grüße - Bernd

A. Büschlen

Hallo Bernd,

ja gerne. Hast du meine Email Adresse? Wenn nicht, schreibe mich per PN an.

Viele Grüsse Arnold
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Bernd Miggel

Hallo Arnold,

ja bitte, Email-Adresse per PN.

Viele Grüße - Bernd