Botanik: Pomeranze (Citrus x aurantium) *

Begonnen von Peter T., Mai 24, 2025, 16:36:40 NACHMITTAGS

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Peter T.

Die Pomeranze wird auch Bitterorange oder Sevilla-Orange genannt. Letzteres kann man nachvollziehen, wenn man diese wunderbare Stadt in Andalusien besucht. Bitterorangenbäume sind die Charakterbäume von Sevilla. Sie säumen im Stadtbild nahezu jede Straße.

Die Bitterorange ist eine Kreuzung aus Pampelmuse und Mandarine. Sie ist Grundstoff für die berühmte bittere Orangenmarmelade.  Aus der äußeren Fruchtschale wird Orangeat hergestellt. Schalen und Saft dienen auch der Herstellung von Curacao. Das Öl "Petitgrain" wird in der Parfumindustrie verwendet.

Der Pomeranze gegenüber bin ich nicht neutral eingestellt, ich liebe diese Bäume, den Geruch, den Geschmack und Sevilla. Man möge mir verzeihen, wenn deshalb dieser Botanikbeitrag etwas subjektiver ausfällt.

Zunächst ein Bild aus Sevilla mit einem Orangenbaum im Vordergrund. Es ist Anfang November 2024 entstanden. Wenn man in Sevilla Silvester feiert, hängen die Bäume voller Pomeranzen ...

Bild 1


Teil 1: Blattstiel und Blatt

Die Schnitte sind zwischen 25 und 40 µm dick, meist habe ich mit 30 µm geschnitten. Gefärbt wurde mit einer Eintopflösung, die mir dankenswerterweise von Hans-Jürgen Koch zur Verfügung gestellt wurde. Es ist ein Rezept von Dr. Klaus Herrmann, den ich leider nicht mehr kennenlernen durfte. Letztlich ist es eine Variation der W3A-Färbung, nur dass Alcianblau das Astrablau und Rhodamin B das Acridinrot ersetzt.

Vielen Dank, lieber Hans-Jürgen!

Beginnen möchte ich mit dem Blattstiel, zunächst in der Übersicht

Bild 2


Man erkennt den breiten Raum, den das Rindenparenchym einnimmt, die zentrale Leitbündelregion und den sehr schmalen Markraum. Auffällig sind drei Bereiche im unteren Bereich des Schnittes, die annähernd runde, unscharf konturierte Strukturen zeigen. Es sind Öldrüsen bzw. Ölbehälter, die bei dieser Pflanze sehr häufig vorkommen. Sie bedingen den Geruch, den man an den Fingern hat, wenn man Blätter oder Sprosse berührt.

Ich zeige noch einen Querschnit des Blattstiels etwas weiter distal, also in Richtung auf das Blatt zu.

Bild 3


Anders als beim zweiten Bild sieht man hier den ausgeprägten Sklerenchym-Ring rund um die Leitbündel. Auch erkennt man wieder Ölbehälter.

Jetzt als Detail der zentrale Leitbündelring

Bild 4


Ein Ölbehälter in exponierter Position in einem der "Blatthörnchen".

Bild 5


Und jetzt als Detailaufbahme mit dem 40x Objektiv

Bild 6


Im polariserten Licht wird deutlich, dass die Pomeranze jede Menge Kristalle (am ehesten Oxalat) eingelagert hat. Das stabilisiert die Struktur und dient als wirksamer Fraßschutz.

Bild 7


Jetzt eine Übersichtsaufnahme des Blattquerschnitts

Bild 8


Auch hier sind wieder die beiden "Bäckchen" Ölbehälter.

Der Übergang vom normalen zum Palisadenparenchym findet bei der Pomeranze früh statt. Schon im "Schulterabschnitt" beim Übergang zum "Arm" (Blattspreite) zeigen sich die typischen "hochkant" stehenden Zellen.

Bild 9


Das Palisadenparenchym ist zweireihig. Auch hier wieder ein Ölbehälter.

Bild 10


Die Blattspitzen zeigen eine Lignifizierung

Bild 11




Teil 2: Sprossachse

Bei der Sprossachse zeige ich Quer- und Längsschnitte

Zunächst zur Übersicht

Bild 12


Und im Detail den Bereich der Leitbündelzone

Bild 13


Man erkennt die Sklerenchymkappen, darunter das Phloem, dann das hier schön zu sehende Kambium mit den ziegelsteinartig geschichteten Zellen und dann das Xylem mit Tracheen

Jetzt ein Querschnitt auf Höhe eines der Nodien mit einer Blatt(?)anlage

Bild 14


Eindrucksvoll stellt sich dieser Schnitt auch im polarisierten Licht dar

Bild 15


Der riesige Ölbehälter (?) im Detail

Bild 16


Und jetzt noch die eindrucksvolle Zone des Blattansatzes. (Sollte das hier eine andere Struktur sein, bitte ich um Berichtigung!)

Bild 17


Bild 18


Der Übergang vom normalen Querschnittsbild hin zur Nodie zeigt wieder Strukturen, wie ich sie liebe: Dynamik des Parenchyms. Eine Momentaufnahme, für mich die faszinierendsten Stellen in Pflanzenschnitten.

Bild 19



Jetzt aber zu den Längsschnitten.
Als erstes die Übersicht

Bild 20


Und jetzt die Zone von der Epidermis über Rindenparenchym, Sklerenchymkappen, Phloem, Kambium bis in den Bereich des Xylems

Bild 21



Was die grünen Strukturen hier darstellen, weiß ich nicht genau, vermute aber, es könnten Tüpfel sein (?).

Bild 22


Für mich auch sehr ästhetisch: Der Markbereich. hat mich irgendwie an ein Kirchenfenster erinnert.

Bild 23


Durchgehend findet man in der Sprossachse (ebenso wie in den Blättern) Kristalle zur Verstärkung und als Fraßschutz. Hier ein Bereich im Durchlicht und zum Vergleich im polarisierten Licht

Bild 24


Bild 25




Bei Längsschnitten kann man sich natürlich auch auf die Jagd nach Stomata machen.
An jungen Trieben sollten ja welche zu finden sein, allerdings ist diese Sprossachse doch schon sehr verholzt.
Ich zeige ein paar Bilder von dem, was ich gefunden habe

Hier mit dem 100x Oil (Ausschnitt). Es sieht jedenfalls aus wie eine Schließzelle

Bild 26


Und hier noch eine

Bild 27


Die selbe Stelle zeigt mit dem 100x Oil im polarisierten Licht neben den Kristallen auch Strukturen im Bereich der Schließzelle, die ich nicht einordnen kann. Worum handelt es sich dabei?

Bild 28



Ich hoffe, ich war nicht zu ausschweifend und freue mich wie immer über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.



Liebe Grüße
Peter

Hans-Jürgen Koch

Lieber Peter,

es freut mich, dass du die Färbung getestet hast.
Eine gelungene Arbeit, Schnitte und Farben sind super.
Der Längsschnitt im Bild 20 ist mein Favorit.
Für die Aufnahme (Bild 01) hast du einen interessanten Standort gewählt.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Peter T.

Lieber Hans-Jürgen,


besten Dank für Deinen Kommentar. Die Färbung ist wunderschön und wird jetzt öfter zur Anwendung kommen.

Bild 1: Mir hat gefallen, dass San Fernando auf dem Pomeranzenbaum steht. ;)
Liebe Grüße
Peter

Wutsdorff Peter

Grüß´ Dich Namensvetter,
auch von mir als "Nichtkönner" meine Gratulation zu diesen wundervollen Bildern!!
Gruß  Peter W

Peter T.

Hallo Peter,

vielen Dank auch an Dich!

Aber stell Dein Licht nicht unter den Scheffel. So weit ich das mitverfolge, liegt/ lag es doch eher an der Software, mit der Du aufnimmst. Außerdem bist Du (inoffizieller) Douglasien-Beauftragter ;)
Liebe Grüße
Peter

jcs

Hallo Peter,

wiederum sehr schöne Aufnahmen! Dein neuer Farbtopf zahlt sich aus.

Wie bekommst Du Deine auf Reisen gesammelten Proben unbeschadet unter's heimische Mikroskop?
LG
Jürgen

Peter T.

Hallo Jürgen,

vielen Dank für Dein Lob!

Ich sammle alles, was mir so begegnet (auf Reisen oder dahoam) in vorbereiteten, mit Ethanol 70% gefüllten 8 ml Twist-Top Vials und führe mehrere Listen, auf denen ich protokolliere, was sich in den (mit Edding beschrifteten) Döschen befindet. Manchmal gibt es Platznot, wenn ich nicht genügend Döschen dabei habe, dann erfolgt eine Doppelbelegung (mit genauer Beschreibung, welche der Proben zu welcher Pflanze gehört).
Mein aktueller Bestand (ja, da steht Euch noch was bevor ...):

IMG_7644 2.jpg
Liebe Grüße
Peter

Fahrenheit

Lieber Peter,

vielen Dank für den schönen Beitrag, den ich gerne gelistet habe.

Beste Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM