Stephanosphaera pluvialis Cohn

Begonnen von Holger Adelmann, März 20, 2010, 10:21:05 VORMITTAG

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Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

heute poste ich eine kleine botanische Kostbarkeit - Stephanosphaera pluvialis Cohn.
Diese im deutschen Sprachgebrauch auch Kranzkugel genannte wunderschöne Alge findet sich überall auf der Welt, jedoch recht selten. Ich denke, nicht jeder hat sie bereits live gesehen - aber wenn bin ich sicher, dass es für jeden ein Genuss war. Ich habe sie in kleinen Mulden im Sandstein im Pfälzer Wald gefunden.
Sie ist in der regel vergesellschaftet mit Haematococcus pluvialis und einem typischen Rädertier - ich glaube - Rotaria rotatoria.
Es ist wunderschön, diese begeisselten Algen majestätisch durch das Gesichtsfeld rollen zu sehen !
In einem vollständig transparenten Kugelkörper befinden sich 8 Zellen in äquatorialer Anordnung, jede Zelle sendet 2 Geisseln nach draussen.

Die ersten beiden Aufnahmen zeigen die Alge in sogenannter Äquatorial- und Polaransicht im Phasenkontrast, die dritte im DIC (jugendliches Exemplar) und die letzte Aufname lässt im Phaco bei etwas stärkerer Abplattung sehr schöne Zelldetails wie z.B. Speicherkörper erkennen.

Weitere Aufnahmen hierzu werden noch folgen.

Alle Aufnahmen am Leitz Orthoplan mit Pv Apo 40 oder NPL 40 DIC nach Smith.

Herzliche Grüsse
Holger








Ralf

Hallo Holger,

volle Zustimmung, dieses wunderschöne Lebewesen muss man als Mikroskopiker wenigstens einmal im Leben gesehen haben. Ein bevorzugter Lebensraum sind Vogeltränken oder andere, wiederholt austrocknende Kleingewässer. Dort hatte ich das Glück, einmal fündig zu werden.

Klasse Bilder!

Klaus Henkel

#2
Lieber Herr Adelmann!

Darf ich fragen, ob Sie den aufschlußreichen Aufsatz von Prof. Schneider aus Godramstein (Landau) in der Pfalz kennen? (MK 78, 1989, 295.) Er hat die schönen Algen auch einmal auf einer Mikrowoche in Heiligkreuztal vorgeführt.

Sichere Fundorte für Stephanosphaera pluvialis sind die Pfostenlöcher auf den pfälzischen Burgen, hauptsächlich im Wasgau, die ja fast alle auf Buntsandsteinfelsen errichtet sind. Man schlug quadratische Mulden in den Sandstein und steckte die tragenden Holzbalken der Gebäude dort hinein. Aber nicht auf allen Burgen kommen die schönen Algen vor. Dort wo die Burgverschönerungs- und -restaurierungsvereine in den letzten 50 jahren tätig waren, wurden die Gemäuer häufig mit Kalk und Zement befestigt bzw. ausgebessert. Das Regenwasser, das dort abläuft, ist stark basisch, nachdem es über den Zement gelaufen ist. Dort kommt zwar dann noch regelmäßig die Haematococcus pluvialis vor, die Rote Blutregenalge, die mit St. meist vergesellschaftet ist, aber die Steph. pluv. sind nicht so tolerant, sie meiden Wasser oberhalb pH 7, am liebsten ist Ihnen saures Regenwasser von 5-6,5 pH. Als über viele Jahre sichere Fundorte habe ich kennen gelernt: Ruinen Schloß Lindelbrunn, Drachenfels (Bei Busenberg, Nähe Dahn; nicht der D. zw. Bd. Dürkheim u. Frankenstein!), Burg  Fleckenstein (Elsaß). Es lohnt sich, während einer ausgedehnten Trockenperiode eine Flasche verdünntes Minaralwasser mitzuführen, um es in ein trockenes Loch zu kippen.

Sichere Fundorte (gemäß Lit.) finden sich auch im Elbsandsteingebirge. Ebenso wird man regelmäßig fündig im Taufbecken auf dem Friedhof von Sankt Zeno in Bad Reichenhall und in den Taufbecken vor den Kirchen in der Normandie und der Bretagne.

Wer Steph. pluv. im Mikroskop beobachten kann, wird den Blick kaum jemals freiwillig abwenden wollen und der Ansicht sein, daß die Mikroskopie der Wasserwesen aufregend schön sein kann.

Pfälzische Regengrüße!
KH

Holger Adelmann

Lieber Herr Henkel,

ich kenne natürlich diesen schönen Aufsatz den ich seinerzeit (Mitte 90er Jahre) als Fotokopie auf meiner Wanderung im Pfälzerwald mitgenommen hatte.
Die von mir fotografierten Stephanosphaeren stammen in der Tat aus solch einem Pfostenloch auf der Burgruine Lindelbrunn  :)

Herzliche Grüsse
Holger Adelmann

Eckhard

Hallo Holger,

sehr schöne Bilder von einem faszinierenden Lebewesen. Wo müsste denn ein Berliner in Ermangelung von Burgen suchen?

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Holger Adelmann

Hallo liebe Kollegen


@ Eckhard:
hmmm, wie Ralf schon sagte: Vogeltränken aus Stein (aber ohne Vogelkot - das Überstehen die nicht  ;D), Taufbecken aus Stein sind manchmal auch ein gutes Biotop.
Also alle möglichen Steine rund um alte Kirchen wären abzusuchen ...
Die kirchliche Mär vom plötzlich mit Blut gefüllten Taufbecken geht wahrscheinlich auf ein Massenauftreten von der Begleitart Haematococcus pluvialis zurück !
Es scheint für diese beiden Arten wichtig zu sein, dass der Lebensraum immer mal wieder trocken fällt, wie ja auch Ralf sagte.
Wenn Du Haematococcus pluvialis findest - weitersuchen ! Diese Art ist viel häufiger als Stephanosphaera aber ein guter Indikator für das passende Biotop.

@ Ralf:
Ich habe übrigens Deinen Post mit Stephanosphaera pluvialis Bildern in einem französischen Forum gefunden  ;)

@ Klaus Henkel:
Lieber Herr Henkel, die Art heisst Stephanosphaera pluvialis, nicht verwandt mit dem - ebenso faszinierenden Rädertier Stephanocerus fimbriatus  ;)
Ich hatte auch zu Beginn in dem komplizierten Namen noch einen Fehler, den ich später korrigierte.

Ich hänge noch ein historisches Bild aus meinem Migula an

Herzliche Grüsse

Holger


Klaus Henkel

Zitat von: Holger Adelmann in März 20, 2010, 13:39:36 NACHMITTAGS

Lieber Herr Henkel, die Art heisst Stephanosphaera pluvialis, nicht verwandt mit dem - ebenso faszinierenden Rädertier Stephanocerus fimbriatus  ;)

Ja, klar. Altersbedingt.

Gruß KH

Bernhard Kaiser

#7
Hallo Herr Adelmann,

herzlichen Glückwunsch zu dem Fund und dem Photo. Genau die Migula Abbildung hatte es mir seinerzeit angetan. Aber nie habe ich dieses Wesen gefunden. Vielleicht klappt es doch noch mit den vielen Hinweisen.

Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

rekuwi

Lieber Holger,

den Glückwünschen schließe ich mich an. Jetzt ist mein "Jagdfieber" geweckt, da werde ich sicher nicht die einzige sein die in den nächsten Tagen versucht in den entsprechenden Biotopen fündig zu werden.
Wunderschöne Alge, prima Fotos.
Danke fürs Zeigen!

Liebe Grüße
Regi

Klaus Henkel

Zitat von: Bernhard Kaiser in März 20, 2010, 15:52:05 NACHMITTAGS
Hallo Herr Adelmann,
herzlichen Glückwunsch zu dem Fund und dem Photo. Genau die Migula Abbildung hatte es mir seinerzeit angetan. Aber nie habe ich dieses Wesen gefunden. Vielleicht klappt es doch noch mit den vielen Hinweisen.
Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

Lieber Herr Kaiser!

Leider sind mir Fundorte in, an, auf Ihrer Frankenalb "nicht momentan". Aber mit Hinweisen auf günstige Fahrtrouten zum und durch den Wasgau kann ich gerne dienen. Außerdem kann ich Ihnen dortselbst das beste Wirtshaus mit dem besten Flammkuchen der ganzen Pfalz und den ruhigsten Zimmern nennen. Das ist nämlich kein Durchfahrtsort. Die elsäss. Ruine Fleckenstein liegt nahebei.

Spontanentscheidung ist gefragt und Wetterinformationen Südpfalz und Nordelsaß. Wenn nach mehreren Regentagen dort die Sonne hervor bricht und einige Tage anhalten soll, dann nix wie hin. Vielleicht hat man Pech, einmal, zweimal. Aber um des herrlichen Schauspiels der kugelnden Bewegung der Stephanosphären willen, nicht aufgeben! Ich wollte mal eine Monografie über die St. schreiben, aber mehr populär, für die vielen Besucher der Burgruinen. Aber wie so vieles, was ich mal wollte, ist auch dieses Vorhaben vom Schicksal auf brutale Weise gestoppt worden. Jetzt habe ich wichtigeres zu tun.

Inzwischen habe ich Stephanocera in Stephanosphaera korrigiert. Und Frankent(h)al in Frankenstein. Frankenthal liegt weiter nördlich an der Autobahn Kaiserslautern-Ludwigshafen. Dort - in F. scheint die Sonne. Weinfreunde sagen spöttisch beim Verkosten eines Weines von Mosel, Saar oder Ruwer, indem sie schmatzen und schlürfen, der Wein sei wohl in der Sonne von Frankenthal gereift. Dort befindet sich nämlich eine große Zuckerfabrik, die beste Beziehungen zu den Moselwinzern unterhält.

Grüße KH

Fahrenheit

Lieber Holger,

das ist ja wirklich eine phantastisch schöne Alge! Da lohnt sich die wohl etwas aufwändigere Suche.
Vielen Dank fürs Zeigen, bei den schönen Photos freue ich mich schon auf die angekündigte Fortsetzung.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Holger Adelmann

@ Regi und Bernhard Kaiser:
Viel Spass bei der Jagd. Wie auch schon in dem von Klaus Henkel zitierten Artikel von Professor Schneider erwähnt, sind die Anzahl und das Verhältnis der Arten in verschiedenen Teilen des gleichen Biotops (hier z.B. die verschiedenen Pfostenlöcher auf einer Burgruine) sehr unterschiedlich, also bitte überall suchen.

Ich poste hier jetzt noch aus dem gleichen Biotop, was ich als Dauerstadien der Stephanosphaera pluvialis (2 grössere Zysten), bzw. des Haematococcus pluvialis (kleine Zyste) ansehe. Die kleine Zyste trägt deutlich das für Haematococcus typische rote Pigment !

Den Haematococcus aus dem gleichen Biotop möchte ich aber nicht unterschlagen, er ist auch sehr schön !

Beide Phasenkontrast-Aufnahmen am Leitz Orthoplan mit dem hervorragenden Leitz Heine Objektiv Pv Apo 40.

Weitere Bilder folgen

Herzliche Grüsse
Holger





Jürgen Boschert

Hallo Holger,

wunderschöne Aufnahmen, danke !

Nur so ein Gedanke - Die umgebenden Kugeln von H. pluvialis und Stephan. pluvialis haben sehr ähnliche umscheidende Kugeln, gibt es dafür eigentlich eine Erklärung (z.B. Eigenschaften des Habitats) ?

Beste Grüße !

JB
Beste Grüße !

JB

Holger Adelmann

Guter Punkt Jürgen, da habe ich noch nicht drüber nachgedacht aber die Beobachtung stimmt.
Ich habe auch schon Spezies von Hämatococccus mit deutlich schmälerem Randsaum gesehen - bei Steph. p. weiss ich es nicht, da ich erst einmal das Glück hatte  ;D

Vieleicht sind es die osmotischen Bedingungen, d.h. Konzentration der gelösten Salze, im Standortwasser ?

Hrzliche Grüsse
Holger


bini

Hallo lieber Holger,

beneidenswert schöne Bilder!!!

Vogeltränkewasserproben (was für ein Wort  ;D )... daran hab ich noch gar nicht gedacht. In meinem Garten stehen zwei davon. Ich werd mich mal auf die Suche machen.

Staundende Grüße
Sabine