Klaus Henkel: Qualität von Objektiven verschiedener Korrektionsgrade

Begonnen von Detlef Kramer, November 26, 2008, 22:25:03 NACHMITTAGS

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Detlef Kramer

 Zitat:

Die Güte eines Mikroskopobjektivs, wie auch solche für die Fotografie, setzt sich aus vielerlei Kriterien zusammen, bzw. ergibt sich als Summe mancherlei Eigenschaften. Dazu gehört zunächst einmal die Berechnung der optischen Eigenschaften. Auch im Computerzeitalter gibt es unter den Optikkonstrukteuren (Optikrechner sagte man früher einmal) wahre Könner und Künstler. Das Ergebnis ist dann eine geglückte Rechnung oder eine weniger perfekte. Die Auswahl der Glassorten ist eine wichtige Erfolgskomponente, manche sind selten und sehr teuer, die Preiswert-Hersteller meiden die in der Regel. Das perfekte Obj. entsteht dann durch das Knowhow und den Präzisionsanspruch in der Fertigung und die kostentreibende personelle Montage, Zentrierung und Justage, vom sauberen Kleben der Linsen abgesehen. Davon hängt z. B. die Schärfezeichnung stark ab. (Viele Hersteller wollen oder können aber einen solchen Aufwand nicht treiben, je nachdem welchen Käuferkreis sie anpeilen.)
Die modernen Mehrschichtvergütungen, die auch in der Mikroskopoptik verwendet werden, helfen bei der Kontraststeigerung, die geglückte Farbdurchlässigkeit wird stark von den Glassorten bestimmt. Der Kontrast ist ferner von gekonnt angebrachten Streulichtblenden im Objektivinnern abhängig.

Die Frage, ob es sich dabei um einen Achromaten, Planachromaten, ein Fluoritsystem oder einen Apochromaten handelt, ist dabei zunächst nebensächlich. Die früheren viellinsigen Planobjektive zeichneten etwas flauer als die Weniglinser, weil durch die Reflexion an den Linsenoberflächen viel vagabundierendes Streulicht im Objektivinnern war. Deshalb erscheint das Bild eines modernen Achromaten im Vergleich mit einem älteren Planobjektiv mitunter deutlich kontrastreicher.

Zur Qualität der Abbildung gehört dann auch noch die Korrektionsstufe des Objektivs, also z. B. ob Achromat oder Apo. Schon per Definition kann der Achromat nicht "besser" abbilden, das geht gar nicht. Mitunter verwechseln Anfänger aber den guten Kontrast von modernen Achromaten der bedeutenden Hersteller mit der "Schärfe" des Bildes, das sie sehen. In meiner Dunkelkammerzeit habe ich mir manchmal einen Scherz erlaubt, indem ich Schwarzweißvergrößerungen einmal etwas flau, und andere mit starkem Kontrast herstellte. Die meisten Betrachter behaupteten, die kontrastreichen seien "schärfer", obwohl das objektiv gesehen und nachprüfbar nicht stimmte.

Dann kommt noch der vermaledeute Anwender hinzu, dessen Fähigkeit, eine Köhlersche Beleuchtung EXAKT einzustellen, vor allem die Aperturblende, letzten Endes darüber entscheidet, welches Bild gut und welches weniger gut ist. (Viele Fotos hier im Forum leiden unter einer zu stark geschlossenen Aperturblende!) Und das wird dann mit einer subobtimal abgestimmten Kamera fotografiert und das Bild auf einem PC-Monitor "begutachtet" - brrr, da schüttelt's mich richtig.

Eine Quelle von Unzufriedenheit selbst mit einem sehr guten Apo entsteht auch bei der Verwendung von Fremdobektiven. Beispielsweise ist eine Aussage wie "... passen auch die Zeiss-West-Okulare gut an meine Jena-Instrumente. Oder Leitz/Zeiss usw. Das mag schon stimmen bis zu einem Achromaten 40:1. Sobald aber die Apertur über 0,5 bzw. 0,6 hinausgeht, stimmt das nicht mehr ganz und bei Aperturen über 0,8 überhaupt nicht, oder man sieht auch nicht mehr ganz so scharf wie früher ... Je nach Konstellation (Hersteller, mech. Tubuslänge usw.) kann die Abweichung von der korrekten Tubuslänge um 1 mm bereits beträchliche Qualitätseinbußen im Bild verursachen.

Die früheren Apos aus Jena sind auf keinen Fall schlechter als die der anderen Top-Hersteller, im Gegenteil. In der DDR waren die Lohnkosten für qualifizierte Berufe so niedrig, daß man sich in Jena leisten konnte, die Newtonschen Ringe, die beim Zusammenfügen und -kleben von zwei Linsenoberflächen entstehen, bis zur zweiten oder gar dritten Ordnung durch zeitaufwendiges Pröbeln (dem Probieren mit immer anderen Linsenexemplaren, deren Krümmung nie ganz übereinstimmte) auszuschalten. Leitz und Zess-W konnten sich das wegen der württembergischen und Wetzlarer Feinmechanikerlöhne schon lange nicht mehr leisten. Die beseitigen die N.Ringe nur bis zur ersten Ordnung, was allerdings der Qualität im Bild keinen Abbruch tat.

Merke: Ein Apo zeichnet immer schärfer, weil ohne jede Farbränder, als ein Nicht-Apo. Vorausgesetzt es ist ein allersorgfältist gerechnetes, gebautes und justiertes Apo von Carl Zeiss, Leitz/Leica. Heutzutage gehören aber die Apos von Olympus und Nikon ebenfalls in diese Kategorie.

Auf Wunsch von Klaus Henkel hier gerne wieder gegeben.
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Franz

Da die Schärfentiefe eines Objektiv vor allem von der Numerischen Apertur abhängig ist, möchte ich die Frage stellen, ob nicht zum Beispiel ein achromatisches 40er-Objektiv mehr Schärfentiefe zeigt als ein apochromatisches 40er-Objektiv? Was wichtig wäre für die Mikrofotografie. Irre ich?

Viele Grüsse
Franz

Detlef Kramer

Hallo,

ich kann es hier und im Augenblick nicht mathematisch darlegen, aber der Unterschied dürfte unbedeutend sein.

Herzliche grüße

Detlef Kramer
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Klaus Henkel

Zitat von: Franz in Dezember 26, 2008, 18:54:01 NACHMITTAGS
Da die Schärfentiefe eines Objektiv vor allem von der Numerischen Apertur abhängig ist, möchte ich die Frage stellen, ob nicht zum Beispiel ein achromatisches 40er-Objektiv mehr Schärfentiefe zeigt als ein apochromatisches 40er-Objektiv? Was wichtig wäre für die Mikrofotografie. Irre ich?

Ja, aber recht ziemlich, Herr Franz. Das Streben nach Schärfentiefe bedeutet ja im Grunde, daß man das Bild scharf sehen möchte, sogar in mehreren Bildtiefen bzw. Schärfeebenen. Jedenfalls scharf. Egal wie abrupt oder weich die Übergänge von Schärfe zur Unschärfe dabei jeweils sind (hängt von der Objektivkonstruktion, dh dem Linsenaufbau ab), beeinflussen die chromatischen Farbränder bei einem Achromaten die Bildschärfe - naja sagen wir Deutlichkeit der Darstellung - erheblich. Erheblich zumindest in jenem Bereich, auf den Sie bei Ihrer Frage anspielen. So wird die Schärfentiefe, die man mit einen Achromaten geringerer Ap. gewinnt, durch seine allgemeine Unschärfe wieder aufgehoben.

Was nun die Mikrofotografie anbelangt, so irren Sie total, und zwar insofern, als Sie unterstellen, es gäbe bei ihr überhaupt irgendeine nennenswerte Schärfentiefe oder etwas was man so nennen könnte. Das haben sich die Mikrofotografen schon früherer Generationen längst abschminken müssen.
Ein Mikrofoto mit einem 40er Objektiv hat eine mit raffinierten Meßmethoden feststellbare Schärfentiefe - durchaus. Aber die kann man in einem zweidimensionalen Bild wirklich nicht wahrnehmen. Siehe die diversen Schärfentiefentabellen in der mikr. Lit. Das ist alles Theorie.

Also: wenn die erkennbare Schärfentiefe Null ist, dann ist eine mit dem Faktor 1,1 bessere für unser Auge noch immer Null.

M. f. G.
KH