Funktionelle Histologie der Netzhaut

Begonnen von Holger Adelmann, April 25, 2010, 13:12:42 NACHMITTAGS

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Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

für Florian und die anderen Histologen im Forum:
Retina vom Rhesusaffen, Semidünnschnitt. Mosaikbild aus Einzelaufnahmen.
Der Lichteinfall ist von Links. Ich habe versucht die einzelnen Schichten dieses faszinierend komplexen Gebildes zu beschriften - gemäss einer hilfreichen Übersicht der FU Berlin:
http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000001243/02_Anat.pdf?hosts=

Wegen der Grösse kann ich das Bild nicht direkt posten, sondern nur eine kleine Vorschau.
Das grosse Bild ist hier:
http://www.fotos-hochladen.net/retinadetailsannotbq3rhu7p.jpg

Viel Spass & schönen Sonntag
Holger




Fahrenheit

Lieber Holger,

vielen Dank für die sehr schöne Darstellung der Retina! Das Bild ist wirklich super geworden. Vielleicht kannst Du uns noch ein wenig zur Technik sagen? Und wieviel Einzelaufnahmen hast Du gemacht?

Was ich mich aber immer wieder frage, wenn ich den Aufbau der Retina sehe: was um alles in der Welt hat dazu geführt, dass das einfallende Licht zunächst mehrere Gewebeschichten durchdringen muss, bevor es auf die lichtempfindlichen 'Stäbchen' oder 'Zäpfchen' trifft?

Auch Dir einen schönen Sonntag!
Jörg
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Für draussen: Leitz HM

Florian Stellmacher

Lieber Holger,

ein exzelletes Bild - meinen Glückwunsch!

Auch ich wäre an technischen Details (Schnitttechnik, Färbung, Anzahl der verarbeiteten Bilder, Nachbearbeitung etc.) interessiert.

Herzliche Sonntagsgrüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Holger Adelmann

Hallo Jörg & Florian,

vielen Dank für Euer Feedback. Der Schnitt ist aus dem histologischen Labor einer grossen Pharmafirma, ich habe ihn von einem Kollegen erhalten  - ich habe leider noch kein Mikrotom für Semidünnschnitte  :(

Fixiert wurde in gepuffertem Glutaraldehyd, gefolgt von einer OsO4 Nachfixierung.
Der Einbettungskunststoff ist mir nicht überliefert, aber es handelt sich um einen 0.5 µm Schnitt, der mit Toluidinblau gefärbt wurde.
Ich habe mit dem Leitz Pl Apo 63/1.4 fotografiert und das Bild aus 7 Einzelaufnahmen manuell (Ebenenmontage in Gimp unter Sichtkontrolle) zusammengesetzt.

Der extra dünne Schnitt lässt den Feinbau der Nervenzellen und der Photorezeptoren sehr gut erkennen und ist einer meiner Favoriten.

@ Jörg: Ja, es ist auch für mich verwunderlich, dass das Licht erst durch eine relativ dicke Gewebsschicht gehen muss, um dann erst die Photorezeptoren zu erreichen.
Dies führt natürlich zu einer gewissen Unschärfe durch Streuung. Soviel ich weiss verwendet die Natur bereits in der Retina einige der Nervenzellen die Du im Schnitt sehen kannst, um eine Echtzeit-Bildverarbeitung durchzuführen - unglaublich, was? Eine der neurobiologischen Bildverarbeitungsfunktionen wird als laterale Hemmung bezeichnet und führt zu einer Kontrastverstärkung an Kanten, sozusagen ähnlich wie dies die Maskenfilter der Bildverarbeitungsprogramme mit den Bildpixeln tun, um ein flaues, unscharfes Bild zu schärfen. Hierdurch wird offenbar ein Teil der streuungsbedingten Unschärfe, bzw des streuungsbedingten Kontrastverlustes wieder ausgeglichen. Warum die Natur die Photorezeptoren nicht direkt and der Retinaoberfläche angeordnet hat weiss ich nicht, möglicherweise hat die existierende Anordnung andere Vorteile oder zumindest evolutionsbiologische Gründe, die ich nicht kenne...
Schau auch mal hier http://www.u-helmich.de/bio/neu/2/23/236/index236.html


Herzliche Grüsse
Holger

Fahrenheit

Lieber Holger,

danke für Deine Erläuterungen und den interessanten Link!
Ein faszinierendes Thema.

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.: So Kollegen hätte ich auch gern ...  ;D ;D
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Detlef Kramer

Hallo,
ZitatWas ich mich aber immer wieder frage, wenn ich den Aufbau der Retina sehe: was um alles in der Welt hat dazu geführt, dass das einfallende Licht zunächst mehrere Gewebeschichten durchdringen muss, bevor es auf die lichtempfindlichen 'Stäbchen' oder 'Zäpfchen' trifft?
Das hat in der Tat evolutionsbiologische Gründe, die ich nicht in aller Breite darstellen kann. Das Wirbeltierauge ist als Ausstülpung des Gehirns entstanden und dadurch war die Schichtung vorgegeben. Man muss sich das wohl so vorstellen: wenn in der Evolution ein Schritt in eine Richtung eingeschlagen wird, kann dies nicht umgekehrt werden, sondern das Prinzip wird verbessert oder es verschwindet.

Bei den Mollusken war die Entwicklung anders und das am weitesten entwickelte Auge dort, dem der Kopffüßler (Tintenfische usw.) ist "richtig" geschichtet und daher grundsätzlich dem der Wirbeltiere weit überlegen.

Herzliche grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Holger Adelmann

Vielen Dank für die Aufklärung zur Entwicklungsgeschichte des Auges, Detlev. Ich habe danach nochmals im Web gestöbert, dort gibt es einige gute Artikel hierzu. Zum Beispiel zeigt ein ein kostenloser Mikrokosmos-Artikel den Aufbau der Tintenfisch Retina im Vergleich:

http://shop.elsevier.de/elsevier/journals/files/mikrokosmos/archive/mikrokosmos_59_142-147.pdf

Insgesamt ist die Augenentwicklung im Säugetier und in den Tintenfischen (wirbellose Mollusken !) ein Beispiel für sogenannte konvergente Evolution, d.h. in völlig verschieden Organismen 'erfindet' die Natur völlig unabhängig voneinander Strukturen, die einfach am Besten geeignet sind um eine bestimmte Funktion zu  erfüllen - wirklich faszinierend. Andere Beispiele für konvergente Evolution sind die Grabschaufeln von Maulwurf und Maulwurfsgrille, sowie die Stromlinienform von Fisch und Delphin.

Herzliche Grüsse
Holger

Fahrenheit

Lieber Detlef, lieber Holger,

vielen Dank für die weiterführenden Informationen und links.

Herzliche Grüße
Jörg
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wilfried48

#8
Zitat von: Detlef Kramer in April 26, 2010, 09:35:30 VORMITTAG
Bei den Mollusken war die Entwicklung anders und das am weitesten entwickelte Auge dort, dem der Kopffüßler (Tintenfische usw.) ist "richtig" geschichtet und daher grundsätzlich dem der Wirbeltiere weit überlegen.

Lieber Detlef,

das würde mich jetzt aber genauer interessieren. Was können die besser als die Wirbeltieraugen ?
Bessere Auflösung als ein Adlerauge oder grössere Empfindlichkeit als ein Katzenauge ?

Im Säugetierauge wird ja offenbar auch schon ein nicht unwesentlicher Teil der "Bildverarbeitung" innerhab der Retina erledigt.

Als Physiker bin ich ja immer wieder begeistert von diesem "Parallelrechner" Netzhaut. Der Mensch hat beispielsweise auf der Eingangsseite etwa 100 Millionen Photorezeptoren die als Ausgangssignal jeweils einen analog zur Lichtintensität moduliertes Spannungssignal abgeben und auf der Ausgangsseite sitzen etwa eine Million Ganglienzellen deren Axone als Sehnerv in die Sehrinde des Gehirns führen und deren Signalpulse frequenzmoduliert (also digital) sind. Die Retina ist also physikalisch-elektronisch gesehen ein Analog-Digitalwandler  der 100 Megapixel Daten in Echtzeit mit einer intelligenten Datenreduktion von 100:1 verarbeitet.
Da sind unsere CCD Kamerachips noch weit davon entfernt. Und das sich in der Entwicklung befindliche elektronische Retina Implantat ersetzt derzeit gerade mal 1600 Photorezeptoren und braucht trotzdem noch die Signalverarbeitung der nachgeschalteten Retinazellen.


viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

CaDi

Vielen Dank für das Bild! Sehr interessant und ein fantastisches Präparat.

liftboy

Hallo Holger,
entschuldige wenn ich mich erst jetzt melde; aber die Arbeit....
Was die Qualitat und Genauigkeit des Bildes angeht (betrifft übrigens alle Deine Bilder) so bin ich der Auffassung, dass Du die Bilder einem wissenschaftlichen Verlag anbieten solltest.
Derlei Dinge gehören unters Volk; solche Bilder in einem Schulbuch würden doch wesentlich zum Verständnis beitragen.
nachdenkliche Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
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Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Detlef Kramer

Lieber Wilfried,
Zitatdas würde mich jetzt aber genauer interessieren. Was können die besser als die Wirbeltieraugen ?
Bessere Auflösung als ein Adlerauge oder grössere Empfindlichkeit als ein Katzenauge ?

Frage am besten einen Tintenfisch!

Im Ernst: wie soll ich darauf antworten? Es weiß vermutlich doch niemand, wie die Leistung des Tintenfisch-Auges wirklich ist - vor Allem, was sein Gehirn daraus an Informationen destilliert. Nur, von der Konstruktion her kommt es dem Ideal näher.

Es ist doch das absolut Faszinierende, was unser, d.h. das Wirbeltier-Gehirn (dazu gehört, wie gesagt das Auge), aus dem simplen 3-Linser heraus holt. Falls wir das jemals begreifen werden, wird jegliche Kamera-Technik ein Kinderspiel sein.

Habe ich den Punkt getroffen?

Herzliche Grüße

Detlef
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Jürgen H.

Lieber Holger,

das ist ein traumhaftes Präparat! Ich verstehe, dass Du Dich der Dünnschnittkunststofftechnik nähern möchtest!

Herzlichen Gruß

Jürgen

Manfred Melcher

Hallo Holger,

auch von mir einen herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Aufnahme. Zu der Diskussion über den Netzhautaufbau möchte ich noch folgendes beitragen: Das Durchdringen der Netzhautschichten führt selbstverständlich zu einer Verschlechterung der Abbildungsleistung. Aus diesem Grunde unterscheidet sich der Netzhautaufbau am Ort des schärfsten Sehens - nämlich in der Netzhautgrube - vom Aufbau der übrigen Netzhaut. In der Foveola sind von den zehn Netzhautschichten nur noch die Lage der Sehzellen sowie die beiden Grenzmembrane am Bau der Fovea beteiligt. Die übrigen Schichten sind zur Seite gedrängt und die Netzhaut ist an dieser Stelle dadurch wesentlich dünner. Dieser Aufbau gilt für das menschlich Auge, aber ich denke die meisten Säugetieraugen dürften ähnlich aufgebaut sein.

Viele Grüße

Manfred

Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

vielen Dank für das nette Feedback und die vielen weiterführenden Erläuterungen und Diskussionen - ich habe wieder einiges dazugelernt !

Herzliche Grüsse
Holger