Leidys Ouramoeba vorax - mit Video

Begonnen von Martin Kreutz, Mai 01, 2010, 19:56:12 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

ich möchte hier einen Fund vom letzten Jahr aus dem Simmelried vorstellen. Es handelt sich um die Leidys Ouramoeba vorax, welche er 1879 ausführlich beschrieben und gezeichnet hat. Obwohl ich das Simmelried bereits 16 Jahre untersuche, könnte ich diese Amöbe erstmals 2009 finden und 2010 dann noch einmal. Aber sie ist nicht gerade häufig.

Leidy hat die Pilzhyphen am Hinterende der Amöbe offensichtlich nicht als Parasiten erkannt, sondern als Bestandteil der Amöbe, weshalb er einen eigene Art definiert hat. Es gibt nur wenige belegte Funde und Untersuchungen an diesem parasitischen Pilz. Die umfangreichste stammt wahrscheinlich von Geitler (1937), der den Pilz zu den Kladochytriazeen gestellt hat. Ich selbst kann da nicht mitreden, da in keiner Weise Pilzexperte. Genau 70 Jahre später (2007) hat Ernst Hippe diese Amöbe wiedergefunden und im Mikroskomos beschrieben (Lit. s. unten). Ich musste noch mal 2 Jahre warten, bis ich diesen seltsamen Fall von Parasitismus selbst beobachten konnte.

Ich habe versucht herauszufinden, welche Amöbe eigentlich jetzt der Wirt ist. Darüber gibt es nämlich auch keine Informationen. Ich habe insgesamt ca. 10 befallene Exemplare untersuchen können. In den meisten Fällen war der Wirt eindeutig Amoeba proteus, erkennbar am typischen Kern und einer KV (und natürlich den Abmessungen). Beim pressen einiger befallener Exemplare konnte ich jedoch 3 – 5 Kerne finden. Diese Kerne hatten das typische Aussehen der Chaos-Arten (etwas elliptisch, eingedellt mit peripherem Granula). Für eine der typischen Chaos-Arten (Chaos carolinensis oder Chaos nobilis) waren es jedoch viel zu wenige. Für Amoeba proteus waren es zu viele (jedenfalls habe ich noch von keiner A. proteus mit mehreren Kernen gehört). Ich fand diese ,,wenigkernigen" Amöben auch ohne Parasitenbefall in der gleichen Probe, wie die befallenen Exemplare (Fotos, s. unten). Die Theorie, dass der Pilz die A. proteus dazu bringt, mehrere Zellkerne auszubilden, ist damit hinfällig. Mit scheint die mehrkernige Amöbe eine eigene Art zu sein und da liegt meiner Ansicht nach Chaos nobilis am nächsten.

Die mir vorliegende Literatur zu Ouramoeba vorax:

Leidy, J. (1879): Fresh-Water Rhizopods of North America. Washington, Government Printing Office.

Geitler, L. (1937): Über einen Pilzparasiten....Biol. Zentralblatt, 166-175.

Hippe, E. (2007): Die Borstenamoebe – Leidys Ouramoeba vorax und ihr Pilz. Mikrokosmos 96, 204.

Hier nun ein kleines Video von dem Pilzbefall. Die Aufnahmen wurden größtenteils in einem Mikroaquarium aufgenommen. Besonders interessiert haben mich die Haustorien, also die Teile des Pilzes, der für die Verankerung in der Amöbe zuständig sind:

https://youtu.be/GZCkIEihARI

Hier noch einige Fotos von den Funden. Interessant ist, dass die Haustorien sich stets am Uroid der Amöbe sammeln. Es muss also Unterschiede in der Membranstruktur der Amöbe geben, so dass der Pilz "weiß", wo er sich verankern muss.




Beim langsamen quetschen der Amöbe werden die Haustorien (HA bzw. H) sichtbar. Auf der Aufnahme unten erkennt man auch eine beginnende Abschnürung (AB) einer Pilzhyphe. Ich nehme an, die abgefallen Pilzhyphen werden durch andere Amöben phagocytiert und dadurch infiziert (Privatmeinung):





Die Pilzhyphen haben die Form einer Haarnadel. Am scharfen Wendepunkt der Schlaufe (SC) befindet sich das schmetterlingsförmige Haustorium. Das Haustorium scheint in dem Plasma versenkt zu sein. Dieser Eindruck ist jedoch falsch. Tatsächlich veranlasst der Pilz die Amöbe eine Einstülpung der Plasmamembran auszubilden, in der das Haustorium einsinkt (s. http://protistology.ifmo.ru/num5_1/abstracts.pdf auf S. 30):



Die folgenden Aufnahmen zeigen eine der "wenigkernigen" Amöben, die von diesem Pilz befallen werden, aber auch als nicht (sichtbar) infizierte Exemplare in der Probe zu finden waren:



Hier die Kerne der "wenigkernigen" Amöbe im Detail:



Die "wenigkernige" Amöbe hat meiner Ansicht nach große Ähnlichkeit mit Chaos nobilis, die hier zu sehen ist:




Die Zellkerne von Chaos nobile im Detail:



Hier der direkte Vergleich von Amoeba proteus mit Chaos nobile. Zufällig trafen sich diese beiden Exemplare in meinem Mikroaquarium:





Viel Spass beim anschauen und ein schönes Wochenende!

Martin Kreutz

reblaus

Hallo Herr Kreutz -

diese Haustorienbildung ist hochinteressant! Auch echte Mehltaupilze, die höhere Pflanzen durch die Zellwand hindurch attackieren, invaginieren das Plasmalemma nur und durchbohren es nicht. Schließlich muss die Zelle "gesund" erhalten werden, weil sie ja nach Umprogrammierung durch den Parasiten diesen möglichst lange ernähren soll und sie darf deshalb auch nicht per Hypersensibilität "Selbstmord" begehen.

Der Pilz muss also in der Lage sein, die Erkennungsmechanismen der Zellmembran zu "betäuben", sodass der grobe mechanische Eingriff keine Abwehr auslöst, andererseits muss aber die Zelle veranlasst werden, Nahrung für den Parasiten zum Haustorium zu schaffen. Beim Mehltau kann man sogar sehen, wie sich die um das Haustorium ansammelt.

Diese Invaginierung ist allerdings bei höheren Pflanzen wegen der störenden Zellwand nur schwer zu erkennen, während die fast durchsichtige Amöbe wenigstens optisch ein günstigeres Studienobjekt wäre. Aber wenn man nur alle 2 Jahre welche trifft .......

Viele Grüße, Glückwunsch zu den tollen Bildern und Dank für die Literaturquelle

Rolf Blaich

steffenclauss

#2
Hallo Martin,

sehr interessanter Beitrag! Ich hatte vergangenen Herbst in einer Hochmoorprobe mehrere ähnlich befallene Amöben gefunden. Nur handelte es sich bei dem Wirt um Mayorella (nicht näher bestimmt). Pilz und Haustorien zeigen starke Änlichkeit mit deinem Exemplar.
Hier zwei Aufnahmen von meinem Fund 2009:



Diese Form wurde vermutlich ebenfalls bei Leidy, J. (1879): Fresh-Water Rhizopods of North America Tafel IX Abb. 13 /14 als EURAMVEBA VORAX beschrieben

viele Grüße
Steffen clauss

Martin Kreutz

#3
Hallo Steffen,

Deine Aufnahmen zeigen den Pilz Amoebophilus simplex, der vor 5 Jahren von Josef Brief im Mikrokosmos beschrieben wurde:

Brief, J. (2005): Ouramoeba botulicauda, Leidys Amöbe mit Appendix – Eine von Amoebophilus
simplex parasitierte Mayorella. Mikrokosmos 94, 16.

Außerdem zeigt Bill Bourland auf der micro*scope Seite ein paar Aufnahmen:

http://starcentral.mbl.edu/microscope/portal.php?pagetitle=assetfactsheet&imageid=25594

Ich selbst habe das Vieh auch schon gefunden, aber intelligenter Weise keine neueren Aufnahmen mehr gemacht. Das gesamte Thema Parasiten in Amöben und Parasitismus in Protozoen allgemein finde ich sehr interessant und ich halte sonst immer drauf, wenn mir so etwas unter kommt.

Ich kann daher hier noch einen weiteren Pilzbefall hinzufügen, den ich alle 2-3 Jahre an Amoeba proteus finde. Noch ist es mir nicht gelungen, den Pilz zu identifizieren. Die "Kugeln" sind nicht starr, sondern flexibel.



Ich habe damals auch ein kurzes Video aufgenommen:

http://www.einzell.de/Amoebaproteus-Endoparasiten.wmv

Auch bei diesem Parasiten trat das Phänomen auf, dass die befallene Amoeba proteus teilweise mehrere Zellkerne besaß. In dem Video ist ganz kurz zu sehen, wie sich 2 Zellkerne durch das Bild bewegen. Eine Erklärung für dieses Phänomen habe ich bisher nicht.

Schönen Abend!

Martin


steffenclauss

Hallo Martin,

Danke für Deine Zuordnung! Die Aufnahme der micro*scope Seite waren mir bekannt, für einen Vergleich aber leider nicht ganz so informativ. Den von Dir genannten Artikel von J.Brief kenne ich leider nicht, werde ich mir aber sicher organisieren. Ich bedauere es dass J.Brief in diesem Forum nicht mehr aktiv ist, seine Beiträge und Videos waren für mich oft sehr hilfreich.

Das Video zum Pilzbefall der Amoeba proteus ist äußerst ominös, das Vieh ist ja sehr oft zu finden aber mit irgendeinem parasitären Befall habe ich diese (soweit ich das erkennen kann) noch nie angetroffen.
Na ja, in der Amöbenwelt ist es (für mich) schon ungemein schwierig durchzublicken und entsprechend spezifische Merkmale herauszufiltern. Allerdings macht das die Sache interessanter...


viele Grüße
Steffen Clauss