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Auf Augenhöhe mit Daphnia

Begonnen von Martin Kreutz, Mai 13, 2010, 15:27:32 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum ,

vor ziemlich genau 2 Jahren habe ich einige Fotos von Daphnia longispina und Simocephalus vetulus aufgenommen. Dies sind bei Mikroskopikern ausgesprochen beliebte Objekte, von denen wahrscheinlich tausende Fotos existieren. Ich habe versucht diesen Objekten etwas tiefere Einblicke abzugewinnen, in dem ich mit hohen Vergrößerungen an die Sache herangegangen bin.

Eine Übersichtsaufnahme im DF. Der Fokus liegt jedoch nicht in der Körpermitte, sondern auf der Schalenoberfläche, wodurch (meiner Ansicht nach) die glasige Charakter des Krebskörpers mehr betont wird:



Das folgende Portrait von Daphnia ist mit dem 40X Objektiv aufgenommen worden. Da ich das Zwischenbild direkt aufnehme, passt das Objekt trotzdem auf den Sensor der Kamera:

A1 = 1. Antenne
A2 = 2. Antenne
DA = Darm
KO = Komplexauge
LH = Leberhörnchen.



Das große Komplexauge mit Ölimersion zu fotografieren, ist etwas schwieirig, da man das Objekt ziemlich flach legen muss, um eine halbwegs akzeptable Auflösung zu erhalten. Man erhält dann aber einen schönen Einblick in den im wahrsten Sinne komplexen Aufbau. Man erkennt sehr schön die Muskelfasern, welche für das "umherschauen" verantwortlich sind und wie die Sehnerven das Komplexauge mit dem Gehirn verbinden:

MZ = Muskelfasern
SN = Sehnerven
GH = Gehirn



Bei noch höherem Deckglasdruck zerfällt das Komplexauge und man kann die einzelnen, birnenförmigen Kristallkörper erkennen und rötliche, granuläre Pigmentkörner, bei denen es sich um das Rhodopsin handelt:

KK = Kristallkörper
PI = Pigmentkörner



Wahrscheinlich haben alle Forummitglieder schon Daphnia unter der Optik gehabt, aber sich vielleicht noch nicht gefragt, wo eigentlich die Mundöffnung von Daphnia liegt. Sie liegt im ,,Brustbereich", wo man bei gepressten Exemplaren auch die Mandibeln findet, die eine waschbrettartige Oberfläche besitzen:

MD = Mandibeln



Der rautenförmige strukturierte Carapax von Daphnia ist dicht besiedelt mit Bakterien, die im Ausschnitt mit Ölimmersion dargestellt sind:

BA = Bakterien


Unterhalb des sogenannten Rostrums (R) befindet sich die erste Antenne von Daphnia longispina. Diese ist mit einem Büschel von Tastborsten (TB) besetzt, den sogenannten Aesthetasken. Dabei soll es sich um Chemorezeptoren handeln. An den Enden der Tastborsten befinden sich kleine, hochbrechende Körper, die scheinbar mit einer sehr feinen Nervenfaser verbunden sind, die man auf dem Bild gerade noch erkennen kann:



Neben Daphnia longispina fanden sich in der Probe auch viele Simocephalus vetulus. An dieser Art habe ich die ,,Oberarmmuskulatur" in den 2. Antennen studiert, die stark entwickelt sind, um den nötigen Vortrieb im Wasser zu erzeugen. Während die Muskeln bei den Wirbeltieren die Knochen umgeben, erkennt man hier gut, wie die Muskeln das Chitinrohr des Exoskeletts ausfüllen.

G = Gelenk.
MZ =  Muskelzellen



Wie ist eigentlich die Oberflächenstruktur der 2. Antennen bei Simeocephalus? Dazu habe ich mir die Außenhaut im folgenden Ausschnitt genauer betrachtet:



Mit Ölimmersion erkennt man ein interessantes Schuppenmuster, welche kammartig mit kleinen Zähnchen besetzt sind. Das Muster erinnert an die Haut des Hais, von der bekannt ist, dass sie den Strömungswiderstand herabsetzt. Nachdem die Wasserflöhe schon einige Millionen Jahren im Wasser verbringen, kann man auf den Gedanken kommen, dass die Evolution hier zu einer ähnlichen Lösung gekommen ist:




Viel Spass beim anschauen und ich hoffe, das ich etwas zur Unterhaltung bei diesem trüben Wetter beitragen konnte!


Martin Kreutz



Fahrenheit

Lieber Martin,

Du hast wieder gezaubert. Das sind die besten Bilder von Daphnia, die zumindest ich je gesehen habe!

Danke auch für die lehrreiche Dokumentation. So macht das Forum Spaß!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
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Jan Kros

Hallo Martin,
Sehr schöne Bilder hast du ins Forum gestellt.
Das macht richtig Spass das anzuschauen.
Ausserdem sehr lehrreich.
Herzlichen Gruss
Jan

rekuwi

Lieber Martin,

unglaublich - diese Detailfülle und auch Schärfe der Bilder. Bin wieder mal sehr beeindruckt.
Daß der "Mund" irgendwo in der beschriebenen Region sein mußte hatte ich schon immer gedacht, aber diesen nie sehen können.
Tolle Dokumentation. Ganz herzlichen Dank und

liebe Grüße
Regi

Joost van de Sande

Hallo Martin,

Tatsächlich wunderschöne Bilder. Und die Erklärungen bei den Bildern erhöhen den Wert von deinem Beitrag noch. So kommen die Bilder noch besser zur Geltung.
Ich denke nicht daß es handelt um Daphnia longispina sondern um D. pulex. Die A1 sitzt auf ein Konusförmiger Vorsprung und überragt den Kopfboden, die Spina ist zu kurz und zu dorsad. Und bei D. longispina ist die Dorsal- und Ventralrand, meist, gleich stark gebogen. D pulex hat zwei Nebenkämmen auf die Furka aber das kann man hier nicht sehen.

Herzliche Grüße und vielen Dank für den Beitrag,

Joost

Martin Kreutz

Hallo Joost,

ganz herzlichen Dank für die Korrektur! Ich habe noch versucht, in den damals gemachten Aufnahmen weitere zu finden, welche die von Dir genannten Unterscheidungsmerkmale zeigen. Ich konnte jedoch nur noch eine finden, welche den Konus (Pfeil), auf dem die 1. Antenne sitzt, besser zeigt. Dieses Unterscheidungsmerkmal war mir auch nicht bekannt. Werde ich das nächste Mal beachten.

Allen anderen in diesem thread vielen Dank für Lob und Anerkennung!

Allen einen schönen Abend!

Martin Kreutz


Kathleen

Lieber Herr Kreutz,

es ist schier unglaublich, was Sie aus der Durchlichtmikroskopie herausholen können!
Die Qualität und der Detailreichtum Ihrer Bilder ist grandios!!!

Faszinierte Grüße sendet Kathleen!

Joost van de Sande

#7
Hallo Martin,

Vielen Dank für die Ergänzung. Dieses Bild zeigt schön die isodiametrischen Polygonen zwischen Naupliusauge und Rostrum, auch ein wichtiges Bestimmungsmerkmal für D. pulex.
Der konusförmiger Vorsprung hat nicht nur D. pulex sondern auch D. obtusa und D. magna und noch andere weniger deutlich. Aber nicht Daphnia longispina.
Zur bestimmung nütze ich das Buch: Die Haplopoda und Cladocera Mitteleuropas von Dietrich Flößner. Daneben für die Daphnias: The Genus Daphnia
(including Daphniopsis) von John A.H. Benzie.
Über die bestimmung von Daphnias schreibt Flößner: Die Gattung Daphnia gehört zu den taxonomisch schwierigsten Gruppen des Tierreiches. Ursache hierfür sind die große phänologische Plastizität der Arten, die weit verbreitete interspezifische Hybridisation und das Auftreten von Rückkreuzungen und genetischer Introgression.
Zur Bestimmung soll man also gute Bücher haben und dennoch bleibt es schwierig.

Herzliche Grüße und ich möchte gern noch mal die lobende Worte von Katleen unterschreiben.
Änderung: Alle lobende Worte.

Joost

liftboy

Hallo Martin,
eigentlich wollte ich auch ein bisschen lobhudeln, aber da versagt mir die Stimme.
Hoffentlich bleibt dies alles im Forum der Nachwelt erhalten!
Gruß
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
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