Haematococcus ?? ==> Chromatium okenii

Begonnen von Alfons Renz, Mai 28, 2010, 00:44:00 VORMITTAG

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Alfons Renz

Liebe Algenspezialisten,

Etwas konsterniert hatte sich vor zwei Tagen ein tauchender Biologe gemeldet, dem stellenweise 'pinkfarbene Algenteppiche' in circa 6 bis 8 mtr Tiefe in einem Baggersee im Neckartal aufgefallen waren. In Verbindung mit starken Geruch nach Schwefelwasserstoff vor und nach dem Tauchgang. Heute Abend kam er dann mit einer deutlich nach Faulgasen riechenden, rabenschwarzen Brühe, in welcher bei starker Vergrößerung (Objektiv 100x ÖL) einzellige rote Algen zu erkennen sind:



Ich vermute, dass es sich hierbei um Haematococcus handelt. Es sind sowohl unbewegliche rote Aplanosporen zu sehen wie bewegliche, farblose und grüne (?) begeißelte Formen.

Sehr dankbar wäre ich, wenn Jemand aus dem Forum die Bestimmung bestätigen würde und ev. sogar die Art nennen könnte. Bislang war mir Haematococcus aus diesem Forum nur als Bewohner ephemerer Kleingewässer bekannt und nicht als teppichbildene Alge in großen Badeseen (Es handelt sich um den Epple-See bei Hirschau im Neckartal bei Tübingen).

Vielen Dank !

Alfons


Michael Plewka

hallo Herr Renz,
der Befund weist eher auf ein Purpurbakterium/Schwefelbakterium  hin.  Die Einschlüsse in den roten Zellen sind vermutlich Körner von elementarem Schwefel. Ich hätte auf Chromatium okenii getippt, aber dieses ist (im Gegensatz zu Ihrer Beschreibung) beweglich (Geißel). Die  grünen Zellen weisen ein Stigma auf und haben vermutlich nichts mit den roten Zellen zu tun (Euglenozoa?). Interessanterweise fand ich seinerzeit C. okenii mit einer Phacus-Form vergesellschaftet http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Procaryota/source/Chromatium%20okenii.html.

beste Grüße Michael Plewka


Alfons Renz

#2
Lieber Herr Plewka,

Freundlichen Dank für die richtige Zuordnung dieser Schwefelbakterien.

Streble & Krauter nenmen Chromatium okenii das 'Rote Faß-Schwefelbakterium' und verorten es als 'häufigstes freilebendes Purpubakterium' im Faulschlamm.

Das würde zutreffen, ebenso wie die Farbe und der typische Geruch nach faulen Eiern:



und die Form der Bakterien ebenfalls:



Im unteren Bild (Phasenkontrast, automatische Farbkorrektur etc.) glaube ich rechts unten die einfache Geißel erkennen zu können. Heute morgen sind die meisten noch lebenden Formen beweglich, gestern Nacht waren allerdings die in dicken Polstern zusammenliegenden roten Bakterien völlig ruhig.

In den Vakuolen wird Schwefel gespeichert, der allerdings im polarisierten Lichte keine Doppelbrechung aufweist.

Wollen wir hoffen dass diese Bestimmung auch weiterer Überprüfung standhalten wird.

Mit besten Grüßen,

Alfons

Hugo Halfmann

Lieber Herr Renz, lieber Herr Plewka,

ich habe selbst beim Tauchen diese - ich nenne es mal "ballonartigen" - Kolonien schon häufiger gesehen. Irgendwie ist es immer wieder ein wenig befremdend, in dunkler Tiefe auf solch ein neonfarbiges Gebilde zu treffen, meist sind diese Algen ja ein Zeichen für schlechte Wasserqualität, und da mag ich eher nicht tauchen.
Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich jetzt völlig daneben liege, gibt´s in Bayern nicht auch einen Bergsee, in dessen Tiefe Massen dieser roten Algen leben ? Manchmal sollen diese Algen an die Oberfläche steigen und das soll so aussehen als ob der See "blutet". Leider ist mir der Name des Sees entfallen. :(
Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann

sirdul

Hallo Herr Halfmann,

das müßte der Alatsee bei Füssen sein.

mfg

Ludger Benning

Hugo Halfmann

Alatsee, richtig !

Danke, ich kam einfach nicht drauf.

Es gab da mal eine sehr schöne Fernsehdokumentation über diesen See und die Aktivitäten der Nazis an und in diesem See. Der Seegrund ist völlig mit diesen Algen überzogen, wohl auch weil das Tiefenwasser extrem sauerstoffarm ist.

Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann

Heribert Cypionka

Liebe Bakterienfreunde,

Purpurbakterien gibt es nicht nur in ausgefallenen bayrischen Seen, sondern z.B auch in unserem (eutrophierten und von Wasserlinsen bedeckten) Gartenteich. 
Massive Anreicherungen von marinen Typen lassen sich leicht gewinnen, wenn man eine Flasche mit Schlicksediment ans Licht stellt (ohne Sauerstoffzutritt). Hier eine Probe vom Vareler Hafen nahe dem Jadebusen nach zwei Monaten auf meiner Nordfensterbank im Büro.



Schwefelwasserstoff wird von diesen Bakterien nicht etwa produziert, sondern als Elektronendonator verwertet und zunächst zu Schwefel (weiße Ausfällungen) und später Sulfat oxidiert. (Vorsicht - Flasche nicht zu dicht verschließen, sonst kann sie wegen Methan-Überdruck platzen!)

Ich antworte hier aber nicht, um diese Flasche zu zeigen, sondern um auf phantastische Filme zu den Purpurbakterien hinzuweisen, die mein leider vor zwei Jahren verstorbener ehemaliger Mentor Prof. Norbert Pfennig vor mehr als 30 Jahren zusammen mit dem Institut für den wissenschaftlichen Film (IWF) gedreht hat. 

Heute hat das IWF viele Filme online gestellt z.B. unter http://www.iwf.de/iwf/do/mkat/details.aspx?Signatur=C+1156. (Dort das Flash-Video anklicken)

Es gibt noch mehr, wenn man beim IWF nach Pfennig oder Purpurbakterien sucht - und es lohnt sich!

Viel Freude damit

Heribert Cypionka



Michael Plewka

#7
hallo zusammen:
@ Herrn Cypionka: vielen Dank für die links zu den Filmen. In der Tat interessante Aufnahmen!


zum Thema ,,Schwefelbakterien und Tauchen" kann ich noch eine Information aus dem Mittelmeer beisteuern: ein recht bekannter Tauchspot auf der  griechischen Insel Zakynthos ist die sog. ,,Schwefelhöhle", die durch  eine 1-2 m dicke Schicht von  sehr kaltem, milchigen Wasser charakterisiert ist.  Es scheint sich bei der Trübung um kolloiden Schwefel bzw . möglicherweise Thiobakterien zu handeln. Zakynthos liegt am Hellenischen Graben,  der geologischen Grenze der Eurasischen und der Afrikanischen Kontinentalplatte, so dass es dort häufig zu geologischen Aktivitäten wie z.B. Erdbeben  kommt. Insofern sind die Schwefelgase vermutlich geologischen Ursprungs. Auch außerhalb der Höhle treten zwischen Geröll und Felsspalten immer wieder  ei- bis tennisballgroße Blasen auf, die dann durchs Wasser schweben. Leider habe ich kein Mikroskop dabei gehabt, um diese Gebilde zu untersuchen. Möglicherweise handelt es sich dabei um Gespinste von farblosen Thiobakterien:
1.


2.


(Die Grünalge im Bild ist übrigens Caulerpa racemosa, die 1950 aus dem Roten Meer eingeschleppt wurde)


beste Grüße Michael Plewka