Bildhelligkeit bei Fluoreszenz

Begonnen von hinrich husemann, Juni 02, 2010, 20:39:02 NACHMITTAGS

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hinrich husemann

Hallo Freunde der Auflichtfluoreszenz,
ich habe zumindest mal versucht, hierzu den Einfluss der Numerischen Apertur NA des Objektivs mit der Digikamera (Canon A 95) festzuhalten. Ein einigermaßen homogenes Acridinorange-Präparat wurde mit Blauanregung (Zeiss-Auflichtkondensor, 100 W) unter konstant gehaltenen Beleuchtungs-Bedingungen und das gleiche Okular KPL 10X "geknipst" durch drei Objektive des Abbildungsmaßstabes M = 10:1 mit stets der gleichen Belichtungszeit: a) 10 / 0,40 ; b) Apo 10 / 0,30 ; c) 10 / 0,22 . Die Beleuchtungsstärken E in der Zwischenbildebene sind bei Auflichtfluoreszenz proportional zu ( NA4 / M2 ) ; d.h. sie müßten sich hier verhalten wie (leicht gerundet) 11 : 3,5 : 1 .
Das entspricht aber nicht unserer visuellen Wahrnehmung. Die so genannte Stevens´sche Potenzfunktion beschreibt hier die Wahrnehmungsintensität empirisch proportional zu     E 0,33 ; d.h. unsere visuellen Helligkeitseindrücke sollten sich danach hier verhalten wie (etwa) 2,2 : 1,5 : 1 . (Wie weit man dieser Aussage beim Betrachten der Bilder quantitativ folgen kann, sei natürlich dahin gestellt; aber irgendwie in die Richtung geht es ja wohl.)

                       a)                                                                 b)                                                                        c)


Wie gesagt: Nur mal ein Versuch, den Einfluss der NA bei Auflichtfluoreszenz zu "beleuchten" und die Existenz von Objektiven wie z.B. 10 / 0,45 zu "begründen"; deren Auflösungsvermögen man -zumindest visuell - mit den normalen 10X-Okularen gar nicht ausnutzen kann, weil man weit unter der so genannten förderlichen Vergrößerung bleibt.

Fluoreszenzfreundliche, leicht sommerabendliche Mikrogrüsse (in Ost-West-Falen scheint langsam der Sommer zu kommen)
H. Husemann

Piper

Lieber Herr Husemannn,
ein sehr interessanter Versuch, der mich zum schnellen "MItspielen" animiert hat.
Ich habe die drei unterschiedlich hellen Aufnahmen einmal mit meiner Fotokamera am Monitor meines PC hinsichtlich erforderlicher Belichtung selektiv vermessen (TTL-Messung, jeweils identische Objektivbrennweite, Blende und ISO-Zahl):
Die helleste Aufnahme wäre mit 1/ 100 s richtig belichtet, die etwas dunklere mit 1/ 60 s.  Die dunkelste Aufnahme fällt demgegenüber hinsichtlich Helligkeit deutlich ab, was ja auch visuell direkt erkennbar ist. Hier ergibt sich ein Belichtungswert von etwa 1 /8 s, wenn ich mit meiner Kamera selektiv messe.
Das ungefähre Helligkeitsverhältnis in EV Werten wäre folglich etwa 1 : 2 : 4.
Ich finde, dies kommt dem visuellen Helligkeitseindruck näher als die Verhältnisse, welche sich aus der Stevens´schen Potenzfunktion ergeben (2,5:1,5:1). Denn tatsächlich geben sich die beiden helleren Aufnahmen hinsichtlich ihrer "Lichtausbeute" im Endergebnis nicht allzu viel, wohingegen die dunkelste Aufnahme ja durchaus auch nach visuellem Eindruck mindestens etwa "4 mal dunkler" sein dürfte als die beiden helleren Varianten.
Im Hinblick auf die Objektivapertur ließe sich schlussfolgern, dass es bei der 10 fachen Objektivvergrößerung relativ unbedeutend ist, ob mit NA 0,4 oder NA 0,3 gearbeitet wird, wohingegen NA 0,22 "funzelig" ist (viel "funzeliger"; als man aus den numerischen Aperturunterschieden rein "gefühlsmäßig" vermuten würde).
Letztlich liegen die EV-Werte folglich zwischen den Stevens´schen Werten und den ermittelbaren Beleuchtungsstärken, und sie scheinen den visuellen Eindruch am authentischsten wiederzugeben.
Wäre es daher nicht ggf. am praxistauglichsten, resultierende Helligkeitsausbeuten mittels der korrespondierenden EV-Werte bzw. deren Verhältnis zueinander zu beschreiben?
Herzliche floureszierende Grüße
Jörg Piper

reblaus

Hallo -

naive Frage (da ich auch schon so ähnliche Versuche gemacht habe): Müsste man die rechnerischen Belichtungswerte nicht noch verdoppeln - schließlich geht das angeregte Licht durch die selbe Optik ja auch wieder zurück?
Gruß
R. Blaich

hinrich husemann

Lieber Herr Piper,
wenn Sie die EV-Werte messen - oder die von der Kamera gemessenen notwendigen Belichtungszeiten t unter sonst konstanten Bedingungen (Ich habe es auch mit einem alten Belichtungsmesser und einer OM4
versucht), die ja zu jeweils gleicher Bildhelligkeit führen müssten (das Produkt E x t sollte konstant sein) - sind diese doch eher bestimmt durch die physikalische Grösse Beleuchtungsstärke E. Ich habe das natürlich auch ausführlich versucht. Dabei kam ich mit den Belichtungszeiten (bei sonst konstanten Vorgaben) - natürlich innerhalb gewisser Genauigkeitsgrenzen bei so relativ einfachen experimentellen Anordnungen - einigermaßen umgekehrt proportional zu dem theoretisch zu fordernden Ausdruck  NA4/M2. Dazu gemessene "Zahlenkolonnen" wollte ich hier nicht zeigen; ich wollte nur die visuelle Wirkung veranschaulichen.

Nur bezüglich der visuellen Beurteilung (sie ist ja nicht rein physikalisch) sollte - so meine "provisorische" Annahme- eventuell die Stevens-Funktion gelten. Zu den hier gezeigten Abbildungen muß ich sagen, daß mir bei direkter Beobachtung durchs Mikroskop das 0,22iger auch nicht ganz so "funzelig" erschien; zudem kann die Empfindlichkeit der Kamera kann natürlich noch einen verändernden Einfluss haben. Das gilt u.U. auch für die Transmissionen der Objektive, die insbesondere ja im Blaubereich auch Einfluss haben könnten.

Das Ganze ist sicher ein wenig behandeltes Kapitel; man findet in der allgemeinen Literatur wenig darüber. Umso erfreulicher, wenn es im Forum interessierte Resonanz findet.
Spätabendliche fluoreszenzgetränkte Mikrogrüsse
H. Husemann

Hallo Herr Blaich,
die "zweimalige" Benutzung des Objektivs äussert sich in der Proportionalität zu NA4/M2 (anstelle von NA2/M 2 ), )

Ebenfalls freundliche Mikrogrüsse

hinrich husemann

Hallo Herr Blaich,
es war gestern abend (besser heute morgen) schon reichlich spät; deshalb noch eine erklärende Ergänzung zu Ihrer Frage: Das fluoreszierende Objekt wirkt wie ein Sellbsleuchter. Seine Leuchtdichte L ist (vorausgesetzt, daß keine Sättigung eintritt) proportional zur Beleuchtungsstärke durch die Erregerstrahlung; diese wieder proportional zum Quadrat der Beleuchtungsapertur und damit bei Auflichtfluoreszenz zum Quadrat der Objektivapertur, also L proportional zu NA2.
Das fluoreszierende Objekt wird durch das Objektiv in die Zwischenbildebene abgebildet. Die Helligkeit seines Bildes dort ist proportional zu dessen Leuchtdichte L und zum Quadrat der NA des Objektivs und umgekehrt proportional zum Quadrat seines Abbildungsmaßstabes M, also zu  L x (NA2/M2 ) und damit insgesamt zu  NA4 / M2.
Morgendliche Mikrogrüsse
H. Husemann

reblaus

Lieber Herr Husemann -

für die Mühe diese lehrpreisreife Erklärung nach kurzer Nachtruhe zu erstellen möchte ich mich recht herzlich bedanken!

R. Blaich

peter-h

Hallo Herr Husemann,

solche Messungen reizen mich natürlich auch immer  ;D
Also an einem Standard 16 mit Epi-Fluoreszenzknochen IV Fl und Blaulichanregung per LED @ 455nm einige Versuche angestellt.
Präparat waren Diatomeen aus Oamaru in ZRAX als Medium. Sowohl das ZRAX, wie auch einige Diatomeen fluoreszieren recht schön. Hier nun die Auswertung der Intensität, gemessen mit einer Kamera DFK72 (Prototyp von Imaging Source) und die Ermittlung der Helligkeit mit Fitswork. Alle Parameter fixiert (keine Automatik).

Leitz Fluotar 16/0,45  Helligkeit 256
Zeiss Plan    16/0,35  Helligkeit  58

Leitz Fluotar 25/0,55  Helligkeit 200
Zeiss Pl Apo 25/0,65  Helligkeit 254

Ich denke dass die optische Konstruktion, Gläser und Vergütung auch eine erhebliche Rolle spielt. Trotzdem ist der Unterschied in der Apertur deutlich erkennbar.

Einen schönen Tag und Grüße
Peter Höbel


hinrich husemann

#7
Liebe Fluoreszenz-Freunde,
vielleicht noch eine Ergänzung: Die Messung der Belichtungszeiten t ergab bei sonst konstanten Bedingungen (z.T. gemittelt): 1/60 s für 10/0,40 ; 1/25 s für 10/ 0,30 , 1/6 s für 10/0,22 . Da sich die Ausdrücke (NA4/M2 ) etwa wie 11 : 3,5 : 1 verhalten, ergeben, erhält man für die bei gleicher Belichtung als konstant zu erwartenden Produkte (NA4/M2) x t die (leicht geundeten) Verhältnis-Werte 0,16; 0,14; 0,17 . Bei dieser relativ geringen Streuung sollte man berücksichtigen, daß der Belichtungsmesser der aufgesetzten Kamera keine kontinuierlichen, sondern nur gestaffelte Werte anzeigt (z.B 1/60 und 1/70, aber nicht 1/76 s) und daß die Objektive insbesondere im Bereich der kürzerwelligen Anregungsstrahlung unterschiedliche Transmissionen haben können. So ist das 10/0,30 ein Neofluar (nicht wie oben irrtümlich angegen ein Apo); und ich habe auch bei anderen vergleichbaren Objektiven festgestellt, daß bei den Neos meist eine kürzere Belichtung gemessen wird. Offensichtlich haben sie eine höhere Transmission im Anregungsbereich, z.B. gegenüber Apos. Insofern erscheint mir das Ganze als eine akzeptable Bestätigung der Theorie.
Während es sich bei dem Vorangegangenen um objektiv meßbare Physik handelt, ist die subjektive Empfindung der Bildhelligkeit natürlich schwerer objektivierbar. Die quantitaive Aussagekraft der hier ja auch nur versuchsweise angewandten Stevensfunktion ist sicherlich begrenzt. Auch die - auch sehr interessante - photometrische Auswertung der hier gezeigten Bilder leidet natürlich darunter, dass Letztere ja nicht die subjektiv gesehenen Bilder darstellen, sondern einen weiteren Übertragungsschritt enthalten. Sie waren an sich auch mehr zur "Illustration" gedacht; denn nur mit Zahlenwerten ist die Sache weniger reizvoll. Sicher kann man gerade hier noch vieles diskutieren.
Freundliche Mikrogrüsse
H. Husemann

hinrich husemann

Nur noch ein kurzer "Nachschlag": Produkte E(rel.)x t für einige weitere Objektive bei Messung unter gleichen Bedingungen (müssen nicht ganz genau die gleichen sein wie oben). E(rel.) ist einfach der jeweilige Wert von (NA4/M2), bequemerweise normiert auf den für das Objektiv 4/0,10 sich ergebenden Wert als willkürliche "Einheit"; t die gemessene Belichtungszeit in s .
                           E(rel.)    t/s       E(rel.)x t
Neofluar   40/0,75     31,6    1/50      0,63
Neofluar   16/0,40     16       1/25      0,64
CJZ Apo   6,3/0,20    6,5      1/10      0,65
Plan         6,3/0,16   2,64     1/4       0,66 

Ich glaube, das Ergebnis spricht für sich. Nochmals
Freundliche Mikrogrüsse
H. Husemann

TPL

Liebe Fluoreszenzfreunde,

Peter hat es schon angedeutet:
ZitatIch denke dass die optische Konstruktion, Gläser und Vergütung auch eine erhebliche Rolle spielt.

Sobald mit der Anregungswellenlänge das sichtbare Spektrum verlassen wird, spielen diese Parameter sogar eine ganz entscheidende Rolle. Da ist auf einmal so manch ein hochgeöffneter Apochromat eine "Funzel" gegenüber einem Achromat, weil die Transmission kurzer Wellenlängen nicht in die Optimierung des Hochleistungsobjektivs einbezogen wurde.

Blau fluoreszierende Grüße, Thomas

hinrich husemann

#10
Das ist natürlich unbestritten; und insbesondere Apos werden ja i.A. auch weniger für Fluoreszenz "angepriesen". Dass z.B. Neofluare in dieser Beziehung besser sind, habe ich selbst bei einfacher Blau-Anregung schon festgestellt und oben auch angedeutet. Wenn man aber in die Objektivlisten der "Großen" blickt, findet man eben "Donnervögel" wie 40/1,30, oder auch ein 40/0,90 und ein 25/0.80, - keine Apos, meist Neofluare u. Ähnliche, die in der Auflichtfluoreszenz die gewünschte Helligkeit bringen. In meiner obigen Liste hätten diese ein E(rel.) von 286 bzw. 105 und 65; dagegen ein 100/1,25 "nur" von 39. Im normalen "Durchlichtbetrieb" könnte man ihre hohen Aperturen aber weniger nutzen.
Fluoreszenzfreudige Mikrogrüsse
H. Husemann

Rene

ZitatIm normalen "Durchlichtbetrieb" könnte man ihre hohen Aperturen aber weniger nutzen.

Hello Herr Husemann, with all due respect, but there is a huge gain in image quality in brightfield between a standard 20/0.4 and one with higher aperture. Most of our scopes are fitted with dry 20/0.7, we do have some 20/0.8 oil immersions. The gain in general image quality is not (only) to do with higher resolution, or whether the eye is able to resolve the resolution. Lomo has a cheap and cheerful 30/0.9 WI achromat, which is a feast to use on algae!

Regards from the Durchlichters
,
Rene

Werner Jülich

Alle Hersteller solcher hochaperturigen Objektive bieten ja nicht ohne Grund auch Okulare mit höherer Vergrößerung an. Wer nicht ausschließlich Auflichtfluoreszenz betreibt und neben der Fotografie auch visuell beobachtet, der sollte sich ruhig einmal einen zweiten Satz Okulare zulegen.
Ich bin sogar der Meinung, dass sich dies auch dann lohnt, wenn man "normale" Objektive einsetzt. Wer, möglichst noch mit gefärbtem Material, sein 40/0,65 Objektiv mit 10er Okularen bewertet, wie so oft hier im Forum beschrieben, der sollte dies als persönlichen Sehtest auffassen und nicht als Objektivbewertung. 

Werner Jülich