Botanik: Klatschmohn (Papaver rhoeas) *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Juni 09, 2010, 15:12:39 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Guten Tag zusammen !
Der Klatschmohn (Papaver rhoeas), auch Mohnblume oder Klatschrose genannt, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Mohngewächse (Papaveraceae).
Die leuchtend roten Blüten des in Deutschland wilden Klatschmohns blühen ab Ende Mai und kennzeichnen den Beginn des Frühsommers.
Der Klatschmohn galt früher als bedeutsame Heilpflanze. Die Kronblätter wurden auch zur Herstellung roter Tinte verwendet.
Klatschmohn wurde als Liebesorakel benutzt:
man schlug auf die Blütenblätter und die Stärke des Knalls zeigte den Grad der Gegenliebe an.
Das bulgarische Wort für Braut, "bulka", bedeutet gleichzeitig Klatschmohn.
Im englischsprachigen Raum ist der Klatschmohn ein Symbol für das Gedenken an gefallene Soldaten. Dies geht zurück auf das Gedicht In Flanders Fields und den Ersten Weltkrieg, in dem auf den frisch aufgeschütteten Hügeln der Soldatengräber als erstes der Klatschmohn zu blühen begann.

Aussehen:
Wurzel : Pfahlwurzel.
Stengel : behaart.
Blätter : länglich eiförmig fiederteilig, behaart.
Höhe : von 30 cm bis zu 80  cm.
Blüte : purpurviolett mit schwarzem Fleck, Durchmesser bis 8 cm.
Blütezeit : Mai/Juli.
Früchte : der Samen der Mohnpflanze befindet sich in einer Kapsel; die Körner sind rund und blau-grau, der Durchmesser beträgt etwa 1 mm. Eine Kapsel kann bis zu 5000 Körner enthalten.
Es gibt über 100 Mohnarten.

Beschreibung
Der Klatschmohn ist eine einjährige bis zweijährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 30 bis 80 cm erreicht. Die Milchsaftröhren sind gegliedert und netzartig verbunden. Die Stengel sind sehr dünn, wenig verzweigt und behaart. Die fiederschnittigen Laubblätter sind rau und etwa 15 cm lang.
Am Ende der Stengel steht eine einzelne Blüte, die von Mai bis Juli erscheint. Die großen, radiärsymmetrischen, zwittrigen Blüten sind vierzählig und haben einen Durchmesser von 5 bis 8 cm, wobei die Größe erheblich variieren kann. Die zwei behaarten Kelchblätter fallen beim Öffnen der Blütenknospe ab. Die vier roten Blütenkronblätter sind sehr dünn und fragil. Sie ähneln etwas knittrigem Papier und sind daher leicht zu erkennen.
Es werden die typischen Kapselfrüchte gebildet, welche einige hundert sehr kleine (bis 1 mm) dunkle Samenkörner (Mohnkörner) enthält. Die Früchte sind durch zahlreiche ,,falsche" Scheidewände (= Wucherungen der Samenleisten) unvollständig gefächerte Porenkapseln (= Streubüchsen). Jede Kapsel enthält etwa 5000 winzige Samen. Die Samen rasseln in der etwa 2 cm großen Kapsel. Die Samen werden aus der Kapsel durch den Wind ausgestreut.

Ökologie
Der Klatschmohn ist eine einjährige (sommerannuelle) oder winterannuelle Halbrosettenpflanze. Er wurzelt bis zu einem Meter tief.
Die unmittelbar über den Poren liegende dachige Verbreiterung dient als Windfang, so dass die Samen beschleunigt ausgeblasen werden: ,,Fliehkraft-Windstreuer". Die Flugweite beträgt bis 4 m und ist bei starkem Wind wesentlich größer. Die meist abstehenden Borstenhaare des Stängels und das Kapseldach dienen als Klettorgane: Tierstreuer. Menschenausbreitung als Kulturfolger. Fruchtreife erfolgt von Juli bis August.
Die Samen haben ein ölreiches Nährgewebe, was für Windausbreitung typisch ist, da bei gleichem Gewicht Fette doppelt so energiereich sind wie Kohlenhydrate. Die Samen sind Lichtkeimer.

Inhaltsstoffe
Im Klatschmohn können viele Alkaloide mit einem Gesamtgehalt von 0,11–0,12 % nachgewiesen werden. Prinzipiell enthalten alle Pflanzenteile als Hauptalkaloid das schwach giftige Rhoeadin (Gehalt etwa 0,06 %), insbesondere der weiße Milchsaft. Weitere erwähnenswerte Inhaltsstoffe sind Allocryptopin, Berberin, Coptisin, Papaverin, Roemerin und Sinactin sowie Schleime, Gerbstoffe, Meconsäure und Mecocyanin. Die Samen sind ungefährlich, nach Verzehr größerer Mengen kann es jedoch zu Magen-Darm-Beschwerden mit Bauchschmerzen kommen.
Das im Schlafmohn enthaltene Morphin ist im Klatschmohn nicht enthalten!

Quellen
1.   Andreas Alberts, Peter Mullen: Psychoaktive Pflanzen, Pilze und Tiere. Kosmos-Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-440-10749-3
2.   M. Pahlow: Das grosse Buch der Heilpflanzen, Bechtermünz Verlag, ISBN 3-8289-1839-5.



Schnitt: Schlittenmikrotom Reichert-Jung Hn 40 mit schräg gestelltem Messer,      30 µm.

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)
modifiziert
Arbeitsablauf :
1.    Alkoholreihe bis zum 30%igen Ethanol
2.   Vorfärbung  Acridinrotlösung und Acriflavinlösung         1 : 1        5 - 10 Min.
3.   Auswaschen mit Aqua dest.  15 Sek.
4.   Nachfärbung  Astrablaulösung   mit Wasser  verdünnt    1 : 2            30 Sek.
5.   Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
6.   Entwässern mit 2x  gewechseltem Isopropylalkohol
7.   Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einzusetzen. Damit werden Trübungen durch Alkoholeinwirkung  sicher vermieden.
8.   Einschluss  in nicht fluoreszierendes synthetisches Eindeckmittel  (z.B.  Entellan )
Ergebnis :
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot. Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot
Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot, Suberin und Cutin hellrosa, Zellkerne tiefrot

Bild 01
Makroaufnahme Klatschmohn


Bild 02
Klatschmohn (Papaver rhoeas), Illustration aus Koehler's Medicinal-Plants 1887


Bild 03
Übersicht


Bild 04
Papaver rhoeas Stengel, quer


Bild 05 und 06
Floureszenz




Freundliche Grüße
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Eckhard

Hallo Hans-Jürgen,

der Schnitt ist klasse, die Färbung nicht. Ich kann auch nicht sagen, warum, denn die Angabe 5-10 Minuten klingt eher nach einer Anleitung als nach dem Protokoll der Färbung.

Herzliche Grüsse,
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Hans-Jürgen Koch

Guten Abend Eckhard,

Der Schnitt hat genau 5 Minuten in Acridinrotlösung und Acriflavinlösung   1 : 1  gelegen.

Gruß
Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Mila

Hurra, wieder eine Heilpflanze :)

Ich freue mich und finde Schnitt, Färbung und Fotos gelungen!

Vielen Dank und Grüße
Mila

Fahrenheit

Lieber Hans-Jügen,

auch von mir vielen Dank für Deine gelungene Dokumentation. Die Makroaufnahme der Mohnblüte finde ich sehr eindrucksvoll!

Von dem was ich sehe, halte ich die Färbung auch für gelungen. Das Übersichtsbild ist m.E. wegen der bekannten Schwächen der 'kleinen' Objektive wenig geeignet, die Färbung zu beurteilen. Und Bild 4 ist wohl eine Einzelaufnahme und an einigen relevanten Stellen nicht ganz scharf.
Vielleicht kannst Du uns noch ein Bild des Sklerenchymrings mit einem der großen Leitbündel in höherer Vergrößerung zeigen und ggf. Stacken? So ist es nicht ganz eindeutig, aber ich glaube die unterschiedlichen Blautöne von Mark- und Phloemzellen (diese sind idR. dunkler) genau so zu erkennen, wie die bei einer guten Färbung zu erwartenden Abstufungen der rot/orange-Töne im Xylem und den Sklerenchymkappen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Bernhard Lebeda

Mir gefällt es auch

Eckhard: könntest Du Deine Kritik an der Färbung bitte präzisieren? Ich lerne auch immer gerne dazu!

Mila: ähmem...was genau "heilt" denn Klatschmohn??


Viele Mikrogrüsse

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

danke für das Feedback !
am Wochenende werde ich versuchen ein Bild vom Leitbündel (Stapel aus 4 Bildern) in höherer Vergrößerung zu zeigen.

Viele Grüße
Hans-Jürgen
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Mila

#7
Zitat von: Bernhard Lebeda in Juni 09, 2010, 23:10:34 NACHMITTAGS

Mila: ähmem...was genau "heilt" denn Klatschmohn??

Hallo Bernhard,

nun, "heilen" wäre, wie so häufig, wohl falsch formuliert, so dass viele Drogen wohl eher "symptomverbessernde Drogen" oder so ähnlich heißen müssten...

Ein (angebliches) Zitat aus dem 14. Jahrhundert:
Wenn ein Mann Schmerzen hinter den Augen oder Migräne hat, soll er dieses Kraut nehmen, zermörsern, einen Schuss Olivenöl hinzugeben und damit die Stirn einreiben. Dann vergeht der Schmerz und die Migräne wird verjagt

Klatschmohnblüten (Rhoeados flos) wirken leicht schmerzstillend, beruhigend und hustenreizlindernd und werden in der Volksheilkunde, insbesondere für/bei älteren Menschen und Kindern, eingesetzt. Anwendungsgebiete: Schlaflosigkeit, bei (krampfartigem) Husten, Asthma.
Gerade für Kinder ist seit Jahrhunderten ein Klatschmohnsirup als Schlafmittel bekannt.

Außerdem sind die Blüten eine Schmuck-/Schönungsdroge, d.h. Teemischungen werden "hübsch" gemacht.

Die Pflanze wird als leicht bzw. potentiell giftig angesehen (die Dosis macht das Gift...).

Wissenschaftliche Arbeiten gibt es zur Wirkung bisher kaum, die ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) hat bisher keine Positiv-Monographie veröffentlicht.

Hier der Link zu "Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis":
http://books.google.de/books?id=XGXnVRiu3zoC&pg=PA288&lpg=PA288&dq=papaver+rhoeas+wirkung&source=bl&ots=NTRFk1C9H6&sig=Tg4OHfcVMwU0ecyKJZhhJnjNTyw&hl=de&ei=TUUQTJ-rNsmAOMXxsPwK&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=9&ved=0CDgQ6AEwCA#v=onepage&q=papaver%20rhoeas%20wirkung&f=false

und zur schweizer PharmaWiki:
http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Klatschmohn

Viele Grüße
Mila

Fahrenheit

#8
Liebe Mila,

danke, dass Du wieder so ausführlich aus dem "Pharmazeutenkästchen" geplaudert hast.
;D

So bekommen die Präparate Leben, man kann einfach und unterhaltsam über den mikroskopischen Tellerrand schauen und hat dabei noch was gelernt.

Lieber Hans-Jürgen,

ich freue mich schon auf die neuen Bilder! Viel Erfolg beim Photografieren.
Mit dem neuen Material kann Eckhard vielleicht auch genauer sagen, wo er Probleme bei der Färbung sieht, sodass Verbesserungen möglich werden.

Herzliche Grüße
Jörg
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Eckhard

Liebe Freunde,

Zitatkönntest Du Deine Kritik an der Färbung bitte präzisieren?

Gerne. Sinn und Zweck der Färbung ist, die unterschiedlichen Gewebearten farblich zu differenzieren. Und ich finde, dies ist bei den Leitbündeln schlecht gelungen. Die folgenden Bilder zeigen, wie die Wacker Färbung ein Wiesenkraut (Klee) differenzieren kann:





Und ich finde, bei dem Klatschmohn gibt es "room for improvement".

Herzliche Grüsse,
Eckhard
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liftboy

Hallo Hans Jürgen,
ich will da jetzt nicht lobhudeln, aber meiner bescheidenen Meinung nach gehören Deine Beiträge gedruckt und gebunden!
Nachdem Mila bereits angefragt hatte, möchte auch ich Dein o.K. für die Weiterverbreitung im Unterricht einholen.
Gruß
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

auf Deinen Wunsch, hier zwei Bilder vom Leitbündel in höherer Vergrößerung.

Papaver rhoeas




Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Hans-Jürgen Koch

Guten Morgen Wolfgang,

Danke für Dein Lob. Natürlich kannst Du meine Beiträge im Unterricht verwenden.

Gruß
Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Rawfoto

Danke, in Summe sehr lehrreich und schön anzusehen, finde ich toll ...

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

liftboy

Hallo Hans-Jürgen,
vielen Dank
Gruß
Wolfgang
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Niels Bohr