Histologie in Semis: Pankreas, Leber, Uterus, Niere, Thymus, Lunge, Hoden

Begonnen von Holger Adelmann, Juni 11, 2010, 13:38:15 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

heute poste ich wieder einmal ein paar Fotos von 0.5 µm Semi-Dünnschnitten zur Histologie. Der erste Beitrag befasst sich mit der Bauchspeicheldrüse, andere Gewebe werden in diesem Thread dann noch folgen.

Die Bauchspeicheldrüse ist eine gemischt endokrin / exokrine Drüse. Endokrin insofern, dass in lokalisierten Bereichen - den sogenannten Inselzellen - Hormone wie zum Beispiel das für den Zuckerstoffwechsel unverzichtbare Insulin gebildet werden (Abgabe in das Blut). Exokrin insofern, dass in den anderen Bereichen Verdauungsenzyme produziert werden (Abgabe in den Darm).

Das Erste Bild zeigt sehr schön einen typischen Schnitt durch eine exkretorische (=exokrine) Drüse, wo Zellen radialständig um ein Lumen stehen, in welches das Drüsensekret abgegeben wird. Die Verdauungssäfte sind hier sehr schön sichtbar in kugelförmige Vesikel verpackt, gut getrennt vom Rest der Zelle. Diese strenge Trennung ist notwendig, da die Bauchspeicheldrüse sich sonst selbst verdauen würde ! Eine grosse Version von Bild 1 ist hier: http://www.fotos-hochladen.net/pancreas01g6zjmv1og.jpg
Das zweite Bild zeigt eine Insel aus hormonproduzierenden Zellen, welche im exokrinen Gewebe eingebettet liegt.

Eine Besonderheit der histologischen Verarbeitung ermöglicht erst die gute Darstellung der Sekretvesikel, welche Lipoidmembranen haben: Das Gewebe wurde zuerst mit 2,5%igem gepufferten Glutaraldehyd fixiert. Durch eine Nachfixierung mit Osmiumsäure (OsO4) wurden auch besonders die Lipide (fetthaltigen Strukturen) fixiert, welche sonst bei der nachfolgenden Entwässerung und Einbettung herausgelöst und damit die entsprechenden Strukturen (hier die feinen Vesikelmembranen) zerstört würden !

Alle Aufnahme am Leitz Orthoplan, Hellfeld, PL APO 63/1.40

Weitere Hinweise zur Bauchspeicheldrüse im schönen Wikipedia-Artikel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bauchspeicheldr%C3%BCse

Herzliche Grüsse
Holger






Holger Adelmann

#1
Liebe Kollegen,

heute poste ich zwei Fotos zur Feinstruktur der Leber, die ich wiederum von 0.5 µm Semi-Dünnschnitten aufgenommen habe.

Das erste Bild zeigt wichtige Details der Feinstruktur:

Nuc = Kern eines Hepatocyten
NF = Neutralfett innerhalb des Leberzellplasmas, wiederum durch OsO4 Nachfixierung konnten die Lipide erhalten und vor einer Herauslösung geschützt werden
Sin = Lebersinusoide: Spaltensystem zwischen den Leberzellen. In diesen Spaltensystemen befinden sich Zellen des sog. Reticulohistiozytären Systems (Teil der körpereigenen Abwehr), hier besonders die:
Ku = Kupffer'schen Sternzellen, wegen ihrer unregelmässigen Form so genannt

Die Sinusoide werden sowohl von arteriellen Blut (Leberarterie) als auch von venösen Blut (Pfortader = Vena portae) gespeist.
Die Kupffer'schen Sternzellen sind aud Blutmonozyten differenzierte Macrophagen, also Fresszellen der Immunabwehr, die im Körper in allen möglichen Spielarten vorliegen. Diese entfernen schädliche Stoffwechselprodukte durch Phagozytose und auch Pinocytose, aber auch abgestorbene Blutzellen und evt. Bakterien.

Das zweite Bild zeigt zwei Beispiele von Kupffer Zellen, welche durch Toluidinblau-Färbung eine sog, Metachromasie annehmen, also Farbänderungen durch unterschiedliche chemische Eigenschaften der Zielstruktur. Die Kupffer Zellen stechen durch ihre rötliche Färbung hervor.

Eine wunderbare Übersicht zum Bau der Leber findet sich hier: http://www.anatomie.net/Unterricht/Skripte/Lebersinusoide.pdf

Herzliche Grüsse
Holger






Ronald Schulte

Holger,

Die Pancreas Schnitte finde ich wahnsinnig schön. Die Leberaufnahmen könnten scharfer (meine meinung).
Wenn ich die Bilder sehe kann ich mich schon freuen auf mein neues 63x pl apo. Habe noch was Fragen:

- die Färbung sieht aus wie Pyronin/Toluidin oder Methylen/AzurII. Welche ist es?
- in welcher schritt hast du nachfixiert, und wie lange?
- hast du nach die Färbung auch die Farbstoffe fixiert mit Ammoniummolybdat?
- wie lange hast du dehydratiert und wieviel prozentig Ethanol angefangen?
- hast du Xylol als letzte stufe gebraucht oder vielleicht Terpinöl und Butanol?
- das zweite Bild sieht aus wie ein kleinen Langerhanser Insel, stimmt das?
- ist den dunnschnitt gemacht mit ein Paraplast Block oder ist es Kunststoff?

Viele Fragen aber weil ich die gleiche Färbung diesen Herbst machen wolle ist jeder gebrauchserfahrung willkommen.

Grüße aus Holland, Ronald 
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Holger Adelmann

Lieber Ronald,

danke für Dein Feedback. Ich stelle das erste Leberbild nochmals als grosse Version hier ein:
http://www.fotos-hochladen.net/liverdd02a3l0asowp.jpg
Ich denke durch das Herunterrechnen auf die Forumsgrösse hat es etwas gelitten, wie Du hier sehen kannst ist das Original deutlich besser. Die Endvergrösserung liegt hier ohnehin schon bei ca. 2000:1 !

Die Leberbildkollage (zweites Bild) ist noch etwas stärker vergrössert, hier kommt man natürlich auch schnell an die Auflösungsgrenze des Lichtmikroskops und ich halte nichts davon, Bilder darüber hinaus noch weiter elektronisch zu schärfen, da das der Detailtreue nicht gut tut und ohnehin artefiziell ist und auch so aussieht.
Die Präparate hat ein Kollege von mir gefertigt, die genaue histologische Verarbeitung kann ich gerne noch erfragen, auch z.B. auch ob die Schnitte noch mit Ammoniummolybdat gebeizt wurden. Jedenfalls sind es Acrylat-Schnitte, kein Epon.

Du hast recht, das zweite Pankreasbild zeigt eine Langerhans'sche Insel, wie schon von mir ausgeführt.
Herzliche Grüsse
Holger

Holger Adelmann

#4
Liebe Kollegen,

vor dem Zubettgehen poste ich noch ein Foto zur Feinstruktur der Uterusschleimhaut (Gebärmutterschleimhaut, Endometrium), das ich eben wiederum von einem 0.5 µm Semi-Dünnschnitt aufgenommen habe.
Das Bild zeigt Details der Feinstruktur des Endometriums. Das Endometrium ist durchzogen von drüsigen Kanälen, hier rechts im Bild. Man sieht ein prismatisches Epithel. Das Gewebe im Inneren des
Endometriums, das sogenannte Stroma, ist ein lockeres Bindegewebe mit einer Vielzahl von hochinteressanten und auch spezialisierten Zellen. Im Bild sieht man auch schön eines der vielen kleinen Blutgefässe, mit denen das Endometrium durchzogen ist. Diese stellen nach Einnistung eines befruchteten Eies die Versorgung des Föten sicher. Aus Qualitätsgründen habe ich auf ein kleines Bild nun verzichtet, die grosse Bild-Version ist hier (Leitz PL APO 63/1.40):
http://www.fotos-hochladen.net/uterus05adetailynif67w0.jpg

Hier spielen sich bei einer Schwangerschaft das Einnisten des Fötus und die komplizierten Interaktionen zwischen mütterlichem und kindlichem Gewebe ab. Die Plazenta, die zur Versorgung des Föten dient ist ja biologisch / genetisch ein fremdes Gewebe, allerdings ruft es im Endometrium keine Immunantwort der Mutter hervor, da die oberflächlichen Plazentazellen des Föten keine Antigene des sog. Histokompatibilitätskomplex ausbilden (sie "exprimieren" nicht die typischen Geweberkennungseiweisse auf ihrer Oberfläche), das kindliche Gewebe wird dadurch vom mütterlichen Immunsystem nicht als fremd erkannt und somit geduldet

Details zur Immunologie hier:
http://www.embryology.ch/allemand/fplacenta/physio04.html

Herzliche Grüsse
Holger


Harald

Hallo!

Ich bin total begeistert, Semi-Dünnschnitte hätte ich jetzt irgendwie eher in Richtung Elektronenmikroskopie eingeordnet... Ist das das Gleiche wie in "Plastik" eingebettete und geschnittene Materialien?

Aber - wow. Ich habe die Vesikel in Pankreaszellen glaube ich noch nie so schön gesehen! Mein Lieblingsbild!

Mich würde das genaue Vorgehen zum Anfertigen solcher Schnitte auch interessieren!

Liebe Grüße
Harald

Ronald Schulte

Holger,

Ich lese das noch was hausarbeit gefragt wird (wenn es möglich ist natürlich)!
Wir warten die Anfertigung ab.

Noch eine Frage: Mit welche Kamera sind die Aufnahmen gemacht?

Grusse Ronald 
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Ronald Schulte

Harald,

Frage dein Kollegen bitte auch ob eine nachfixierung mit Chrom-Osmium-Essigsäure (Bonner Gemisch) das Lipide behalten lasst (das habe ich bereits)?
Kann ich im Romeis noch nicht genau nachlesen weil mein Buch noch unterwegs ist von Afghanistan Richtung die Niederlanden.

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

hier noch ein kleines Bild der Uterusschleimhaut in den Originalfarben, sowie ein paar Ausschnitte daraus.
Man sollte berücksichtigen, dass man sich hier an der Grenze dessen bewegt, was das Lichtmikroskop noch an feingeweblichen Details auflösen kann und die sog. förderliche Vergrösserung selbst für Hochleistungsobjektive wie das PL APO 63/1.40 überschritten ist. Einen solchen Detailreichtum sieht man sonst nur in Elektronenmikroskop-Bildern.

@ Harald: Richtig, die Schnitte sind in Kunststoff eingebettet (Metacrylat = Acryl), und werden mit einem Glasmesser 0.5 µm dünn geschnitten.
Sie heissen dennoch Semi-Dünnschnitte, da die Schnitte für das Transmissions-Elektronenmikroskop noch dünner sind (<= 0.1 µm).

Details zur Herstellung der Schnitte folgen.

Herzliche Grüsse
Holger








Holger Adelmann

#9
... und noch eine weiteres Organ: Niere.

Bild 1 zeigt den proximalen Tubulus eines Nierenkörperchens (mit Bürstensaum = Mikrovilli).

Bild 2 zeigt den Querschnitt durch eine Henle-Schleife des Nierenkörperchens (mit extrem dünner Wand). Drumherum sind distale Tubuli angeschnitten, die Streifung stellt Mitochondrien dar (in denen das Lichtmikroskop jedoch keine Binnenstrukturen mehr auflösen kann).

Alle Aufnahmen in diesem Thread mit der Moticam 2300.

Herzliche Grüsse
Holger






Harald

Hallo Holger!

Die Bilder sind der absolute Wahnsinn! Sind die Organe vom Mensch?

Liebe Grüße
Harald

Ronald Schulte

Holger,

Schließe mich absolut die Meinung von Harald an. Das Farbprotokol wird immer interessanter und ich enttäusche mich wirklich über die sehr hohe Auflösung des Objektives.
Hoffe das meines gleich so gut ist, bekomme sie nächste Woche.

Grüße aus Holland, Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Holger Adelmann

#12
Liebe Kollegen,

hier nun wie versprochen die Vorbereitung der Gewebe zur Kunstoff-Semidünntechnik:

Immersionsfixierung kleiner Gewebestücke (< 4 x 4 x 4 mm) in neutral gepuffertem (1M PBS) Gemisch von 0.5% Glutaraldehyd und 2%
Formaldehyd bei etwa 10 C über 24 h (Bemerkungen: Glutaraldehyd sollte gereinigt sein 'EM grade', Formaldehyd frisch aus Paraformaldehyd
zubereitet werden; Formaldehyd dringt rascher ins Gewebe ein, Glutaraldehyd vernetzt / erhält die Feinstruktur besser; Das zu fixierende Gewebe
sollte über diese Zeit entweder im Fixativ leicht bewegt werden oder in einem Siebchen eingehängt werden, damit es immer von frischem Fixativ
umspült ist; falls irgendwie machbar sollte der Immersionsfixierung eine Perfusionsfixierung über das Gefäss-System für 60 min mit dem gleichen
Fixativ vorangehen).

Eventuell noch Osmierung zur besseren Erhaltung von Lipidstrukturen: Perfusion (s.o.) mit 1% OsO4 in 0.1% Chromsäurelösung für 1h, oder Immersion für 2 h 
(Bemerkungen: die Osmierung erfolgt am besten via Perfusion, da sich die Gewebeblöcke nicht immer gleichmässig osmieren lassen, was oft zu
ungleichmässigen Verfärbungen des Blockes durch das OsO4 führt; bitte im Dunkeln ausführen).

Auswaschen des Fixatives in 1M PBS (phosphatgepufferte Salzlösung), 3x 2 h (Bemerkungen: bewegen, einhängen wie oben).

Besonders schonende, stufenlose Entwässerung durch die Vakuum-Acetonmethode nach Sitte:
Gewebeblock in 20% Aceton in Wasser überführen. Ein Exsiccator wurde mit einem Schälchen mit 5 ml reinem Aceton und wasserfreien
Calciumchlorid-Kristallen (diese im unteren Teil) versehen. Auf die Porzellaneinlage wird das andere Schälchen mit ca. 5 ml 20 % Aceton, in welchem
sich das Gewebe befindet, gestellt. Mit Hilfe einer Wasserstrahlpumpe o.ä. wird der Exsikkator evakuiert. Im geschlossenen Exsiccator wird die
Feuchtigkeit über Nacht dem Gewebeblock stufenlos entzogen und von den Calciumchlorid-Kristallen aufgenommen. Vor der Weiterverarbeitung noch
für je 30 min in 1x erneutes reines Aceton verbringen (Bemerkungen: die Calciumchlorid-Kristalle sind immer wieder im heissen Backofen zu
'regenerieren'; diese Entwässerung ist auch für Paraffineinbettung zu verwenden wenn man noch ein typisches Paraffin-Intermedium, wie z.B. Xylol,
anschliesst).

Einbettung dann je nach dem verwendeten Kunststoff (vom Hersteller angegeben).

Da ich irgendwann mal selber Semidünnschnitte schneiden möchte habe ich mir schon mal ein paar Sachen gekauft, z.B. den Exsikkator und eine
recht preiswerte Vakuumpumpe bei Ebay ...

@ Harald: Die Gewebe sind aus einem tiertoxikologischen Institut, Rhesusaffe, Maus, Ratte, Kaninchen ...

Herzliche Grüsse
Holger


Holger Adelmann

#13
... weiter gehts mit der Histologie: Ich habe ein schönes Glomerulum (Nierenkörperchen) in einem meiner Schitte entdeckt.
Neben der Vorschau habe ich ein grösseres Bild hier eingestellt:
http://www.fotos-hochladen.net/glomerulum07detaildv1ulksj.jpg

Dieses habe ich beschriftet gemäss eines Internetatlases welcher hier zu finden ist.
http://www.uni-mainz.de/FB/Medizin/Anatomie/workshop/EM/eigeneEM/25230.html

Und noch ein grosses, unbeschriftetes:
http://www.fotos-hochladen.net/glomerulum07big567veydn.jpg

Und noch ein grosses, unbeschriftetes in s/w:
http://www.fotos-hochladen.net/glomerulum07bwyi8lbrth.jpg

Zum Einen denke ich, dass die zwei Glomerula sich recht ähnlich sind  :) zum Anderen denke ich dass das LM Bild schon Erstaunliches zeigt im Vergleich zum EM Bild auf der Internetseite  ;D

Viel Spass
Holger




Harald

#14
Hallo Holger!

Vielen Dank erst mal für deine ausführlichen Beschreibungen!
Woher hast du denn den Kontakt zu dem tiertoxikologischen Institut? ;) Ich hätte auch gerne ein paar solcher Schnitte...

Zur Niere und Deinen Glomeruli kann ich eigentlich nur wieder genau das sagen was ich schon gesagt habe, die Schnitte (und die Bilder!) sind fantastisch, da macht das Betrachten richtig Spaß. Weiter so!

Liebe Grüße
Harald