Die Goldwespe Hedychrum niemelai ♂

Begonnen von Martin Kreutz, Juli 13, 2010, 20:51:37 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

gleich vor meiner Haustür befindet sich ein offen gelassenr Acker, auf dem wilde Kamille wächst. Da war ich gestern auf Beutefang und habe eine schöne Goldwespe erwischt. Man muss nahe herangehen, um ihre wunderbare Färbung zu erkennen. Das Vieh ist nur 6 mm lang. Nach dem abtöten kugelt sie sich ab. Um einige schöne gestackte Fotos zu erhalten, wollte ich aber eine möglichst natürliche "Flughaltung" erreichen. Das war ein hartes Stück Frickelarbeit, die Wespe wieder zu "entfalten". Das Ergebnis sieht dann so aus:



Man erkennt auf diesem Foto auch gut, wie klein dieses Juwel eigentlich ist. Für mein 4X Objektiv aber leider immer noch viel zu groß. Ich hatte das Bestreben, die ganze Wespe komplett abzubilden, in einem Bild. Dazu habe ich 380 Bilder von der Goldwespe aufgenommen, bestehend aus 5 Stapel zu je 76 Bildern. Die 5 resultierenden gestackten Bilder mussten dann noch zusammengefügt und eine sehr sorgfältige Helligkeitskorrektur durchgeführt werden, um keine Übergänge sichtbar werden zu lassen. Das Resultat sieht dann so aus:



Das Originalbild enthält die Detailinformationen der 5 Einzelaufnahmen und enthält entsprechende Auflösungsreserven, weshalb die Aufnahme "knackig" aussieht. Hier ein Ausschnitt der obigen Aufnahme:



Da die Bildgröße in diesem Forum begrenzt ist, hier noch ein Link zu dem etwas höher aufgelösten Foto:

https://www.flickr.com/photos/114723825@N06/26206351257/in/dateposted-public/

Man kann in diesem gestackten Bild noch interessante Details erkennen. Auf dem Kopf befindet sich "das dritte Auge", das Ocellum. Die Goldwespen führen ein Leben als Parasit, weshalb sie auch Kuckuckswespen genannt werden. Sie legen ihre Eier zu den Gelegen von anderen solitär lebenden Wespen. Wenn sie in deren Bau eindringen und erwischt werden, müssen sie sich vor den wütenden Attacken des Eigentümers schützen, der versucht Gliedmaßen und Flügel abzubeißen. Dafür haben die Goldwespen interessante Abwehrstrategien entwickelt. Sie können sich im Falle eines Anfgriffs abkugeln und alle Gliedmaßen komplett einziehen, wie das Fahrgestell eines Flugzeuges. Der Brustpanzer hat dafür entsprechende "Ladebuchten" entwickelt, in die die Beine beim anwinkeln genau hineinpassen. Ich habe sie mit Pfeilen gelb umrandet:



Die abgekugelte Form habe ich leider bei Hedychrum niemelai nicht fotografiert, aber hier ein Foto einer nicht näher benannten Art einer Goldwespe von "NikonUser", der dieses phantastische Foto 2009 im amerikanischen Forum gepostet hat (leider hat er seinen Realnamen nie verraten):



Hier der link zum Original Beitrag von "NikonUser":

http://www.photomacrography.net/forum/viewtopic.php?t=8075

Auf seinem Bild erkennt man nicht nur die perfekt einzogenen Gliedmaßen sondern auch die halbkugeligen Schilde, welche die Flügelgelenke vor dem durchtrennen durch einen Angreifer schützen.

Die wunderbaren Farben und der Glanz der Goldwespen entsteht durch interferometrische Effekte. Mit dem Lichtmikroskop erkennt man die zugrunde liegenden Strukturen jedoch nicht. Hier ein Ausschnitt des Brustpanzers mit Vertiefungen, aus deren Mitte sich jeweils eine Borste erhebt:



Die gelben Kügelchen auf der Wespe sind übrigens haften gebliebene Pollen von der Kamille. Bei diesem Objekt gab es vergleichsweise wenige Artefakte, die sich größtenteils nachträglich retuschieren ließen. Alles wieder mit Combine Z gerechnet und in PS bearbeitet.

Viel Spass beim anschauen und schönen Abend!

Martin Kreutz

Ernst Hippe

Hallo Martin,

das ist ja nun ein neues Betätigungsfeld bei Dir, und mit so schönem Ergebnis! Besonders das Bild auf dem Link hat es mir angetan. Was für ein Arbeitsaufwand für so ein kleines (besser: zu großes) Objekt. Die neue Kamera scheint sich auch zu bewähren.
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

G. Helbig

Hallo Martin,

einfach super!!

Viele Grüße

Gerald


Jan Kros

Hallo Martin,
Ich habe nicht mit Insekten aber ich bin begeistert von deine Bilder
wunderschön

Herzlichen Gruss
Jan

Martin Kreutz

Hallo Ernst,

ja, ich habe mich mal kurz in dieses fremde Areal gewagt, was aber sehr interessant ist. Soviel Arbeit hat die Wespe eigentlich nicht gemacht, wenn ich da an den Aufwand denke, mache Ciliaten dingfest zu machen (ich erinnere mich an die "Geißel" von Illeonema simplex, in PM Vol.3, S. 148 zu bewundern).

Bei dieser Goldwespe finde ich den extrem funktionellen Körperbau sehr interessant. Beim "entfalten" der Wespe musste ich die Beine wieder strecken. Diese waren in "Ladebuchten" des Panzers eingefahren. Diese "Ladebuchten" haben exakt die Dimension der angewinkelten Beine. Ich habe diese Ladebuchten unten markiert. Dann krümmte sich die Wespe auch noch so, dass der Kopf das Hinterende berührt. Dadurch entsteht fast eine Kugel. Auf dem Foto erkennt man auch schön eines der drei Ocellen auf der Stirn.



Es gibt noch ein weiteres interessantes Detail, welches ich mir noch nicht erklären kann. Der metallisch glänzende Brustpanzer hat schüsselförmige Kavitäten. In jeder dieser Kavitäten entspring eine Borste. Aber auf dem Foto scheint es mir so, als wenn diese auch mit einer Flüssigkeit (Öl?) gefüllt sind (siehe Pfeile), wodurch der Glanzeffekt noch verstärkt wird. Es kann sein, dass es sich um eine optische Täuschung handelt, aber für mich sieht es so aus.




Bis bald

Martin


Günther Langer

Hallo,

Goldwespen vermehren sich parasitisch  hauptsächlich bei Wildbienen. Die Wespe kriecht in das Nest der Biene und legt ein Ei in der Brutzelle ab. Falls die Wespe "erwischt" wird, kugelt sie sich zusammen und ist so praktisch nicht angreifbar. Daher der Panzer. Ich habe mal ein altes Nest von einer Schneckenhausbiene (Osmia bicolor) untersucht: Am Ende des Schneckenhause war eine Goldwespe, auch eine Chrysis spec., eingemauert, dann kamen 2 leere Brutzellen und am Eingang hat sich eine Salticus-Art (Springspinne) eingenistet.

Ein Hinweis noch: Viele  Goldwespen stehen auf der Roten Liste. Wildbienen alle! Also bitte Vorsicht. Die C. ignita - Gruppe ist noch nicht völlig geklärt. Nach dem bisherigen System LINSENMAIER stehen etwas 16 bis 18 (!) Arten und Unterarten in Deutschland in der engsten ignita - Verwandschaft... (Letzter Satz ein Zitat aus Peter X. Kunz: Die Goldwespen Baden-Württembergs).

Noch ein Hinweis: Insekten sollte man nadeln. Man muss sie nicht unbedingt aufspießen, aber es ist sinnvoll Beine, Flügel, Fühler etc. so zu fixieren, dass man alle Bestimmungsmerkmale erkennen kann (Flügeladerung und -zellen, Behaarung u. Bestachelung der Beine, Mandibeln, Punktierungen, Changrinierungen etc.). Zur Präparation legt man ein Insekt ca. 2 Tage in eine Weichdose (feuchte Kammer, Achtung: Schimmel) und kann dann das "aufgeweichte" Insekt präparieren.

Viele Grüße

Günther

PS: Fast vergessen: Gratulation, super Aufnahmen!

Zeiss Standard WL, 14 und Phomi II
Zeiss DRC und SV 8
Leitz Laborlux 12
Makro-Setup: Leitz Aristophot mit Balgen u. StackShot
Nikon D90, D700, Canon EOS 600D, EOS 5D Mark III
Suche: Leitz Photar 12,5 mm

Mila

Hallo Herr Kreutz,

auch hier: faszinierende Fotos!

Viele Grüße
Mila

Horst Jux

#7
Hallo,

die Fotos zeigen keine Chrysis ignita. Es handelt sich um um eine Goldwespe der Gattung Holopyga oder Hedychrum.
Um diese Gattungen zu unterscheiden braucht man eine gute Sicht auf die Adern des Vorderflügels.

Chrysis ignita (Gruppe) hat einen gezackten Analrand.

Viele Grüße,
Horst

Alles Freihandfotos.

Nachtrag:
zu Bild 2: ♂ Hedychrum sp.
zu Bild 3: Chrysis ignita Gruppe Analrand hier ruddii
Gern per Du.

Martin Kreutz

Hallo Horst,

da hast Du ja einen ganz alten Beitrag von mir hervorgeholt! Tatsächlich bin ich nicht der Wespenexperte. Umso mehr freue ich mich über Deine Tips um noch eine korrekte Zuordnung zu erreichen. Du wirst es kaum glauben, aber die originale Wespe von 2010 hatte ich hier noch in der Petrischale mit anderen getrockneten Kuriositäten. Dadurch besteht noch die Möglichkeit hier Klarheit zu schaffen. Hier ist sie, 7 Jahre danach:



Ich habe gleich mal das Hinterteil angeschaut und ein paar Bilder gestackt, mit Taschenlampe beleuchtet. Mehr war heute abend nicht drin, aber man erkennt deutlich, dass der Analrand keine Zacken trägt:



Übrigens blöde Idee von mir, dieses Bild mit dem Filename "Goldwespe Analrand" bei Flickr hochzuladen! Wäre fast gesperrt und abgeholt worden!

Hier noch der Vorderflügel, den ich vorsichtig von der Wespe entfernt habe:



Kannst Du mit diesen Merkmalen die Zuordnung eingrenzen?

Martin

Horst Jux

#9
Hallo Martin,

herzlichen Dank für deine Antwort und deine tollen Bilder.

Die Gattung ist durch den Analrand ;D und auch durch den Vorderflügel klar. Gattung Hedychrum (Latreille, 1806).

Hier mußt du noch einige Bilder machen um die Art zu finden.

Von der Färbung kommen 3 Arten in Frage.

1.  ♂ -----Hedychrum nobile Scopoli, 1763
2.  ♂----- Hedychrum niemelai Linsenmaier, 1959
3.  ♀ & ♂ Hedychrum gerstaeckeri Chevrier, 1869

Hier ist ein Schlüssel für die gängigen Goldwespenarten mit Bildern.
https://zookeys.pensoft.net/article/6164/element/2/116/

Für mich: H. niemelai ♂

So macht eine Bestimmung Freude.

Viele goldige Grüße von der Flensburger Förde,
Horst
Gern per Du.

Horst Jux

Hier sind noch einige Analränder
VG
Gern per Du.

Martin Kreutz

Hallo Horst,

vielen Dank für Deine Erläuterungen und Hilfe bei der korrekten Zuordnung! Ich habe daraufhin meinen ursprünglichen Beitrag korrigiert und einige weitere Informationen und Bilder hinzugefügt, die vielleicht auch für andere Leser noch interessant sein können.

Ich betreibe übrigens gleich zwei "Wespenhotels" und begegne daher oft Goldwespen. Mit der Zuordnung hapert es zwar, aber ich bin immer wieder begeistert von dem unglaublichen Farbenspiel.

Martin