Liebe Pflanzenfreunde,
nachdem ich hier im Forum dem Link auf
Leopolds Bilder gefolgt bin, wollte ich mich auf jeden Fall auch einmal am Strandhafer versuchen.
Der Urlaub auf der dänischen Insel Röm gab mir Gelegenheit, ein paar Halme zu schneiden und die Ergebnisse möchte ich Euch hier zeigen.
Der gewöhnliche Strandhafer leidet zunächst einmal unter dem Sprachwirrwar der biologischen Namensgebung und wird so zum sandigen Sandfreund.

Sein wissenschaftlicher Name Ammophila arenaria besteht aus dem griechischen Gattungsnamen Ammophila, was Sandfreund (von ámos, dem Sand und philos, dem Freund) bedeutet. Arenaria hingegen ist Latein und bedeutet "sandig"; von arena, dem Sand - synonym auch für die Römischen Kampfstätten verwendet und so in die Neuzeit gerettet.
So kann es einem einfachen Gras gehen, wenn der alte Name von Linné plötzlich nicht mehr gut genug ist und man vom Direktor des Botanischen Gartens von Berlin mit einem neuen geLinkt wird.

Systematisch gehört der gewöhnliche Strandhafer zu den Süßgräsern (Poaceae). Er ist eine Pionierpflanze, die sich auf losen Sanddünen halten kann und diese mit seinem Wurzelwerk festigt. Das funktioniert so gut, dass der Strandhafer heute quasi weltweit zum Küstenschutz eingesetzt wird.
In seinem etwas unwirtlichen Lebensraum kann er sich mit einigen Tricks halten. Seine Rhizome treiben beispielsweise auch nach oben aus, so dass eine Pflanze nicht nur seitlich Tochterpflanzen bildet, sondern auch oberhalb der Mutterpflanze, falls die Düne durch weitere Anwehungen höher geworden ist.
Eine derbe Cuticula und die stabile Struktur der Halme mit großen Sklerenchymgeweben schützt ihn vor den Angriffen des Flugsands und seine Härchen sowie sein charakteristischer Blattaufbau (Rollblatt) bilden einen wirksamen Schutz gegen Trockenheit und intensive Sonneneinstrahlung.
Für weitere Informationen bietet sich der sehr gute
Wikipedia-Artikel zu Ammophila arenaria an, der mit der Aufnahme in die "Liste der lesenswerten Artikel" ausgezeichnet wurde.
Zu meiner Freude hat sich auch Prof. Thomé in seiner Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz dem Strandhafer angenommen und somit kann ich hier wieder eine schöne Illustration voranstellen.
Bild 1: Illustration zum gewöhnlichen Strandhafer

Einige eigene Bilder zur Pflanze am Fundort dürfen natürlich auch nicht fehlen:
Bild 2: Strandhafer bildet Horste und bald einen dichten Teppich gerade auf losem Sand. Aber auch sandige Wegränder verschmäht er nicht.
Von diesen Pflanzen an der Zufahrt zu unserem Urlaubsdomizil stammt die Probe.
Bild 3: Eine Nahaufnahme von der Ähre des Strandhafers, die Staubbeutel sind gut zu erkennen.

Einen der Halme habe ich vor Ort in ca. 15 mm lange Stücke geschnitten und in AFE fixiert. Zu hause dann der Schnitt mit dem Handzylindermikrotom und Einmalklingen im Halter. Die Schnittdicke liegt bei ca. 50 µm.
Anschließend die Färbung nach Wacker W3A und Müller SAC, eingedeckt habe ich nach Entwässerung (Isopropanol) in Euparal.
Hier kurz die Rezepte:
Wacker W3A
- aus 70% Ethanol
- 8 bis 10 Minuten in Acridinrot (1%ige Lösung in Ethanol 50%)
- gründlich wässern
- ca. 20 Sekunden in Acriflavin (1%ige Lösung in Aqua dest.)
- gründlich wässern
- ca. 30 Sekunden in Astrablau (1%ige Lösung in Aqua dest.) mit dem berühmten Tropfen Acriflavin
(1 Tropfen Acriflavin auf 5 Tropfen Astrablau)
- gründlich wässern
- Entwässern und Eindecken
Müller SAC
- aus 70% Ethanol
- Stufenweise Überführen in Aqua dest.
- ca. 7 Minuten in Safranin (0,1%ige Lösung in Aqua dest.)
- kurz differenzieren mit Salzsäure-Alkohol (0,5 ml 33%ige HCL auf 100 ml Ethanol 70%)
Einwirkzeit 10 bis 20 Sekunden, Lupenkontrolle
- Unterbrechen der Differenzierung mit Aqua dest.
- gründlich wässern (!)
- ca. 30 Sekunden in Astrablau (1%ige Lösung in Aqua dest.)
- gründlich wässern
- ca. 7 Minuten in Chrysoidin (0,1%ige Lösung in Aqua dest.), während dieser Zeit einmal kurz erhitzen
bis kurz vor dem Siedepunkt, die Probe muss dampfen, es dürfen sich aber keinesfalls Blasen bilden.
- gründlich wässern
- Entwässern und Eindecken
Die Technik wie immer: Leica DME mit C-Plan Objektiven, Canon A520 über den Herrmannschen Adapter an Leica Periplan.
Nun die Bilder der Schnitte:
Bild 4: Übersicht über einen auf charakteristische Weise zusammengerollten Querschnitt eines Halms, W3A, Vergrößerung 40x, Stapel aus 16 Bildern

Die Aufnahme ist mit dem 4x C-Plan Objektiv entstanden und leidet unter den üblichen Problemen bei Aufnahmen mit den 'kleinen' Brennweiten. Dazu noch eine deutliche Vignettierung an den Rändern, sonst hätte es nicht gepasst.
Das geht mit Stitchen deutlich besser. Leopold, ich hoffe, Du erlaubst, dass ich hier auf Deine sehr schöne Arbeit
verlinke.
Bild 5: Eine Rippe bei 100-facher Vergrößerung, W3A, Stapel aus 11 Bildern

Das Bild bietet sich an, um ein wenig zur Anatomie des Strandhafers zu schreiben:
Bild 6: die gleiche Aufnahme mit Beschriftung

Das Blatt hat über die größte Rippe gemessen einen Durchmesser von ca. 900 µm.
Die mit Parenchym bezeichneten Zellen enthalten Chloroplasten in großer Anzahl. Nur dieser Zelltyp ist zur Photosynthese in der Lage (Assimilationsparenchym).
Ein Großteil des Querschnitts wird von Sklerenchymgewebe gebildet, in das die anderen Gewebearten, wie zum Beispiel die Leitbündel, eingelagert sind. So wird die außerordentliche Stabilität des Halms erreicht.
Dazu trägt auch die ebenfalls sklerifizierte Epidermis und die Cuticula bei, die mir bei der W3A Färbung leider wieder verblasst ist.
Bei Trockenheit rollt sich der Halm wie in der Übersicht gezeigt zusammen, um die Verdunstung herabzusetzen. Dies geschieht über die "bulliformen Zellen" (Gelenkzellen, von "bullosus" - blasig), die hier aufgrund der Fixierung/Entwässerung in trockenem und damit geschrumpften Zustand vorliegen. Dadurch wird die gerippelte Seite des Blattes verkürzt, es rollt sich ein und setzt nur noch die glatte Seite der Witterung aus.
Bild 7: die bulliformen Zellen und das Parenchym mit den Chloroplasten im Detail, W3A, Vergrößerung 200x, Stapel aus 7 Bildern

Die Größe der bulliformen Zellen liegt bei etwa 20 auf 10 µm. In feuchter Umgebung ist der Tugor in der lebenden Zelle höher und ihr Umfang entsprechend größer. Damit streckt sich die Rippen-Seite des Halms und er entrollt sich.
Im Asimilationsparenchym sind die passenderweise grün gefärbten Chloroplasten erkennbar.
Bild 8: eines der Hauptleitbündel,W3A, Vergrößerung 200x, Stapel aus 7 Bildern.

Es handelt sich, wie bei den monokotylen Gräsern üblich, um ein geschlossen kollaterales Leitbündel ohne Cambium zwischen Phloem und Xylem, der Durchmesser beträgt hier zwischen 150 und 200µm. Genaueres im beschrifteten Bild:
Bild 9: Bild 8 mit Beschriftung

Xl: Xylem mit Tracheen (T)
Ph: Phloem mit Siebzellen und Geleitzellen, ein Phloemparenchym kommt nicht vor
IG: Interzellulargang, mit Wasser gefüllt und mit einer ringförmigen Verdickungsleiste einer zerrissenen Ringtracheide
LB: Leitbündelscheide, hier mit gut erkennbarer U-förmiger Zelluloseeinlagerung in den Zellwänden
Bild 10: Stoma mit dahinter liegender kleiner "Atemhöhle", W3A, Vergrößerung 400x, Stapel aus 7 Bildern

Der Spalt hat bei einer Länge von ca. 6µm eine Breite von 0,5 µm.
Bild 11: eine Blattkante mit extra starkem Sklerenchym, W3A, Vergrößerung 200x, Stapel aus 12 Bildern
Zum Schluss - liest noch jemand mit?

- noch drei Bilder mit der SAC Färbung, bei der insbesondere die Cuticula und die Haare sehr gut herauskommen.
Bild 12: nochmal eine Rippe, SAC, Vergrößerung 100x, Stapel aus 7 Bildern

Bild 13: ein großes Leitbündel, SAC, Vergrößerung 200x, Stapel aus 9 Bildern

Bild 14: wiederum die Blattkante mit der ausgeprägten Cuticula, SAC, Vergrößerung 400x, Stapel aus 6 Bildern

Vielen Dank fürs Lesen. Kritik und Kommentare sind wie immer willkommen.
Herzliche Grüße
Jörg