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Blutregenalge

Begonnen von Eckhard, Oktober 03, 2010, 16:17:51 NACHMITTAGS

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Eckhard

"Am 25. August (1701) bemerkte ich, dass in einer bleiernen Rinne, die am vorderen Teil meines Hauses angebracht ist, eine Pfütze von Regenwasser stehengeblieben war. Die Pfütze war fast 4 Zoll lang, sieben Zoll breit und zeigte einen roten Farbton.
Da mir der Gedanke kam, dass vielleicht jener rote Farbton seinen Ursprung roten Kleinstlebewesen verdanken könne, (...) entnahm ich der Rinne soviel Wasser, wie ungefähr einen Tropfen ausmacht, beobachtete es durch das Mikroskop und entdeckte eine große Anzahl teils roter, teils grüner Kleinstlebewesen."
Leeuwenhoek, 1702

Von ähnlichen Überlegungen wurde ein befreundeter Mikroskopiker im Jahr 2010 geleitet, der in seinem Garten einen Wasserrest mit einem verdächtig roten Farbton fand. Eine mikroskopische Untersuchung ergab, hier war kein Verbrechen geschehen, sondern die schon von Leeuwenhoek beschriebene Alge, heute als Blutregenalge (Haematococcus pluvialis) bekannt, war Schuld.

Haematococcus pluvialis ist eine Grünalge aus der Klasse der Chlorophyceae. Sie kommt überall auf der Welt vor, liebt eher hartes Wasser und kann sogar im Brackwasser leben. Pfützen, Betonlöcher, in denen sich Regenwasser sammelt oder auch Vogeltränken sind gute Kandidaten, Haematococcus pluvialis zu finden.

Haematococcus pluvialis ist für die o.a. Habitate bestens spezialisiert. Wenn die Lebensbedingungen schlechter werden (zu wenig Licht, Nährstoffmangel (speziell Stickstoff)) werden die beiden Geisseln recycelt und die Alge bildet die kugelige "Palmella" Form (Akineten). Dabei werden Carotinoide, speziell der Farbstoff Astaxanthin, gebildet. Wahrscheinlich dient der Farbstoff als Schutz vor der Sonnenstrahlung. Eine alternative Deutung ist der Schutz vor freien Sauerstoff Radikalen, die bei der Photosynthese entstehen. Die Akineten sind unempfindlich gegen Trockenheit und können sogar mit dem Wind zu einem anderen Wasserloch reisen (Bilder 1-4).

Bei verbesserten Lebensbedingungen erfolgt ein schneller Übergang in das Flagellaten Stadium und der Flagellat teilt sich. Der Flagellat hat 2 Geisseln und ist von einer Schleimhülle umgeben (Bild 5). Details und weitere Bilder zum Flagellaten folgen, ich habe gerade erst mittels etwas Dünger die Akineten "aufgeweckt".

Die Blutregenalge wird kommerziell zur Herstellung von Astaxanthin eingesetzt. Astaxanthin ist ein sehr wichtiger Farbstoff, der Krebstiere rot und Lachse rosa (durch den Verzehr der Kleinkrebse) macht. Astaxanthin ist ein besserer Vitamingrundstoff als Beta Carotin.


Bild 1: 10x Planapo, Dunkelfeld


Bild 2: 16x PlanNeo, Phasenkontrast


Bild 3: 63x Planapo, Hellfeld


Bild 4: 100x, PlanNeo, DIK


Bild 5: 63x Planapo, Phasenkontrast

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
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Eckhard

Eine Besonderheit des Flagellaten sind die Plasmabrücken zum Ende der Schleimhülle. Im Bild 6 sind diese schön zu sehen. Der Chloroplast enthält mehrere gut zu erkennende Pyrenoide sowie den Zellkern (Bild 7). Ein Augenfleck ist vorhanden, ich habe ihn allerdings nicht erkennen können.


Bild 6: 63x Planapo, Phasenkontrast


Bild 7: 100x PlanNeo, DIK

Besitzer des "Lebens im Wassertropfen" können sich an sehr schönen DIK Aufnahmen der Haematococcus pluvialis Flagellaten im Bildanhang erfreuen. Dort wird der Übergang vom Flagellaten zum Akineten gezeigt.

Herzliche Grüsse
Eckhard
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Fahrenheit

Lieber Eckhard,

wirklich sehr schöne Aufnahmen von dieser interessanten Algenart!
Die Bilder 2, 4 und 6 gefallen mir besonders gut.

Von der industriellen Nutzung habe ich nicht gewusst. Schön, dass Du das für Deine Beschreibung 'ausgegraben' hast.
Habt ihr Euren Fund ggf. kultiviert und wenn ja wie?

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
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Für draussen: Leitz HM

Bernhard Lebeda

Hallo Eckhard


sehr schöne Darstellung der Blutregenalge!  Besonders das erste DF Bild hat was!!


Viele Mikrogrüsse

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

bini

Hi Ecki,

ein interessanter Bericht mit sehr schönen Bildern!

Mein Favorit ist Bild 6.  ;)

Grüße von Herzen
Bini

Eckhard

Hallo,

ich habe anscheinend einen Parasiten, der meine Haematococcus frisst:


63x Phasenkontrast

Das Bild zeigt neben den intakten Zysten einige, in denen nur noch Stoffwechselprodukte des Parasiten vorhanden sind. Die untere Zyste am linken Bildrand wird gerade befallen (19:00 und 16:00 Uhr).

Ich vermute, es handelt sich um eine Physoderma Art, einen Flagellatenpilz (Chytridiomycota).

Dummerweise ist meine Probe mittlerweile ziemlich mit einer anderen Grünalge kontaminiert und die Dokumentation des Pilzes erweist sich als schwierig. Durch die Grünalgen sind die Proben nicht dünn genug für die 63x und 100x Objektive. Wenn ich die Probe etwas anpresse, um sie dünn zu machen sind manche Zellen durch meine unsachgemässe Behandlung kaputt.

Herzliche Grüsse
Eckhard
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Jan Kros

Hallo Eckhard

Sehr schöne Aufnahmen von diesen Blutregenalge
Gruss
Jan

steffenclauss

Hallo Eckhard,

die Blutregenalge hält sich in unsrere Dachrinne vom Balkon sehr hartnäckig.
Ich finde auch leere Zellen, ob diese an einem Befall von Parasiten leiden müsste ich mal untersuchen.

ZitatDurch die Grünalgen sind die Proben nicht dünn genug für die 63x und 100x Objektive. Wenn ich die Probe etwas anpresse, um sie dünn zu machen sind manche Zellen durch meine unsachgemässe Behandlung kaputt.

Das Problem kenne ich, es ist sehr schwer diese im Flagellaten-Stadium festzuhalten. Selten sind beide Geiseln in der gleichen Ebene. Mein Respekt vor diesen klasse Bildern!

viele Grüße
Steffen

Eckhard

Hallo,

vielen Dank für das Lob. Mittlerweile habe ich den Parasiten "in flagranti" erwischt:


63x DIK

Rechts aussen in der Mitte sieht man wie er an eine Zyste angedockt hat und sie langsam aussaugt. Die Haematococcus sehen etwas mitgenommen aus - das liegt an dem leichten Anpressen des Deckglases, um eine geringe Schichtdicke zu erreichen.

Herzliche Grüsse
Eckhard
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Oliver S.

#9
Lieber Eckhard,
vielen Dank für den interessanten und schön bebilderten Beitrag.
Oben schreibst du

Zitat von: Eckhard in Oktober 03, 2010, 16:17:51 NACHMITTAGS

...Haematococcus pluvialis ... liebt eher hartes Wasser und kann sogar im Brackwasser leben....


ist es da nicht verwunderlich, dass die Blutregenalge auf meinem Balkon auch sehr gut in ziemlich weichem Regenwasser lebt, das einen Leitwert von nur 0-12 Mikrosimens/cm hat?

Gruss, Oliver



(gern per "Du" )

Eckhard

Hallo Oliver,

das mit dem harten Wasser war ein Literaturzitat. Mittlerweile habe ich auch schon gehört, dass Haematococcus pluvialis in auf der Terrasse aufgestellten Kerzengläsern gedeiht, das deutet nicht umbedingt auf hartes Wasser hin.

10-12 µS/cm ist allerdings sehr weich - so gut ist die Berliner Luft nicht  >:(

Herzliche Grüsse
Eckhard

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rhamvossen

#11
Hallo Eckhard,

Ich finde die Bilder (besonders Bild 3 und 4)  wahnsinnig schön. Besonders das Bild 3 hat etwas Künstlerisch, obwohl ich in diesem foto den Eindruck habe , dass der Kondensor Blende etwas zu weit ist geöffnet, ich sehe wenig Details in die rote Zellen. Könnte das sein? Herzliche Grüsse,

Rolf

Eckhard

#12
Hallo Rolf,

das Bild 3 gefällt mir vom Ästhetischen her sehr. Das Bild ist etwas flau, aber das hat 2 Gründe:

1) Es ist ein Phasenkontrast Objektiv

2) Die Schichtdicke war für dieses Objektiv grenzwertig. Aber ich wollte den kugeligen Eindruck der Zysten einfangen und wenn ich die Probe mehr zusammendrücke, um die richtige Schichtdicke zu bekommen werden aus den Kugeln Kreise  >:( So war dies der Kompromiss aber das Bild ist nicht "knackig". Wie es aussieht wenn die Schichtdicke stimmt zeigt das zuletzt eingestellte Bild. Dies ist aber NICHT dasselbe Objektiv.

Gut beobachtet!

Herzliche Grüsse
Eckhard
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