Botanik: Dreierlei von der Weinrebe :-) *

Begonnen von Fahrenheit, Oktober 03, 2010, 19:28:21 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Freunde,

passend zur Jahreszeit möchte ich heute drei Querschnitte von der Echten Weinrebe (Vitis vinifera sub vinifera), einer Unterart der Weinrebe (Vitis vinifera) zeigen. Anhand der Schnitte eines Frucht- und eines Sommer- bzw. Geiztriebes sowie eines Blattstiels lassen sich schön die Unterschiede bzw. die Entwicklung der Gewebe aufzeigen. Der Fruchttrieb stammt vom ersten Austrieb im April, ist also schon weiter entwickelt als der sommerliche Geiztrieb. Die Proben wurden am 19.09. genommen.

Zunächst aber wie immer ein paar Worte zur untersuchten Pflanze. Die Weinrebe (Vitis vinifera) ist eine Art in der Gattung Vitis (Rebe). Sie ist heute vor allem heimisch im Mittelmeerraum, Mitteleuropa und Südwestasien. Die Unterart Edle Weinrebe (Vitis vinifera subsp. vinifera) wird zur Produktion von Wein genutzt und hat es nach letzten Meldungen mittlerweile bis auf eine Schäreninsel geschafft.

Die Römer hatten mit den Weinreben im Rheintal noch ihre liebe Not. Mittlerweile überlegen einige Winzer in hessischen Anbaugebieten, wann sie mit dem Anbau von Bordeaux-Reben beginnen sollen. Den einheimischen Sorten scheint es nämlich stellenweise schon zu warm zu werden. Ob das ein Anzeichen des drohenden Klimawandels ist?
Den klassischen Moselriesling (starke Säure, leicht moussierend, trocken mit dezenter Frucht) gibt es jedenfalls kaum noch. Schade, mein Lieblingswein - wenn auch früher eher aus der Not so ausgebaut.

Noch ein wenig zur Botanik: die Weinrebe ist ein mit Sprossranken kletternder Strauch und kann 10 bis 20 m hoch werden, wenn man ihn lässt. Ihre stark verästelten Wurzel reichen tief in die Erde und ihr holzigen Stamm kann einen Umfang von bis zu 1,5 m erreichen. Die bräunlich-graue Rinde löst sich charakteristisch in Längsstreifen ab (siehe Bild 3). Die mit dem Beginn des sekundären Dickenwachstums rotbraun bis braungelb gefärbten Triebe sind in der Regel unbehaart. Sie weisen feine Furchen und kleine, punktförmige Rindenporen auf.

Die Blätter sind meist deutlich 3 bis 5-lappig und am Blattstiel eng eingebuchtet und erreichen einen Durchmesser von 5 - 15 cm. Die Lappen sind grob gezähnt und decken sich sogar zum Teil. Die Blattoberseite ist unbehaart, die Unterseite weißwollig bis filzig behaart. Der Blattstiel erreicht eine Länge von 4 bis 10 cm, gegenüber seinem Ansatzpunkt am Spross steht oft eine Ranke.

Die schwach duftenden Blüten sind in zusammengesetzten, dichten Rispen angeordnet. Die Einzelblüten besitzen einen kurzen, 5-lappigen Kelch und fünf etwa 5 mm lange Kronblätter. Diese sind gelbgrün und fallen, wie die Kelchblätter, früh ab. Die Blütezeit reicht von Juni bis August.

Die länglich bis kugeligen, zum Teil bereiften Früchte (Weinbeeren oder Perkel, nicht Traube  ;) ) sind 6 - 20 mm lang und zeigen in den verschiedenen Unterarten und Züchtungen eine breite Farbpalette von dunkelblau über violett und grün bis zu gelblichen Tönen. Wenn sie nicht weggezüchtet wurden, sind pro Beere immer 3 oder 4 Samen vorhanden. Diese sind hartschalig, birnenförmig und auf einer Seite mit 2 länglichen Furchen oder Gruben versehen.

Wer mehr lesen möchte, wird z.B. in der Wikipedia fündig:
Edle Weinrebe
Wein

Zunächst nun ein paar Bilder und Illustrationen von der Weinrebe.

Bild 1: Weinanbau unterhalb des Drachenfels bei Röhndorf, eigene Aufnahme.

Lieber Detlef, die Erzeugnisse dieses Hanges hast Du bereits genossen. :-)

Bild 2: Blätter und Traube des Cabernet Sauvignon

An der Ranke im Hintergrund kann man die erwähnten feinen Furchen erkennen. Da wir unsere eigenen Trauben schon zu einem leckeren Gelee verarbeitet haben (für einen Wein reicht die Anbaufläche unter dem Carportdach nicht  ;) ), zeige ich hier eine sehr schöne Aufnahme von BerndF unter GNU Free Documentation License.

Bild 3: Ein älterer Spross mit der sich in charakteristischen Längststreifen ablösenden Rinde, eigene Aufnahme.


Bild 4: Illustration aus der Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz, Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé, 1885, Gera, Germany (public domain, Quelle www.biolib.de)


Bild 5: Illustration aus Köhler's Medizinal-Pflanzen, Franz Eugen Köhler(public domain)


Geschnitten habe ich in AFE objektfixierte Stücke vom Frucht- und Sommertrieb sowie einen Blattstiel mit dem Zylindermikrotom und Einmalklingen (Leica) im Klingenhalter. Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm.
Die anschließende Färbung erfolgte nach Wacker W3A mit Acridinrot (1% in Ethanol 50% für ca. 8 Minuten), Acriflavin (1% in Aqua dest. für ca. 30 Sekunden) und Astrablau (1% in Aqua dest. mit einer Spur Acriflavin für ca. 40 Sekunden).
Der Färbeprozess war für alle drei Proben identisch, somit weisen die entstandenen Farbunterschiede auf Unterschiede im Gewebe hin.

Nun aber zu den mikroskopischen Aufnahmen. Für echte Übersichten sind die Durchmesser mit ca. 4,9 mm beim Fruchttrieb, ca. 4 mm beim Sommertrieb und ca. 2,5 mm beim Blattstiel zu groß. Daher hier zunächst einmal direkt untereinander drei Ausschnitte aus den Leitbündeln in gleichem Maßstab. Damit sind die Größenunterschiede und der unterschiedliche Gewebeaufbau auf einen Blick zu erkennen:

Bild 6 a/b/c: Ausschnitt vom Blattstiel, Sommer- und Fruchttrieb, Vergrößerung 50x, Stapel aus 4, 6 und 7 Bildern



Deutlich ist der unterschiedliche Aufbau des jeweiligen Querschnitts zu erkennen. Die abweichenden Farbtöne im letzten Bild vom Fruchttrieb zeigen an, dass sich auch bei der Gewebechemie einiges getan hat (wie schon beschrieben, war der Färbeprozess bei allen drei Proben identisch).

Nun geht es noch ein Stück näher heran, die größten Unterschiede zeigen sich naturgemäß im Aufbau der Leitbündel.

Bild 7 a/b/c: Ausschnitt aus den Leitbündeln, jeweils mit dem Cambium im Zentrum. In der Reihenfolge wieder Blattstiel, Sommer- und Fruchttrieb, Vergrößerung 200x, Stapel aus 6, 7 und 12 Bildern  



Insbesondere die Unterschiede zwischen dem Geiztrieb und dem Fruchttrieb mit beginnendem sekundären Dickenwachstum sind gewaltig.

Bevor nun jemand sagt: "Ohne Beschriftung und keine Maßstabsbalken!"  :) : die gleichen Bilder nochmal mit dem Vermissten und der folgenden Beschreibung der Gewebe.

Bild 8 a/b/c : Wie angedroht, die Serie 7 mit Beschriftung




Hier die Legende:
MP   : Markparenchym, nur auf Bild 8a
SKlR : Sklerenchymring um das Leitbündel, nur Bild 8a
PXl   : Protoxylem, nur Bild 8a
XL   : Xylem, alle Aufnahmen
T     : Tracheen, alle Aufnahmen
Ca   : Cambium, alle Aufnahmen
Pl    : Phloem, alle Aufnahmen
HB   : Hartbast, sklerifizierte Phloemzellen, im Gegensatz zum nicht sklerifizierten Weichbast aus Siebzellen und Geleitzellen, nur in Bild 8c
SklK : Sklerenchymkappe, alle Aufnahmen
PHg  : Phellogen, Korkcambium, nur Bild 8c, sekundäres Abschlussgewebe
Ph   : Phellem, Kork, nur Bild 8c, sekundäres Abschlussgewebe
RP   : Rindenparenchym, primäres Abschlussgewebe
Ep   : Epidermis, alle Aufnahmen, in Bild 8c schon abgestorben und deformiert. Primäres Abschlussgewebe
Cu   : Cuticula, alle Aufnahmen, in Bild 8c kaum noch erkennbar. Primäres Abschlussgewebe

Lieber Detlef, lieber Rolf, herzlichen Dank für Deine Unterstützung beim Hartbast und der Lage von Phellem und Phellogen!

Beim Übergang zum sekundären Dickenwachstum bildet sich ein neues Meristem, das Phellogen, zwischen dem Phloem und der Sklerenchymkappe bzw. dem Rindenparenchym. Dieses beginnt mit der Bildung von Kork (Phellem) und somit mit dem Aufbau eines sekundären Abschlussgewebes. Das weiter außen liegende Gewebe stirbt ab, wird deformiert und schließlich gesprengt - nur um bei der Weinrebe in faserigen Fetzen vom Spross ab zufallen (siehe Bild 3).

Eine weitere 'Neuerung', die mit dem Sekundären Dickenwachstum Einzug hält, ist der Hartbast im Phloem. Diese sklerifizierten Zellreihen werden beim Ausreifen des Fruchttriebes mehrfach gebildet. Bis zum Winter können 4 abwechselnde Schichten von Weich- und Hartbast vorhanden sein. Bei dem hier präparierten Spross ist dieser Prozess noch ganz am Anfang, HartBast gibt es nur auf einer Hälfte, in der anderen fehlt er im Phloem:

Bild 9: Querschnitt durch das Leitbündel und die äußeren Gewebeschichten aus dem gleichen Schnitt wie 7 und 8 c, nur auf der gegenüberliegenden Seite. Vergrößerung 200x, Stapel aus 8 Bildern


Nun noch einige - wie ich hoffe - interessante Einzelbilder aus den 3 Präparaten.

Bild 10 a/b: Nebenleitbündel aus dem Blattstiel, Bild 10b mit Beschriftung. Vergrößerung 400x, Stapel aus 5 Bildern


Der Aufbau des Blattstiels (siehe auch Bild 6a) erinnert an den des Wallnussblattstiels. Legende wie unter 8.

Bild 11 a/b: Zellen mit eingelagerten Amyloplasten aus dem Fruchttrieb, Bild 11b mit Maßstab, Vergrößerung 400x, Stapel aus 15 Bildern


Die Zellen liegen am dem Markparenchym zugewandten Ende eines Markstrahls auf Höhe des Protoxylems. Die Amyloplasten haben in der Regel Durchmesser zwischen 6 und 7 µm, aber es gibt auch viel größere Exemplare, hier mit mehr als 11 bzw. mehr als 16 µm.

Bild 12 a/b/c: Überall in den Schnitten stößt man auf Raphidenbündel, in 12a quer, in 12b im polarisierten Licht und in 12c längst, Vergrößerung 400x, Stapel aus 3, 6 und 16 Bildern



Die Bündel haben einen Durchmesser zwischen 15 und 18 µm, die einzelnen Nadeln sind um die 50 µm lang.

Vielen Dank für's Lesen! Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: Korrekturen von Rolf zum Alter und zur Benennung der Triebe eingepflegt und Aussagen zum Hardbast korrigiert.
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Eckhard

Lieber Jörg,

die Bilder sind grossartig. Besonders spannend finde ich, wie Du die Raphidenbündel herausgearbeitet hast.

Bild 7a und Bild 7b zeigen die Wacker Färbung in Perfektion!

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

reblaus

Hallo Jörg -

absolut top! Ich schäme mich, dass ich während meiner aktiven Zeit nicht in der Lage war meinen Studenten solch tolle Aufnahmen zu präsentieren  :(  .  Vielleicht war's auch besser so, weil dann die Enttäuschung über die eigenen, ungefärbten Handschnitte nicht so groß war ....

Noch eine kleine Zusatzinformation: Der Querschnitt des zweijährigen (?) Sprosses stammt aus einem "unreifen" Spross (etwas früh im Jahr?). Das erkennt man daran, dass nur einfache oder überhaupt keine Hartbastbündel im Phloem enthalten sind. Bei gut ausgereiftem Holz im Spätherbst finden sind auf dem ganzen Umfang bis zu vier Lagen übereinander im Phloem eines Leitbündels. Solch ein Spross überlebt dann auch 20 Grad Kälte ohne zu murren.

Viele Grüße

Rolf



Rolf

Holger Adelmann

Ganz grossartig, lieber Jörg !

mir gefällt auch die sehr schön und differenzierte Darstellung der schmalen Mittellamellen zwischen den Zellen in Abb. 11a/b.

Schönen Wochenanfang
Holger

Mila

Lieber Jörg,

das "Preview" durfte ich ja bereits genießen, auch wenn Du ein paar Bilder vorenthalten hast... ;)

Der Vergleich des primären zum sekundären Spross ist wirklich klasse!
Aber auch alle anderen Bilder sind toll!

Und wie gesagt: ich genoss bereits Viererlei: das passende Gelee dazu :)

@ Detlef: wie war der Wein? Primär? Sekundär? Oder??? ;)

Herzliche Grüße
Mila

Rawfoto

Lieber Joerg

Wie immer topp, Gratulation :-))

Ein kleines Fragezeichen gibt's bei mir, es geht um die Aufnahme 10. Bei der unbeschrifteten hast Du eine spitzen Qualitaet, bei der beschrifteten einen Qualitaetsabfall, es handelt sich doch um das gleiche Bildmaterial?!

Oder habe ich das falsch verstanden ...

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob! Das macht das Schnibbeln gleich doppelt so viel Spaß.   :)

Lieber Eckhart,

ja, bei den jüngeren Geweben kommt die Färbung unter ästhetischen Gesichtspunkten am schönsten zur Geltung. Aber der Prozess war bei allen drei Materialien der gleiche. Die unterschiedlichen Farben tragen damit eine Information über die gefärbten Gewebe. Bei dem älteren Spross scheinen also Tannine eingelagert zu sein, die das Acridinrot besonders gut binden.
Ich hätte natürlich bleichen können (bei allen drei Proben ...). Es wäre dann zu Gunsten "saubererer" Präparate aber wohl einiges an Information auf der Strecke geblieben.

Lieber Rolf,

somit scheine ich mich bei der Altersbestimmung geirrt zu haben. Ich dachte, die bereits mit brauner Rinde ummantelten Sprosse hätten schon einen Winter gesehen. So wie Du schreibst, stammen sie dann wohl vom ersten Austrieb in diesem Frühjahr und die jüngeren Triebe sind dann vom Sommer? Womit das sekundäre Dickenwachstum schon in der ersten Vegetationsphase eines neuen Sprosses einsetzt.
Ich müsste dann wohl statt "einjährig" und "zweijährig" "Frühtrieb" und "Spättrieb" (diesen Jahres) schreiben.

Meine Präparate habe ich noch mal geprüft und eine Stelle gefunden, an der bereits eine zweite Lage Hartbast gebildet wurde, die noch ganz nah am Cambium sitzt.

Bild 13: Phloem des Frühtriebs mit einem zweiten Hartbastriegel, Vergrößerung 200x, Stapel aus 7 Bildern

Unten rechts erkennt man gerade noch die abgelösten Gewebeschichten außerhalb des neu gebildeten Korks.

Lieber Holger,

ja, ich bin auch immer wieder überrascht, wie fein differenziert Robin Wackers Färbung die Zellstrukturen hervorheben kann.

Liebe Mila,

psst, sonst wollen die anderen auch noch welches! Und wir haben doch schon fast alles gegessen. Die 10 m² geben leider nicht all zu viel her.  ;D

Lieber Gerhard,

ja, genau das ist das Problem. Der JPEG-Allgorythmus meines Aufmaßprogramms ist - nun sagen wir - suboptimal. Deswegen auch die Doppelposts der unbeschrifteten und beschrifteten Bilder. Obwohl ich es auch ganz schön finde, zunächst einmal das "ungestörte" Bild betrachten zu können.
Das Ausgangsbild ist jeweils das gleiche. Die normalen Bilder sind mit XNView auf 800*600 Punkte heruntergerechnet und leicht nachgeschärft.

Allen herzliche Grüße!
Jörg
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reblaus

Lieber Jörg,

da ich nicht weiß, wann und wo die Schnitte genommen worden sind,folgende Vermutung:
Bei deinem einjährigen Trieb handelt es sich wohl um einen Geiztrieb (= Sommertrieb) der sich, abhängig von Sorte und Pflegemaßnahmen, im Sommer aus einer Geizknospe in der Blattachsel entwickeln kann. Seine Anatomie ist aber die gleiche wie beim unreifen Haupttrieb (= Fruchtttrieb, Lotte, Langtrieb).

Hier nochmals vereinfacht die Geschehnisse im Laufe des Jahres:

1. An den Trieben des letzten Jahres (nach herbstlichem Blattfall kahl) haben die Winterknospen der ehemaligen Blattachseln überwintert.

2. Diese treiben nun ab Mitte April aus und könnten im Laufe der Vegetationsperiode ohne weiteres um die 10 m Länge erreichen, falls sie niemand stutzt (Sommerschnitt um Weinberg).
Links und rechts sitzen zweizeilig die Blätter, in deren Achseln sich  zunächst die Sommerknospen bilden, die zu einem Geiztrieb (= Sommertrieb) austreiben können (aber nicht müssen).
An den untersten Knoten entstehen gegenüber dem Blattstiel auch einige Blütenstände (Gescheine = Rispen, die zu "Trauben" heranwachsen - hoffentlich  ;).
An den weiteren Knoten sitzen gegenüber den Blattstielen nur noch Ranken.

3. Nach der Sommerknospe bildet sich an der selben Stelle die Winterknospe aus (eigentlich ist das die ersten Seitenknospe des Sommertriebs). Sie bildet sich ob dieser nun austreibt oder nicht und soll den Winter überstehen um dann im nächsten April wieder auszutreiben.

4. Anfangs sind alle Triebe grün (Deine ersten Schnitte), im Herbst werden sie - wie bei Dir hervorragend illustriert - braun, lagern Stärke ein, verholzen usw. und bilden einige Hartbastlagen im Phloem aus.
Falls diese letzteren Vorgänge aus Witterungsgründen oder wegen Überlastung des Stockes mit zu vielen Früchten gestört sind, überlebt der Spross und die Augen einen harten Winter nicht. Wenn man den Trieb hat wachsen lassen, reift ohnehin nur dessen unterer Teil aus und kann überwintern, das "unreife" Ende stirbt ab.

5. Das Phloem und das jungen Xylem werden im Herbst inaktiviert (Thyllenbildung, Einlagerung von Kallose).

6. Mit dem Austrieb der Winterknospen im nächstens April werden die Leitungsbahnen noch für einige Zeit reaktiviert, aber nur so lange, bis es durch die Neubildung aus dem Kambium durch neue ersetzt werden.

Wenn man den Spross nicht abschneidet, kann sich entsprechend ein Stamm mit Jahresringen bilden.

Ich hoffe, die Verwirrung vervollständigt zu haben.

Herzliche Grüße

Rolf

Mila

Lieber Rolf,

tolle Erklärung!

Vielen Dank :)

Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

Lieber Rolf,

auch von mir vielen Dank für die ausführliche Erläuterung!

Meine Proben habe ich alle am 19.09. geschnitten. Der jüngere Trieb ist mit Sicherheit ein Geiztrieb oder Sommertrieb, der Ältere war ein Fruchttrieb, ich habe ihn nach der Ernte kurz hinter dem Ansatzpunkt der Traube abgeschnitten, da er sich zu weit unter dem Carport hervorgewagt hatte.

Amyloplasten sind bei diesem schon in großer Anzahl vorhanden. Hauptsächlich in den Zellen der Markstrahlen. Ganz "winterfest" war er aber dann noch nicht.

Anhand Deiner Erläuterungen werde ich mein Eingansposting anpassen und es hilft mir auch, meinen Stock besser zu schneiden. Daher noch mal danke!  :)

Herzliche Grüße
Jörg
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reblaus

Hallo -

falls jemand den Rebschnitt gefahrlos virtuell üben möchte - auf der folgenden Seite ist ein Programm zum Herunterladen, das ich mal zusammen mit meinem Sohn zur Erheiterung meiner Studenten geschrieben habe:

https://www.uni-hohenheim.de/lehre370/

Viele Grüße

Rolf

Fahrenheit

Lieber Rolf,

danke für den Link und das Programm. Es demonstriert ja recht drastisch, was einen erwartet, wenn man seinen Weinstock nicht ordentlich zurück schneidet.
;D ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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