Gekühltes Paraffinschneiden

Begonnen von Jürgen H., Oktober 10, 2010, 22:22:55 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

Bisher gelangen mir Schnitte mit meinem alten Leitz Schlittenmikrotömchen 1210 unter 8 µ kaum. Bei 5 µ krumpelten die Schnitte, das harte Chitin von meinen Mückchen führte außerdem zu Ausrissen, die mitunter den ganzen Schnitt spalteten. Das Paraffin war schlicht zu weich, um dünner schneiden zu können, oder die Mückchen zu hart fürs Paraffin.

Heute habe ich mit einigem Erfolg eine simple Methode ausprobiert. Hier das  - halbe - Mückchen im eingespannten Paraffinblöckchen:




Sodann habe ich mir aus dem Nähkästchen meiner Frau einen Metallfingerhut entliehen, habe es mit Kältespray, wie es Zahnärzte benutzen, abgekühlt und mit einer Pinzette für eine Minute über das Blöckchen gestülpt.



Der Vorgang lässt sich beliebig wiederholen, ohne dass man das Blöckchen ausspannen und im Kühlschrank abkühlen müsste. Die Kühlschrankmethode hat den entschiedenen Nachteil, dass man beim neuen Einspannen kaum die für  Serienschnitte erforderliche Lage exakt trifft.

Allerdings ist das Abkühlen gut zu dosieren, denn einerseits schrumpft das Blöckchen bei großen Temperaturunterschieden etwas, so dass sich dadurch Fehlschnitte ergeben können und andrerseits wird das Paraffin auch leicht so hart, dass es sich über das Messer rollt.

Mikrogrüße

Jürgen

Alfons Renz

Lieber Herr Harst,

Ihre Idee ist originell und leicht einzusetzen, so daß sich ein Versuch auf jeden Fall lohnt!

Deshalb bitte ich die folgenden Ratschläge nicht als Kritik aufzufassen:

Der hohe Paraffinsockel gibt selbst schon bei geringem Messerdruck nach, verbiegt also in Schnittrichtung und neigt dadurch zu Vibrationen. Als Regel sollte ein Block so flach wie möglich sein und keineswegs höher als das Objekt selbst. Also: ruhig alles Paraffin unter der Mücke abschneiden und den Block das nächste Mal breiter stehen lassen. Auch der Holzblock sollte aus demselben Grund flach liegen und möglichst wenig über die Klemmbacken herausragen. In seiner Form sollte der Paraffinblock eher einem flach liegenden Radiergummi ähneln, wobei für Serienschnitte möglichst wenig Paraffin vor und hinter dem Objekt sein darf. Die Breite des Blocks spielt dann keine Rolle.

Man muss sich auch überlegen, ob möglichst dünne Schnitte auch wirklich Sinn machen: Natürlich sind wir Alle durch die perfekten Semidünnschnitte von Holger Adelmann beeindruckt. Aber: Das sind m.W. keine Paraffinschnitte. Dazu sind Einbettung in Kunstharz, Ultramikrotom und, für die Erhaltung der Ultrastruktur der Zelle, vor allem eine ganz spezielle Fixierung (Glutaraldehyd etc.) nötig. Letztere ist nicht ganz ungiftig...

Der große Vorteil der Paraffineinbettung beruht ja in der Möglichkeit, Schnittbänder und damit Serienschnitte anzufertigen. Das geht bei der Einbettung in Kunstharz leider gar nicht! Und nur mit lückenlosen Serienschnitten ist es möglich, die Morphologie eines Insekts zu rekonstruieren. Da dürfen die Schnitte nicht zu dünn sein, sonst bekommen Sie keine anständige Serie mehr auf einen Objektträger.

Kurz gesagt: Für die Morphologie des Gesamtinsekts sind 8 bis 12 µm dicke Schnitte i.d.R. ideal. Für die Cytologie einzelner Organe müssten diese möglichst herauspräpariert und speziell fixiert, eingebettet und geschnitten werden.

Man sollte zudem bedenken: Durch die Abkühlung schrumpft der Block samt Träger, so dass sich das Ganze während des Erwärmens und Schneidens wieder ausdehnt. Tendenziell werden dadurch die Schnitte dicker, als erwartet / eingestellt, und damit auch wieder leichter zu schneiden. In wie weit dieser Ausdehnungseffekt eine Rolle spielt, könnten Sie leicht prüfen: Nach dem ersten Schnitt des kalten Blocks sehr schnell einen Zweiten machen und dann so lange warten, bis der Block warm ist. Dieser zweite Schnitt müsste dann u.U. wesentlich dicker sein als der Erste.

Mit herzlichen Grüßen,

Alfons

Dieter Stoffels

#2
Hallo Herr Harst,

das von Herrn Renz beschriebene Problem der thermischen Schrumfung und Ausdehnung kann nicht vernachlässigt werden. Hierbei muss zusätzlich bedacht werden, dass sich auf dem gekühlten Paraffinblock Kondenswasser niederschlägt, das zusätzlich eine Quellung der Objektstrukturen verursachen kann. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal versucht haben Ihrem Paraffin Carnaubawachs (Firma Roth) in Konzentrationen zwischen 1 bis 5% zuzumischen. Da Carnaubawachs einen deutlich höheren Schmelzpunkt (ca. 80 Grad Celsius) besitzt, resultieren härtere Paraffinblöcke. Hierbei ist es wichtig, die substituierten Paraffinblöcke nach dem Ausguss langsam herunterzukühlen, da sie ansonsten zur Rissbildung neigen. Des Weiteren sollte mit einem aromatischen Intermedium gearbeitet werden, da Carnaubawachs schlechter in die Gewebestrukturen eindringt. Auch bei der Entparaffinierung muß gründlicher, eventuell mit einem auf 40 Grad Celsius erwärmten Lösungsmittel gearbeitet werden. Das Kleben derartiger Schnitte ist unproblematisch. Mit Carnaubawachs modifizierte Paraffinblöcke können zu 3 Mikrometern dicken Schnitten verarbeitet werden. Schnitte von 4 bis 5 Mikrometern sind problemlos herstellbar (Schnitte hergestellt mit einem Rotationsmikrotoms).

Viel Erfolg!

Dieter

Jürgen H.

#3
Lieber Herr Renz, lieber Herr Stoffels,

ganz herzlichen Dank für Ihre Ratschläge: In der Tat steht das Blöckchen etwas instabil, weil zu viel Paraffin unter dem Mückchen verblieben ist und auch der Holzklotz könnte tiefer in die Backen eingespannt sein.
in der Tat auch nicht zu vernachlässigen. Nach der Kühlbehandlung "kommt" der erste Schnitt nur unvollkommen, so dass ich von einer Schrumpfung von etwas unter einer Schnittstärke (5µ) ausgehe. Etwas Kondensation ist auch zu spüren, das Blöckchen beschlägt ein wenig, auch wenn ich den Fingerhut nicht über dem Block abkühle, sondern den gekühlten Fingerhut dem Blöckchen überstülpe.

Die Methode krankt schließlich etwas daran, dass die Temperatur kaum genau reproduzierbar ist.  Ich ziehe daher in Erwägung, das Blöckchen eventuell auf ein regelbares Peltierelement zu kleben, aber der Aufwand wäre dann doch schon ein größerer.

Viel einfacher als die Fingerhutmethode ist ohnehin noch eine andere, reproduzierbare, bei den derzeitigen Abendtemperaturen: Fenster aufmachen und einen weiteren Pullover anziehen.

Dünnere Schnitte möchte ich vor allem für die Sinnesorgane, also den Pedicellus und die Augen im Querschnitt erreichen. Beim Pedicellus interessiert mich, wie genau die Scolopidien am Fuß des dritten Antennengliedes inserieren. Das Problem habe ich schon einmal an anderer Stelle beschrieben:

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6740.0

Ob sich dieses Ziel schon mit einem etwas dünneren Paraffinschnitt  erreichen lässt, ist allerdings fraglich.

Vielen Dank für den Hinweis auf Carnaubawachs!




Mikrogrüße

Jürgen Harst