Botanik: Wohlriechender Knöterich (Polygonum odoratum) *

Begonnen von Fahrenheit, Oktober 26, 2010, 22:24:49 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

heute möchte ich einige Schnitte vom Vietnamesischen Koriander zeigen, der seit dem Frühjahr ein Plätzchen in unserem Garten gefunden hat und unsere asiatischen Gerichte bereichert. Das leckere Würzkraut hat allerdings nichts mit der Gattung Coriandrum aus der Familie der Doldenblütler gemein. Vielmehr handelt es sich um eine tropische Knöterichart, die ihren Trivialnamen ihrer Herkunft und ihrem Geruch und zum Teil auch ihrem Geschmack zu verdanken hat.

Der Wohlriechende Knöterich (Polygonum odoratum), wie die Pflanze auch genannt wird, ist vom Habitus am ehesten mit dem europäischen Wasserpfeffer (Polygonum hydropiper) vergleichbar und in Indochina beheimatet. Der Name Polygonum bezieht sich auf die vielen Knoten (Knöterich!) und ist dem Griechischen entlehnt: poly = viel, gony = Knie/Winkel.  

Die Pflanze ist ein verbreitetes und beliebtes Gewürzkraut, das in den verschiedensten Gerichten Verwendung findet und mit seiner leichten Koriandernote und dezenten Schärfe den Geschmack nicht so dominiert, wie z.B. der echte Koriander. In Singapur wird der Vietnamesische Koriander auch  laksa yip (Laksa-Kraut) genannt - nach einem beliebten Nudelgericht. Leider ist er nicht winterfest.
Je nach Standort blühtenlos, ist der Wohlriechende Knöterich nur schwer vom einheimischen Wasserpfeffer zu unterscheiden. Diesem fehlt jedoch der Koriandergeruch und -geschmack und er ist um einiges schärfer.

Am Rande bemerkt: die Bestimmung war eine kleine Odyssee, da ich aus der Erinnerung glaubte, die Pflanze als Thai Basilikum (Horapa) gekauft zu haben und erst nach langem Suchen und Fragen (Danke, Mila und Detlef) zufällig über die Wikipedia-Gewürzkräuterliste und darin über den Wasserpfeffer gestolpert bin.

Wer mehr lesen möchte, wird z.B. hier fündig: Gernot Katzers Gewürzseiten - Polygonum odoratum

Zunächst wie immer einige Bilder der Pflanze selbst:

Bild 1: der Wohlriechende Knöterich an seinem Standort in unserem Garten, die typischen Knoten sind gut erkennbar.


Bild 2: Die Knoten im Detail ...


Bild 3: ... und auch die Blätter


Bild 4: zum Vergleich eine Illustration des Wasserpfeffers (Polygonum hydropiper) aus  "La flore et la pomone françaises" von Jean Henri Jaume Saint-Hilaire (1832, public domain)


Insbesondere hat mich der Aufbau des Sprossquerschnittes im Bereich eines Knotens oder Knies im Vergleich zum normalen Stängel interessiert. Dazu habe ich Schnitte aus diesen beiden Bereichen (Handschnitt mit Zylindermikrotom und Einmalklingen im Halter, ca. 50 µm) ungebleicht nach Wacker W3A gefärbt.
Dazu wie immer kurz der Färbeablauf: Acridinrot (1% in Ethanol 50% für ca. 8 Minuten), Acriflavin (1% in Aqua dest. für ca. 30 Sekunden) und Astrablau (1% in Aqua dest. mit einer Spur Acriflavin für ca. 40 Sekunden).

Zuerst ein Blick auf die Anatomie im Bereich des nicht verdickten Stängels:

Bild 5 a/b: Spross quer, 5b mit Maßstab und Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 11 Bildern


MP   = Markparenchym
Am   = Amyloplasten (Stärkekörner)
XlR   = Xylemring
Ca   = Cambium
Tr    = Trachee
Pl    = Phloem
PXl  = Protoxylem
SklR = Sklerenchymring
Dr   = Druse
RP   = Rindenparenchym
Ep   = Epidermis
Cu   = Cuticula

Bild 6: Xylem und Phloem abseits der primären Leitbündel, Vergrößerung 200x, Stapel aus 9 Bildern


Detlefs Erläuterung dazu (abermals vielen Dank!):
ZitatHelianthus-Typ des sekundären Dickenwachstums. Hier werden zunächst im primären Stadium kollaterele Leitbündel angelegt, die in einem Ring angeordnet sind, aber zwischen sich große Lücken lassen. Im Verlauf des sekundären Dickenwachstums bildet aber das interfascukuläre Kambium (das K. zwischen den primären Leitbündeln) sekundäres Xylem, so dass schließlich ein geschlossener Xylem-Ring entsteht, nur unterbrochen durch schmale Strahlen, die das Xylem mit dem ebenfalls geschlossenen Phloemring verbinden. Das sekundäre Xylem hat zunächst keine oder wenige Tracheen, was sich aber später ändern kann.

Und wie schaut der Querschnitt nun im Bereich eines Sprossknotens aus?

Bild 7 a/b: Sprossknoten quer, 7b mit Maßstab und Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 5 Bildern


MP   = Markparenchym
Am   = Amyloplasten (Stärkekörner)
XlR   = Xylemring
Ca   = Cambium
Tr    = Trachee
Pl    = Phloem
PXl  = Protoxylem
Dr   = Druse
RP   = Rindenparenchym
Ep   = Epidermis
Cu   = Cuticula

Der fehlende Sklerenchymring fällt sofort ins Auge und auch alle anderen Gewebeteile - insbesondere der Xylemring - sind weniger stark verholzt, was sich an den selten zu findenden Rottönen festmachen lässt.
Ansonsten ist der Aufbau - bis auf die größere Dicke - identisch.
Auffällig in beiden Schnitten sind die besonders im Bereich des Rindenparenchyms schwarzbraun angefärbten Zellinhalte der ungebleichten Schnitte. Ob hier wohl die Geschmacksträger in Form von Ölen und/oder Gerbstoffen sitzen?

Noch einige Einzelaufnahmen:

Bild 8: primäres Leitbündel im Bereich des Knotens, Vergrößerung 200x, Stapel aus 6 Bildern

Die großen Tracheen haben einen Innendurchmesser von ca. 50 µm.

Bild 9: Phloemstränge über dem Xylemring im Bereich des Knotens, Vergrößerung 200x, Stapel aus 8 Bildern


Bild 10: Amyloplasten (Stärkekörner) mit Kristallisationskeimen im Zentrum, Vergrößerung 400x, Stapel aus 7 Bildern

Die Größe der Stärkekörner liegt zwischen ca. 6 und 13 µm.

Bild 11: Der gleiche Bildausschnitt wie in Bild 10 in polarisiertem Licht, Vergrößerung 400x, Stapel aus 6 Bildern

Den Blauton zaubert die von mir verwendete Canon PS A520 ins Bild. Ursache ist wohl ein kamerainterner Pol-Filter vor dem Chip.

Vielen Dank fürs Ansehen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Michael Plewka

hallo Jörg,

es wundert mich, dass die ,,Botaniker" in diesem Forum deinen Beitrag noch nicht entsprechend gewürdigt haben. Nicht nur  wegen der tollen Dokumentation, in welcher ja auch sehr viel Arbeit steckt, hat der Beitrag ein Lob verdient. Auch die Bilder sind in der gewohnt hohen Qualität. Recht herzlichen Dank für deine Mühen!
Michael  Plewka


Muschelbluemchen

Hallo Jörg

Wieder mal tolle Arbeit!
Beneide dich vor allem um die gelungene Färbung!

Hast du eine Vorstellung davon womit manche Zellen im Phloem gefüllt sind, deren Inhalt sich sehr schön rot darstellt (siehe Bild 8 und Bild 9)?

herzliche Mikrogrüße
Leo

Jan Kros

Lieber Jorg

Das ist wieder eine schöne Information und wunderschöne Bilder.
Ich habe alles ausgedruckt, die Mappe ist bereits fast voll immer wieder mit interessante Schnitten.
Herzlichen Dank dafür.
Gruss
Jan

Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

das Wort - nicht nur - zum Sonntag: wie bei Dir gewohnt sorgfältige "Gesamtdarstellung" und deshalb doppelter Gewinn! Was zum Lernen und was zur Augenergötzung!

Was ich Dir wünsche: eine Kamera, die Pol ordentlich darstellt. Die schönen Ca-Oxalat-Drusen würden nicht nur Mila-Druse erfreuen.
Na vielleicht kommt ja das Christkind mit einer Mark VI  ;D.
Zu dem Thema der "ausgefüllten" Zellen hatten wir schon mal eine Diskussion, die aber, soweit ich mich schwach erinnere, nicht so eine eindeutig belegte Aussage gebracht hat.

Detlef könnte vielleich erhellen?

Klorix erhellt auf jeden Fall, aber das putzt dann auch die Drusen raus.

Wir müssen heute Schlehen sammeln, die Sträucher hängen voll; und Doktor Herrmann´s Schlehenlikör wird um die Weihnachtzzeit gerne an Privatpatienten verschrieben :D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Mila

Lieber Jörg,

Zitat von: Fahrenheit in Oktober 26, 2010, 22:24:49 NACHMITTAGS
Danke, Mila

gern geschehen :)
Ich fand's spannend!

Eine schöne Dokumentation ist das: eine sehr gute Beschreibung der Morphologie und Sprossanatomie eines Vertreters der Polygonaceae.

Danke für die tollen Bilder, hoffentlich kaufst Du noch viele "fremde" Gewürze und bereitest uns damit so schmackhafte Beiträge zu ;)

Viele Grüße
Mila

Detlef Kramer

Hallo,

so richtig erleuchten kann ich nicht, aber mal eine Vermutung in den Raum stellen. Zunächst: es handelt sich nicht um Phoemzellen im engeren Sinn sondern um Parenchymzellen, die an Strahlzellen grenzen. Was sich da rot färbt (in anderen Zellen blau - schwarz) sind vermutlich Tannine.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Michael,

gerne geschehen, es ist ja keine Mühe, sondern Hobby und macht Spaß!

Lieber Leo,

wir hatten schon bei verschiedenen anderen Präparaten überlegt, wie es kommt, dass einige Zellen stark angefärbt sind, andere aber nicht.
Wie Detlef schon schreibt, sind wohl Gerbstoffe (Tannine) in den Zellen für die Färbungen verantwortlich.
Ich vermute, dass das schmutzige Schwarz-Braun auftritt, wenn alle verwendeten Farbstoffe (bei der hier angewandten W3A Färbung Acridinrot, Acriflavin und Astrablau) in gleichem Masse festgehalten werden. Die von Detlef als Parenchymzellen bestimmten Zellen um die Phloemstränge herum halten jedoch nur das Acridinrot und erscheinen daher schön klar in dieser Farbe.
Für mich liegt es nahe, dass sich die Inhalte der unterschiedlich angefärbten Zellen ebenfalls unterscheiden müssen. Leider habe ich aus dem Stehgreif keine gute Idee, wie genau und ob ggf. auch Öle oder andere Aromate eine Rolle spielen. Um hier weiter zu kommen, müsste man wohl versuchen, unter genau definierten Bedingungen mit Farbstoffen zu arbeiten, die spezifisch bestimmte Stoffklassen anfärben.

Hast Du die für die W3A benötigten Farbstoffe vorliegen und vielleicht schon eigene Färbeversuche gemacht? Wenn Du magst, kannst Du mir vielleicht einmal Bilder der Ergebnisse zukommen lassen und wir können versuchen, den Färbeprozess zu optimieren. Bald wird es auch Gelegenheit geben, z.B. die Anleitung für den von mir hier verwendeten Färbeprozess herunter zu laden.  ;D

Lieber Klaus,

ich fürchte, an meiner Kamera wird sich so schnell nichts ändern. Die Bilder sind zwar nicht schön (nicht farbecht und auch nicht wirklich scharf), aber man kann immerhin erkennen, worum es geht.

Ich hoffe, ihr hattet Erfolg beim Schlehensammeln! Hatten die denn schon den ersten richtigen Frost? Und was viel wichtiger ist: gibt es den Doktor Herrmanns Schlehenlikör auch auf Kassenrezept?  ;D

Liebe Mila,

immer gerne. Gerade habe ich mit der Kapstachelbeere eine weitere Solanacee in Arbeit, ebenfalls aus unserem Garten. Der Sprossquerschnitt zeigt wieder die schon beim Schwarzen Nachtschatten diskutierten Leitbündel im Markparenchym.

Lieber Detlef,

vielen Dank für die Einordnung der "Roten" als Parenchymzellen. Ich hatte sie bei der Durchsicht der Präparate auch dem Phloem zugeordnet.

Allen herzliche Grüße
Jörg

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Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

ZitatIch hoffe, ihr hattet Erfolg beim Schlehensammeln! Hatten die denn schon den ersten richtigen Frost? Und was viel wichtiger ist: gibt es den Doktor Herrmanns Schlehenlikör auch auf Kassenrezept?   

Eine ist keine, aber 3 kg sind peinlich! So viel Pein hatte ich schon lange nicht mehr! :o Die Schlehen haben Dornen und wie! Eine Spitze davon steckt in meiner Hand.

10 mal gewaschen, handverlesen und zermatscht liegen sie jetzt in einem unbenutzten 5 l Exicator unter 3 l mit Pyridin vergälltem Ethanol (ist halt billiger und für Kassenpatienten gerade gut genug! ;D ) Um den Pyridingeschmak etwas zu mildern mit einigen Stangen feinem Ceylonzimt aus einer berühmten Bonner Apotheke versetzt maszerieren sie jetzt vor sich hin!

Die Pein macht den Preis! Die Pyridinvariante für Kassenpatienten ist nicht billig nur preiswerter, als die mit Doppelkorn angesetzte. 1 ml= 10g  ;D kosten so etwa 1.-Euro.

Bestellungen werden ab heute angenommen. Ab 100 ml gibt es eine Blindenbinde kostenlos dazu! Ausgeliefert wird noch vor dem Fest!

Frost hatten wir, die Eiskatzer waren schon im Einsatz!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Mila

Ach Klaus,

gerne verkaufe ich Dir den 790%igen (m/V) ;D EtOH zu einem guten Preis!

Ceylon-Zimt gibt es dann als Pröbchen dazu ;)

Herzliche Grüße
Mila


Fahrenheit

Lieber Klaus,

Pyridin ist dann doch nicht ganz so mein Ding. Da ziehe ich eindeutig einen guten Lagavulin oder Laphroaig vor, ob wohl es Leute gibt, die behaupten, die zwei seien nicht all zu weit vom vergällten Ethanol entfernt. Auch braucht man keine Blindenbinde - das kann ich aus Erfahrung sagen.  ;D

Wie sind denn die Konditionen für Privatpatienten?

Schlehen setzen wir übrigens auch gerne auf. Mit Wodka und Vanille. Da kommt m.E. das Fruchtaroma besser durch, da der Wodka kaum Eigengeschmack hat. Eine 3-Kilo-Ernte hatten wir aber schon lange nicht mehr. Dieses Jahr müssen wir auch noch etwas warten: es gab noch keinen Frost.
Wenn alles klappt und noch was übrig ist, biete ich zur nächsten Kornrade Schlehen-Lieschen zum Tausch gegen Doktor Herrmanns Schlehenlikör im Verhältnis 1:1 an.  ;D

Liebe Mila,

hast Du schon praktische Erfahrungen beim Einsatz von Ethanol 790% (m/V) zur Herstellung schöner Aufgesetzter machen können? Ansonsten wäre ich bereit, gegen Überlassung einer entsprechenden Menge eine Probemischung anzusetzen. Die Testtrinker musst Du allerdings selbst stellen, ich wart' dann noch ein Weilchen.  ;D

Herzliche OT-Grüße
Jörg   
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Mila

Zitat von: Fahrenheit in November 01, 2010, 10:58:36 VORMITTAG
Liebe Mila,

hast Du schon praktische Erfahrungen beim Einsatz von Ethanol 790% (m/V) zur Herstellung schöner Aufgesetzter machen können? Ansonsten wäre ich bereit, gegen Überlassung einer entsprechenden Menge eine Probemischung anzusetzen. Die Testtrinker musst Du allerdings selbst stellen, ich wart' dann noch ein Weilchen.  ;D 

Lieber Jörg,

erst mal sehen, was meine geliebte Brut so an Ethanol-Konzentrationen und Dichten hinbekommt. Dann gibt es eine Testreihe mit Probanden des K8-Gipfels...
;D ;D ;D

Lieber Klaus,
inzwischen kann ich ca. 1m lange Zimtstangen bieten, allerdings nur den Kassen-Cassia-Zimt (Masse statt Klasse). Echter Import, daurch preiswert ;D



Viele Grüße
Mila