noch ne Haarbalgmilbe, folgt errötend den Spuren der Vorgänger

Begonnen von rekuwi, Dezember 15, 2008, 17:34:55 NACHMITTAGS

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Alfons Renz

Hallo, liebe Milbenfreunde,

Der Reihe nach:

Zur Definition des Parasitismus: Ob die Beziehung zwischen zwei verschiedenen Arten von Lebewesen parasitisch ist, hängt nicht zuletzt von Definitionen ab, über die man zumindest nachdenken kann. Der von de Bary 1879 geprägte Überbegriff 'Symbiose' bezeichnete im ursprünglichen Sinne alle möglichen Formen des Zusammenlebens, vom Kommensalismus über den fakultativen und obligatorischen Parasitismus bis hin zum Mutualismus und zur Symbiose im engeren Sinne. Jedoch, was für das einzelne Individuum nachteilig sein kann, ist möglicherweise eine Segen für die Population und die Evolution. Kein Ökosystem bliebe im Gleichgewicht ohne Parasiten, und ohne sie wäre die Evolution gewiss sehr viel langsamer verlaufen.

Der Mensch betrachtet sich in der modernen Gesellschaft nicht mehr als Teil eines Ökosystems, sondern als dessen Meister. Insofern fällt uns die Definition der Humanparasiten leicht, jedenfalls solange wir nicht an die Bevölkerungsexplosion und die Grenzen des Wachstums denken. Ob 'die Pille' die Rolle der Parasiten übernehmen kann?

Ist nun Demodex ein Parasit oder Kommensale? Hier müssen wir differenzieren: Im Menschen leben zwei Arten der Gattung Demodex: Demodex brevis in der Talgdrüse und D. folliculorum im Haarfollikel. Wer die hier gezeigten Bilder genau betrachtet, erkennt die Unterschiede. D. brevis hat ein kurzes Opisthosoma ('Hinterleib'), D. folliculorum ein viel längeres. Auch die Biologie, die Form der Extremitäten und die Genitalien der Männchen unterscheiden sich.

Leider lässt sich keine der beiden Arten im Labor züchten, ein Tiermodell gibt es nicht und Experimente am Menschen sind kaum durchführbar. Insofern ist man auf epidemiologische Untersuchungen und Fallberichte angewiesen. Hier müsste jedoch zunächst die Frage geklärt werden, um welche Art (oder welchen Stamm) es sich wirklich handelt. Denkbar wären vor allem auch allergische Reaktionen auf Milbenantigene (wie bei der Hausstaubmilbe und vielen anderen Acari), aber gerade solche Symptome fallen individuell ganz unterschiedlich aus, wie bei allen Allergenen.

Ziemlich unstrittig scheint die Beteiligung der Demodex-Milben bei der Äthiologie der Akne rosacea zu sein (einer Form der Alters-Akne), ob als Ursache oder als deren Folge, ist allerdings m.W. noch offen.

Bei Tieren kommen viele andere Arten vor, D. bovis etwa bei Rindern. Deren intradermale und bis zu erbsengroßen Zysten lassen sich in der Tat wie ein Pickel ausdrücken. Bei Hunden kann B. canis Haarausfall und Räude verursachen. So hat jedes Haustier seine Demodex-Milben.

Wer es jetzt wissen möchte, ob er Milben beherbergt, kann diese leicht nachweisen: Bei stark fettiger Haut genügt es, die Talgdrüsen im Nasenflügel auszudrücken ('Nasenfett') und auf einem Objektträger mit etwas Immersionsöl oder Paraffinöl zu verreiben. Mit einem Deckglas quetschen und dann bei 10 bis 40facher Vergrößerung und starker Abblendung durchmustern.

Bei sehr trockener Haut sollte man das Öl auf die Haut auftragen, die Talgdrüsen so gut es geht quetschen und dann das Öl mit einer scharfen Kante vorsichtig abschaben. Dann wie oben untersuchen. Die Milben erkennt man an ihren 4 Beinpaaren (Larven haben nur 3!) und ihrem bei sehr starker Vergrößerung deutlich geringelten Opisthosoma.

Der Befall nimmt mit dem Lebensalter zu, ca. 1 % pro Lebensjahr. Die älteren Leser des Mikroforums müssten demnach in der Mehrzahl Milben beherbergen. Ich bin gespannt auf Ihre Jagderfolge!

Mit herzlichen Milben-Grüßen,

Alfons Renz