Botanik: Aesculus hippocastanum, Blattstiel und Spross *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Dezember 04, 2010, 10:26:33 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

heute möchte ich Querschnitte von der ,,Gewöhnliche Rosskastanie" zeigen.  

Systematik
Ordnung: Seifenbaumartige (Sapindales)
Familie: Seifenbaumgewächse (Sapindaceae)
Unterfamilie: Rosskastaniengewächse (Hippocastanoideae)
Gattung: Rosskastanien (Aesculus)
Art: Gewöhnliche Rosskastanie  
Wissenschaftlicher Name : Aesculus hippocastanum
Bild 1 Illustration

Original book source: Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany

Andere volkstümliche Namen für Rosskastanie:
Drusenkesten, Gewöhnliche Rosskastanie, Gichtbaum, Weiße Rosskastanie,
Seltener benutzte Namen sind:
Foppkastanie, Pferdekastanie, Saukastanie, Wilde Kastanie.

Die Bezeichnung ,,Ross-" oder ,,Pferdekastanie" leitet sich von der Bedeutung ab, die den für Menschen und bestimmte Tiere schwach giftigen Samen früher beim Kurieren kranker Pferde beigemessen wurde. Besonders bei Husten und Wurmerkrankungen verschafft die Rosskastanie Erleichterung.
Der Name "Aésculus" kommt aus dem lateinischen und ist die Bezeichnung für eine alte Pflanzenart, eine dem Jupiter heilige und auf Bergen wachsende Eichenart. Der Artname "hippocástanum" setzt sich zusammen aus "hippos" (greich. Pferd) und "kastanon" (Esskastanie), was sich auf die esskastanienähnlichen Samen bezieht, die jedoch nicht von Menschen, sondern von Pferden gefressen werden. Dies geht darauf zurück, dass die Osmanen sie als Pferdefutter verwendeten und vor allem als Pferdearznei (bei Pferdehusten). Auch die deutschen Namen weisen auf diesen Umstand hin.
Die Baumart enthält eine große Zahl an verwertbaren Substanzen, die aus Rinde, Blättern, Blüten und Früchten gewonnen werden. Eingesetzt werden sie vor allem in der Medizin aufgrund ihrer entzündungshemmenden und abschwellenden Wirkung. Roßkastanienpräparate beispielsweise in Salbenform werden oft bei Venenleiden zur Förderung der Durchblutung eingesetzt. Weiterhin werden Bestandteile auch für Farben und Kosmetikprodukte verwandt.
Das Holz der Rosskastanie ist weich, relativ leicht und bricht leicht, auch der Brennwert ist nicht besonders hoch. Außerdem ist es nicht sehr dauerhaft. Es findet daher nur begrenzt Verwendung, beispielsweise als Furnierholz in der Möbelfabrikation, als Schnitzholz oder für orthopädische Geräte. Außerdem wird es als Verpackungsmaterial oder in der Brandmalerei verwendet. Die Holzkohle eignet sich außerdem zur Herstellung von Schießpulver.

Englisch: Horse chestnut, White Chestnut
Französisch: Marronnier d'inde
Holländisch: Paardecastanje
Spanisch: Castano de indias
Italienisch: Castagne di cavalle, Ippocastano

Charakteristik:
Die Gewöhnliche Rosskastanie ist ein bis zu 30 m hoher, schnell wachsender Baum. Die Blütezeit ist von Mai bis Juni. Die weißen, fünfzähligen Blüten haben, solange sie befruchtungsfähig sind, einen gelben Fleck. Wenn die Blüten älter werden, ist der Fleck rot. Das zeigt den Bestäubern, dass in den Blüten mit roten Fleck nichts mehr an Nektar und Blütenstaub zu holen ist. Die Blüten sitzen zu vielen in aufrecht stehenden Blütenständen zusammen, die im Volksmund auch Kerzen genannt werden. Nach der Befruchtung entstehen die bestachelten Kapselfrüchte. Die Kapselfrüchte enthalten große braune, glänzende Samen, die Kastanien, die für den Menschen ungenießbar sind. Die Rosskastanie zählt zu den Pflanzen, die ihre reifen Früchten mittels der Schwerkraft zu Boden fallen lassen (sogenannte Barochorie). Beim Aufprall auf den Boden platzen die Kapseln in der Regel auf und entlassen ihre großen Samen, die je nach Bodenlage noch einige Meter weiter rollen. Diese sehr seltene Ausbreitungsform der Diasporen wird auch als "Schwerkraftwanderung" bezeichnet. Die Blätter sind sehr groß, fingerförmig gefiedert, oberseits sattgrün, kahl, schwach glänzend und unterseits hellgrün mit filzigen Adern. Der Blattstiel ist bis zu 20cm lang und rinnig. Die einzelnen Fiederblätter sind länglich verkehrt- eiförmig, zwischen 5-7 in der Anzahl, 10-20cm lang und ca. 10cm breit, vorn zugespitzt und mit doppelt gesägtem Blattrand. Die Rinde ist bei jungen Bäumen hellbraun bis braun und glatt, später wird sie manchmal etwas rötlich und ältere Bäume haben eine graubraune, gefelderte Borke, dessen grobrissige Platten sich aufbiegen und in Schuppen abblättern.
Die Gewöhnliche Rosskastanie kann ein Alter von bis zu 300 Jahren erreichen.
Die Osmanen verbreiteten sie während ihrer Feldzüge quer durch Europa, denn sie führten Kastanien als Pferdefutter mit. Ende des 17. Jahrhunderts hatte die Gewöhnliche Rosskastanie ihre heutige Verbreitung in ganz Europa bis nach Skandinavien erreicht. Mittlerweile ist sie auch in Höhenlagen von über 1.000 Meter anzutreffen. Auch heute noch werden die Kastanien an Schalenwild verfüttert.
Die Rosskastanie ist ein Flachwurzler mit einem meist gut ausgebildeten Wurzelsystem, die anfangs gebildete Pfahlwurzel bildet sich zurück, die Wurzeln selbst gehen eine Symbiose mit Pilzen ein (endotrophe Mykorrhiza).
Die Rosskastanie ist weder durch die Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) noch durch die FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) geschützt, weiterhin ist sie nicht durch die Berner Konvention erfasst oder durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (in der EU über die CITES-Verordnung umgesetzt) geschützt. Sie gilt bei uns als ungefährdet und ist daher weder in der Roten Liste von Hessen noch in der Roten Liste der BRD als gefährdet eingestuft.

Wissenswertes:
2008 wurde die Rosskastanie außerdem zur Arzneipflanze des Jahres gekürt.
Giftig ist die Kastanie vor allem aufgrund dieser Triterpen-Saponine, aber auch Cumarin-Glykoside (Aesculin, Aesculetin), Flavonole (Quercetin) und Protoanthocyanidine (kondensierte Tannine) tragen dazu bei. Zusammen bewirken sie eine Schleimhautreizung, bei Aufnahme größerer Mengen Aescin kommt es zur Hämolyse (Auflösung von Erythrozyten). Die Vergiftungssymptome sind: Angst, Unruhe, Erbrechen, Kolik, Durchfall, erweiterte Pupillen, Bewusstseinsstörungen, Muskelzuckungen und in schweren Fällen Koma und Tod. Das Gift ist in allen Pflanzenteilen, jedoch vor allem in den unreifen Früchten, enthalten. Die bitteren Kastanien sind für den Menschen nicht genießbar, werden aber gerne als Tierfutter genutzt. In schlechten Zeiten wurden die Kastanien jedoch speziell behandelt und dann zu Mehl vermahlen und verwendet.
Das Kuratorium ernannte die Gewöhnliche Rosskastanie am 11. November 2004 zum Baum des Jahres 2005. Ein wichtiger Grund für diese Entscheidung ist die Gefährdung der Baumart durch die Rosskastanienminiermotte, deren Larven sich ausschließlich von Nährstoffen der Blätter der Gewöhnlichen Rosskastanie ernähren. Die befallenen Bäume färben ihre Blätter schon im Spätsommer braun und verlieren diese auch vorzeitig. Der Baum wird durch den Befall geschwächt und ist dadurch anfällig gegen Krankheiten wie Pilzbefall. Durch eine erhöhte Aufmerksamkeit dieses Problems erhofft man sich schnellere Forschungserfolge für die Rettung der Bäume. Bislang gibt es nur ein breit anwendbares Mittel, die Miniermotte einzudämmen, in dem das Laub, in dem die Puppen überwintern, im Herbst eingesammelt und verbrannt wird. Besonders wertvolle Bäume können durch aufwändige Injektionen eines Insektengiftes einige Jahre vor dem Befall geschützt werden.

Arbeitsanleitung:
Original Färberezept siehe Seite von Herrn Armin Eisner   http://www.aeisner.de/
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf – Blattstiel (Probe liegt seit Mai 2009 in AFE-Gemisch I)
1. AFE-Gemisch auswaschen
2. (Querschnitt  45 µm) mit 70 % Ethanol
3.  Alkoholreihe bis zum 30%igen Ethanol
4. Wasser entmin. 3x wechseln je 1 Minute
5.  Vorfärbung  Acridinrotlösung      9 Min.
6.  Auswaschen mit Aqua dest.  15 Sek.
7.  Acriflavinlösung     11 Sekunden
8.  Auswaschen mit Aqua dest.  15 Sek.
9.  Nachfärbung  Astrablaulösung    40 Sek.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau habe ich etwas Acrflavin   beigemischt.
10.  Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben
11.  Entwässern mit 3x  gewechseltem Isopropylalkohol   ( 99,9 % )
12.  Als letzte Stufe vor dem Eindecken Rotihistol einzusetzen
13.  Einschluss  in Entellan  
 
Bild 2 Schnittstelle


Bild 3 Übersicht


Bild 4 Vergrößerung


Bild 5 Vergrößerung


Bild 6 Leitbündel

Zentrales Leitbündel

Bild 7 Fluoreszenz  mit leichter Beidosierung von Pilotlicht.


Bild 8 Fluoreszenz mit leichter Beidosierung von Pilotlicht.


Arbeitsanleitung:
Arbeitsablauf - Spross  (Frischpräparat)
1. (Querschnitte 30 µm) mit 70 % Ethanol
2. Fixieren in 70 % Ethanol  24 Stunden
3.  Alkoholreihe bis zum 30%igen Ethanol
4. Wasser entmin. 3x wechseln je 1 Minute
5.  Vorfärbung  Acridinrotlösung      8 Min.
6. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
7.  Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen- Lupenkontrolle)    ca. 10 Sekunden.
8.  2 x auswaschen mit Aqua dest..  
9. Nachfärbung  Astrablaulösung    30 Sek.
      Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 5:1  verwendet.
10.  Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben
11.  Entwässern mit 2x  gewechseltem Isopropylalkohol   ( 99,9 % )
12.  Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen
13.  Einschluss in Entellan  

Ergebnis :
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot. Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb. Zellwände der innenliegenden Hypodermis  tiefrot, Suberin  hellrosa.

Fotos erstellt mit Nikon D5000.
Die Übersichtsaufnahme wurden mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 9 Schnittstelle


Bild 10 Übersicht


Bild 11 Vergrößerung


Bild 12 Vergrößerung


Bild 13 Vergrößerung


Bild 14 Fluoreszenz mit leichter Beidosierung von Pilotlicht.


Bild 15 Fluoreszenz mit leichter Beidosierung von Pilotlicht.


Quellenangeben :
Der neue KOSMOS Heilpflanzenführer
Das grosse Lexikon der Heilpflanzen
Die Baum- und Strauchapotheke
Knaurs Buch der Selbstmedikation
Pareys Buch der Bäume
Bäume
Das neue Handbuch der Heilpflanzen
Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen
Kleines Heilkräuter-Lexikon
Olaf Schmidt et al.: Beiträge zur Rosskastanie. Herausgegeben von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LFW). Bayerische Staatsforstverwaltung; Zentrum Wald-Forst-Holz, Weihenstephan und Freising 2005

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Mila

Lieber Hans-Jürgen,

wie schön, wieder eine H... :-X ;)

Und ganz schön viel H...-Literatur, kommt mir doch alles sehr bekannt vor :)

Viele Grüße
Mila

KMY

Hallo Hans-Jürgen,

ich bin gerade ein paar Tage Mitglied in diesem Forum und merke, dass mein altes Hobby durch solche Arbeiten wieder meine Leidenschaft dafür wecken kann. So wie ich früher nicht erwarten konnte bis das neue MIKROKOSMOS-Heft erschienen ist, freue ich mich jetzt auf die Beiträge hier.

Gratuliere Dir zu deinem schönen Beitrag!

Klaus MY

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

auch von mir vielen Dank für Deine schöne Dokumentation. Den Blattstiel der Kastanie hatte ich schon letztes Jahr im Auge, hat aber irgendwie nie geklappt.
Interessant ist das zentrale kleine Leitbündel. Da scheint das Xylem außen zu liegen und das Phloem samt ein paar Zellen "Sklerenchymkappe" innen.

Leider sind einige Deiner Bilder diesmal etwas unscharf. Hast Du noch immer Probleme mit Deiner Kameraadaption?

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Liebe Freunde,

Vielen Dank für eure Worte.

@ Jörg
Ich suche immer noch nach der optimalen Lösung.

Gruß

Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

ich drücke Dir die Daumen, dass Du bald fündig wirst!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM