Botanik: Blütenstängel der Herbst-Anemone (Anemone hupehensis) *

Begonnen von Fahrenheit, Dezember 04, 2010, 19:29:06 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Freunde,

nach längerer Zeit möchte ich mal wieder einen Schnitt zeigen. Es handelt sich um einen Blütenstängel von der Herbst-Anemone (Anemone hupehensis). In der Literatur werden Höhen bis 1,20 m angegeben. Unser Exemplar im Garten schafft es locker auf 2 Meter (vielleicht eine Hybride? - die Pflanze stammt aus dem Gartenhandel). Dabei sind die Blütenstängel an der Basis maximal 7 bis 8 mm dick und ich wollte wissen, woher die hohe Festigkeit kommt.

Zur Herbstanemone gibt es einen schönen Artikel in der Wikipedia, auf den ich hier gerne verlinke: Klick!

Bild 1: Ende August steht die Herbst-Anemone in voller Blüte


Bild 2: Blüten der Herbst-Anemone


Bild 3a/b: Die Samen sind Achänen, die wollig behaart sind und sich aus einem kugeligen Fruchtstand entwickeln. 


Hier ist noch jemand untergekrochen, der da nicht hin gehört ...  :)

Nun aber zu den mikroskopischen Aufnahmen und damit zunächst zu einigen Anmerkungen zur Präparation:
Der Blütenstängel wurde nach der Fixierung in AFE mit Handzylindermikrotom und Einmalklinge (Leica) auf eine Dicke von ca. 60 µm geschnitten, dünnere Schnitte rollten sich zu stark ein und waren unbrauchbar.
Die anschließende Färbung nach Wacker (W3A) erfolgte nach der Eckhardschen "Eintopfmethode" in einem Uhrglas (Acridinrot 1% in Ethanol 50% für ca. 8 Minuten; Acriflavin 1% in Aqua dest. für ca. 20 Sekunden, Astrablau 1% in Aqua dest. mit einem Tropfen Acriflavin für ca. 30 Sekunden). Eingedeckt habe ich über Isopropanol in Euparal.

Bild 4: Eine Teilübersicht des etwa 4 mm messenden Stängels, Vergrößerung 50x, Stapel aus 6 Bildern


Man kann hier schon erkennen, dass es einen massiven Sklerenchymring gibt und auch dahinter sklerifizierte Zellen liegen, die erst allmählich in das klassische Markparenchym über gehen. Die geschlossen kollateralen Leitbündel finden sich nicht nur an diesem Sklerenchymring, sondern auch in einer zweiten Reihe dahinter und sogar verteilt im Markparenchym, ähnlich wie beim Mais.
Es findet sich also sowohl die klassische ringförmige Anordnung der Leitbündel der Zweikeimblättrigen (Dikotylen) - was nicht weiter verwundert, da die Gattung Anemone zu den Dikotylen gehört - als auch Ansätze der für die Einkeimblättrigen typischen verstreute Anordnung der Leitbündel über den gesammten Querschnitt.
Einen echten Grund für diese Besonderheit kann ich nicht nennen. Eventuell liegt es daran, dass hier kein klassischer Spross geschnitten wurde, sondern ein Blütenstängel. Vielleicht sind dort ähnliche Abweichungen möglich, wie sie von den Blattstielen bekannt sind. 
Weiterhin kann man beobachten, dass die Sklerenchymkappen am Phloem um so schwächer ausgebildet sind, je weiter innen die Bündel liegen.

Bild 5a/b: Ein kleinerer Bildausschnitt (5b mit Beschriftung) mit einer Vergrößerung von 100x (Stapel aus 7 Bildern)


Von Außen nach Innen:
Cu:     Cuticula
EP:     Epidermis
RP:     Rindenparenchym (mit rot angefärbten Chloroplasten)
SKl-R: Sklerenchymring
Skl-K: Sklerenchymkappe
Skl:    Sklerenchym
Pl:      Phloem
Xl:      Xylem
T:      Trachee
PXl:    Protoxylem
MP:    Markparenchym

Die äusseren Zellschichten (Cu, Ep, RP) haben eine Dicke von ca. 120 - 130µm, gefolgt vom Sklerenchymring mit ca. 80µm. Darin eingelagert die massiven Sklerenchymkappen der direkt am Ring liegenden Leitbündel mit ebenfalls ca. 80µm. Auf den Sklerenchymring folgt dann noch ein weniger stark sklerifiziertes Gewebe das ausgehend von der Zellform wohl aus dem Markparenchym hervorgegangen ist mit einer Stärke zwischen 200 und 300µm.
Somit ist klar, woher die Zähigkeit des für seine Höhe recht dünnen Stängels kommt.

Ein Cambium gibt es übrigens keines. Weder zwischen dem Sklerenchymring und dem Rindenparenchym, noch zwischen Xylem und Phloem in den Leitbündeln (geschlossen kollaterales LB) - ein sekundäres Dickenwachstum findet somit nicht statt.

Bild 6: zwei Leitbündel am Sklerenchymring, Vergrößerung 200x, Stapel aus 3 Bildern


Bild 7: ein Leitbündel aus dem Markparenchym, Vergrößerung 200x, Stapel aus 4 Bildern


Man sieht deutlich die unterschiedliche Ausbildung der Sklerenchymkappen. Die Tracheen haben einen Innendurchmesser von ca. 45µm. Kein Cambium.
Beim Leitbündel in Bild 7 kann man auch schön die Leitbündelscheide aus sklerifizierten Zellen erkennen, wie sie für geschlossen kollaterale LB typisch ist. Diese ist in Bild 6 auch vorhanden, hebt sich allerdings nicht so ab, da das gesamte Gewebe um die Leitbündel sklerifiziert ist.

Bild 8: eine Atemöffnung, Vergrößerung 400x, Stapel aus 3 Bildern.


Die Spaltöffnung ist ca. 18µm lang. Die Dicke der Schließzellen beträgt ca. 12µm und die dahinter liegende Atemhöhle ist ca. 30µm tief. Die roten Gebilde in den Zellen sind angefärbte Chloroplasten.

Bild 9: Tüpfel einer Zelle aus dem Markparenchym, Vergrößerung 400x, Stapel aus 10 Bildern


Die gesamte Zelle ist rund 60µm lang, die Tüpfel haben Durchmesser zwischen 3,5 und wenigen Zehntel µm.

Vielen Dank fürs Betrachten, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg 

Edit   : Bild 5b in einer nachgeschärften Version hochgeladen. Noch nicht gut, aber besser.  :)
Edit 2: einige Überlegungen zur seltsamen Leitbündelanordnung im Rahmen der Bildunterschrift zu Bild 4 ergänzt.
Edit 3: 15.05.2018 - ursprüngliche Bilder wieder hergestellt
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Ronald Schulte

Jörg,

Du weist das ich nichts davon verstehe aber ich finde es eine 'Herren-beitrag' mit schöne Bilder. Besonders Bild 4 und 7 gefallen mir weil sie scharf und kontrastreich sind.
Auch die einleitende Bilder, Farbvorgang usw. sind gut Dokumentiert.
Mache weiter so.

Grüße aus kalt Friesland, Ronald 

Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

HDD

Hallo Jörg,

Das ist ein Artikel der Spitzenklasse den Du uns da präsentierst.

Die Reihenfolge der Dokumentation und die Qualität der Bilder
lassen auf die Arbeit eines didaktischen Vollprofis schließen.

Super anschaulich und lehrreich.

Es ist für einen Anfänger, wie für einen alten Hasen eine einzige Freude
sich diese Dokumentation anzuschauen.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Mila

Lieber Jörg,

da kann ich mich meinen "Vorschreibern" nur anschließen! Superklasse!

Die Fotos der Achänen, des Leitbündels, des Stomas und der Tüpfel gefallen mir sehr, wirklich spitze!
Natürlich wird das im Unterricht eingebastelt :)

Herzliche Grüße
Mila

Rawfoto

Hallo Jörg

Bild 6 und 7 sind einfach nur geil (verzeiht mir den Ausdruck, aber das ist unglaublich) ...

Spitze ...

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Muschelbluemchen

Hallo Jörg

Herrlich was Du da mit Wacker 3A hervorbringst!
Vor allem Bild 5a und 6 sind eine Augenweide!
Freue mich auch immer auf Deine Beiträge!

mit lieben Mikrogrüßen
Leopold

beamish

Hallo Jörg,

es fällt langsam schwer, neue Superlative zu finden, aber die brauchts auch gar nicht. Ich finde nach wie vor Deine ganzheitliche Herangehensweise: die Pflanze als solche ausführlich vorzustellen und dann noch, quasi als Zugabe, Deine hervorragenden Mikropräparate zu zeigen, einfach vorbildlich!

Danke,

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Fahrenheit

#7
Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer großes Lob! Es freut mich sehr, dass meine Beiträge so gut ankommen!

Lieber Ronald,

ich werde mir redlich Mühe geben! Schöne Grüße aus dem ebenfalls kalten Rheinland!  ;)

Liebe Mila,

selbstverständlich kannst Du die Bilder Deiner Brut zeigen!  ;D
Hast Du eine Idee, zu welcher Pflanze die Achäne gehört, die sich in Bild 3b so frech in den Vordergrund gedrängelt hat?

Lieber Gerhard,

ich muss gestehen, dass die schöne Schärfe der Bilder in der 800*600er Auflösung auch zu einem guten Teil darin begründet liegt, dass das Verkleinern und leichte Nachschärfen (neben einer Anpassung des Schwarz- und Weißpunktes die einzige Bildbearbeitung des gestackten Ausgangsbildes) die Unschärfe des Ausgangsmaterials kaschiert.

Allen herzliche Grüße!
Jörg
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Eckhard

Lieber Jörg,

sehr schön!

Mir ist bei Bild 8 aufgefallen, die sind Schliesszellen anders als die Epidermis gefärbt. Ist das bei anderen Schliesszellen ähnlich?

Herzliche Wintergrüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

super !!
Ich bewundere immer wieder Deine Bilder.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Eckhard, lieber Hans-Jürgen,

auch Euch vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Eckhard,

ich denke, das liegt daran, dass bei den beiden Schließzellen zufällig noch eine parallel zur Schnittebene liegende Zellwand mit im Bild ist, während bei den umgebenden Zellen "Decke und Boden" dem Schnitt zum Opfer gefallen sind. Unter Umständen ist im Zellinneren auch noch Zellinhalt vorhanden, der mit angefärbt wurde.

Herzliche Grüße
Jörg
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