Indentifizierung von Wüstit im Auflicht

Begonnen von derda, Dezember 11, 2010, 13:36:27 NACHMITTAGS

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derda

Hallo liebe Forumsteilnehmer,

ich benötige Hilfe bei der Identifikation des oxidischen Erzvertreters Wüstit (FeO). In "Komplexe Diffusionsprozesse in Metallen", von Jürgen Gegner wird eine Verzunderungsabfolge Eisen-Wüstit-Magnetit-Hämatit-Gasphase beschrieben.

Im mikroskopischen Auflicht kann ich Magnetit und Hämatit gut durch eine klare Trennlinie erkennen, Wüstit jedoch nicht, bzw. weiss ich nicht, wie ich es erkennen soll. Gibt es einen fliessenden Übergang Wüstit-Magnetit?

Welche Merkmale können mir bei der Differenzierung helfen?

Vielen Grüße

Erik


Stefan_O

#1
Ich versuchs mal: Magnetit und Wüstit haben fast gleiche Reflexionswerte, sind also gleich grau und etwas dunkler als der Hämatit (im sauber poliertem Anschliff). Meine erste Idee war "ätzen", das sollte als Differenzierung klappen und ist in der Tat beschrieben, schau mal hier:

Microscopic Identification of Wustite in Presence of Other Oxides of Iron
R. G. Wells
Anal. Chem., 1954, 26 (4), pp 715–717
http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/ac60088a028

Ätzmittel ist eine gesättigte Zinn(II)chloridlösung in Ethanol, das sollte eigentlich ohne grossen Aufwand besorgbar sein. Die Lösung muss jedesmal frisch angesetzt werden. Ätzdauer 1-2 min. Nach dem Ätzen ist die Wüstit-Phase schwarz gefärbt, die anderen Oxide werden nicht angegriffen.

Gruss,
Stefan

derda

Hallo Stefan,

vielen Dank für deine Hilfe. Wenn es klappt, poste ich ein Bild davon.

Viele Grüße

Erik

Stefan_O

Ja, gerne. Die Bilder im Artikel sind leider schlecht gescannt, ich bin gespannt, wie es mit modernerem Equipment aussieht. In Anal. Chem., 1954, 26 (6), p 1011 gibt es noch eine Korrektur des Artikels, betrifft aber nur eine Bildunterschrift und soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Correction. Microscopic Identification of Wustite
R G. Wells
Anal. Chem., 1954, 26 (6), p 1011

Gruss,
Stefan

olaf.med

Hallo Erik,

laut Bibel der Erzmikroskopiker (Ramdohr, P.: Die Erzmineralien und ihre Verwachsungen) werden die Kontraste zwischen Magnetit und Wüstit bei Verwendung von Ölimmersion besonders deutlich. Wüstit ist hat ein geringfügig niedrigeres Reflektionsvermögen und ist grünlicher als Magnetit.

Gruß, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Stefan_O

Salü Zusammen,

die Ramdohr-"Bibel" ist leider veraltet und fehlerhaft, selbst in der letzten zweibändigen Auflage. Die Reflexionskurven von Magnetit und Wüstit haben einen Unterschied von 1%, ich bezweifele, dass das mit dem blosen Auge zur einwandfreien Bestimmung reicht. Angaben wie etwas grünlicher sind so subjektiv, dass sie in neueren Büchern nicht mehr verwendet werden. Wer vorher auf etwas rötliches gestarrt hat, sieht hinterher alles grünlich, was eben so schön wie tragisch in "The colors of opaque minerals" beschrieben ist.

Sinnvollere Bücher sind die "Quantitative Data File for Ore Minerals", welches die Kurven Reflexion vs Wellenlänge zeigt und "The Ore Minerals Under The Microscope-An Optical Guide" mit Farb-Mikrophotos von allen wesentlichen Erzmineralien, wobei auch hier Farbabweichungen der Linie Foto->Buch im Hinterkopf zu behalten sind. Ein Buch, was alle Information zusammen beinhaltet gibt es leider nicht. Ich habe mir für meine Arbeit die Mühe gemacht, die Informationen der beiden letztgenannten Bücher und von "Spry/Gedlinske, Tables for the Determination of Common Opaque Minerals" inklusive der Grafiken und Fotos in einer FileMaker-Datenbank zusammenzufassen, die auf einem iPad neben dem Mikroskop liegt. Das erspart das leidige Blättern in 3-4 Büchern. Der Versuch, Ramdohr dort zu integrieren ist auf Grund der oftmals abweichenden Infos gescheitert.

Gruss,
Stefan

derda

Hallo Stefan, Hallo Olaf,

ich hatte in "Metallographisches Keramographisches Plastographisches Ätzen" von Günter Petzow geschaut. Die Ätzmittel dort sind für mich leider eher schwerst zu bekommen... Er schreibt dort aber auch, daß eine Unterscheidung in polarisiertem Licht möglich sei, weil Magnetit dunkel und Hämatit rot erscheint (Wüstit bleibt wohl so).

Ich habe lange darauf gestarrt und konnte keine Farbflecken im Magnetit erkennen.

Heute morgen habe ich mir eine gesättigte Zinkchloridlösung angesetzt und kann im Schliffbild eine neue Phase erkennen, von der ich ausgehe, daß es sich nur um Wüstit handeln kann (Bild folgt).

Petzow schreibt weiter, daß Wüstit unterhalb von 500°C instabil ist und zu Magnetit und Alpha-Eisen zerfällt.

Viele Grüße

Erik


Stefan_O

Klasse, ich bin gespannt. Zinkchlorid war hoffentlich ein Schreibfehler, Du brauchst Zinn(II)chlorid in Ethanol. Hast Du den Well's Artikel? Ansonsten schick mir deine email per PM, ich sende ihn dir zu.

Gruss,
Stefan

olaf.med

#8
Hallo Stefan,

ich habe das übergroße Glück bei Ramdohr noch "in die Lehre" gegangen zu sein und muß hier eine Lanze für ihn brechen. Sein Buch ist sicher alt - ob es veraltet ist, kommt immer auf den Standpunkt an. Er war ein großer Verfechter der qualitativen Methoden in der Auflichtmikroskopie und durch sein "absolutes" Farbempfinden in der Lage sehr viel mehr zu erkennen als der "normale" Mikroskopiker. Dies und die immense Erfahrung machte ihn unabhängig von quantitativen Methoden. Man könnte ihm sogar vorwerfen, er habe damit die Entwicklung quantitativer Methoden gebremst. Dass es in seinem Buch Fehler gibt ist klar - es wäre das erste Buch mit mehr als 1000 Seiten ohne Fehler! Ich bin aber der festen Überzeugung, dass alle seine persönlichen Beobachtungen richtig waren. Evtl. ist durch neuere analytische Daten einiges zu revidieren, aber sicher nicht seine Beobachtungen, besonders die der Farbnuancen, die man aber eben erst mit viel Erfahrung und Übung wirklich wahrnimmt, und dann natürlich nur im Vergleich zu benachbarten Phasen!

Was glaubst Du wohl was es einem normalen Anwender ohne die Möglichkeit der Messung des quantitativen spektralen Reflektionsvermögens nutzt, wenn er den "Quantitative Data File for Ore Minerals" neben sich liegen hat und zwischen Magnetit und Wüstit unterscheiden will. Da ist doch die Aussage "heller als" oder "dunkler als" deutlich hilfreicher! Bei grauen Mineralen gilt nach meiner Meinung eh: wenn man keinen Unterschied sieht gibt's auch keinen zu messen ;D!

Gruß, Olaf
Gerne per Du!

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Stefan_O

War nicht als Beleidigung gemeint. Dennoch: niemanden nützt es etwas, wenn Ramdohr quasi das Buch für sich selbst geschrieben hat, weil sonst niemand die Farbnuancen erkennt? Ich verweise nochmals auf "The colors of opaque minerals". Dazu kommt, dass Farbbeschreibungen von Autor zu Autor schwanken, was also ist "Creme" oder "lilac tint"? Irgendwo gibt es eine Zusammenstellung der Beschreibungen gleicher Minerale von unterschiedlichen Autoren, die diesbezüglich sehr aufschlussreich ist. Übrigends finden sich auch bei Ramdohr quantitative Daten.

Die Stannoidit-Anisotropie ist bei Ramdohr z.B. dermassen falsch beschrieben, dass ich bezweifele, dass Ramdohr tatsächlich Stannoidit vorliegen hatte. Das gibt mir für andere Beschreibungen eben kein gutes Gefühl. Die Paragenese/Verwachsungen-Daten sind natürlich nützlich und wichtiger, als die Farbnuancen.

"Was glaubst Du wohl was es einem normalen Anwender ohne die Möglichkeit der Messung des quantitativen spektralen Reflektionsvermögens nutzt, wenn er den "Quantitative Data File for Ore Minerals" neben sich liegen hat und zwischen Magnetit und Wüstit unterscheiden will. Da ist doch die Aussage "heller als" oder "dunkler als" deutlich hilfreicher!"

=> Der normale Anwender sieht, dass er beide nicht unterscheiden können wird und benutzt eine Ätzmethode, statt sich sich mit grünlichem Nuancen oder einem Hauch von mehr Grau aufzuhalten.  :D (Zumal Nuancen ohnehin nicht bei jedem Mineral von jedem Fundort die gleichen sind). Bei Magnetit und Wüstit würden auch ein paar Kratzer im Anschliff helfen....

Gruss,
Stefan

derda

#10
Ich habe noch ein weiteres Zunderbild als Beispiel für die zahlreichen Farbnuancen ("... grünlichem Nuancen oder einem Hauch von mehr Grau  ..."). Man beachte die einheitliche Kratztiefe...



VG

Erik

olaf.med

Zitatch habe noch ein weiteres Zunderbild als Beispiel für die zahlreichen Farbnuancen ("... grünlichem Nuancen oder einem Hauch von mehr Grau  ..."). Man beachte die einheitliche Kratztiefe...

... und was hilft hier die Ätz- oder Kratzer-Methode ??? ??? ??? Wenn es sich hier um verschiedenen Phasen handelt und nicht um Artefakte (Polier- oder Anlaufeffekte) muß eh die Mikrosonde ran!

Gruß und gute Nacht, Olaf
Gerne per Du!

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derda

Zitat"...  und was hilft hier die Ätz- oder Kratzer-Methode ..."

Hier helfen eben weder Farben noch Kratztiefen. Es sollte nur ein Beispiel für die Farbnuancen sein => damit andere Leser auch ein Gefühl für die hier diskutierten Abstufungen bekommen.

VG

Erik

Stefan_O

Die Ätzmethode hilft, die Wüstit Phase zu erkennen, falls eine vorhanden ist. Sowohl Magnetit, Hämatit und Wüstite habe unterschiedliche Härten und lassen sich ggf durch die Kratzertiefe "abschätzen", da der "normale Anwender" sicher keinen Mikrohärtetester zur Hand hat. Bei allem Respekt Olaf, hast Du den oben genannten Artikel gelesen? Die Phasen unten sind die verschiedenen Eisenoxide, die sich eben durchaus ohne EDX bestimmen lassen. Erik, die Kratzer sind schon recht tief, für die Erzmikroskopie wäre die Probe nicht zu gebrauchen. Was war der letzte Arbeitsschritt beim Anschliff? Ich bin gespannt auf den Ätzversuch.

Gruss,
Stefan

olaf.med

Hallo Stefan,

meine Bemerkung war eher allgemein gehalten. In diesem chemisch einfachen System geht das Verfahren sicherlich, aber hier wurden ja Farbnuancen diskutiert. Die sind in jeden Fall ein probates Mittel verschiedenen Phasen voneinander abzugrenzen - auch hier!

Vielleicht noch eine Bemerkung hierzu:

ZitatDennoch: niemanden nützt es etwas, wenn Ramdohr quasi das Buch für sich selbst geschrieben hat, weil sonst niemand die Farbnuancen erkennt?

Warum, glaubst Du, wurde Ramdohrs "Selbstbeweihräucherung" mehrfach aufgelegt und ins Englische, und in Auszügen sogar ins Russische und Chinesische übersetzt ??? ??? ??? Weil es niemandem nützt ??? ??? ???

Gruß, Olaf
Gerne per Du!

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