Musca domestica Rectalpapillen

Begonnen von Jürgen H., Dezember 19, 2010, 15:31:34 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker

Im Rectum vieler Insekten finden sich sogenannte Rectalpapillen.

Hier zeige ich eine Übersicht, ein Querschnitt durch das Abdomen (Ausschnitt aus dem dorsalen Bereich) einer weiblichen Fliege:



R = Rectum/Mastdarm
RP = Rectalpapille
RS = Receptaculum Seminis (Aufbewahrungsort des Weibchens für den Samen bis zur Eiablage)
Od = Oviduct/Eileiter
MD Mitteldarm

Unterhalb der längs getroffenen Rectalpapille ist eine weitere Papille quer getroffen zu sehen. Insgesamt dürfte das Tier, nach meinen Schnitten zu urteilen, vier solcher Papillen haben. Ersichtlich reichen die Papillen weit in den Hohlraum des Rectums hinein.

Die Papillen sind von zapfenartiger Gestalt. Eine einschichtige Zelllage umschließt einen Hohlraum innerhalb der Papille.

Etwas näher betrachtet, sieht die Stelle, an der die Papille an der Wand des Rectums inseriert, so aus:




WR = Wand des Rectums, an dieser Stelle sehr muskulös aufgebaut.
TR = Auffällig ist die reiche Luftversorgung durch große Tracheen.
ÖH = Der Hohlraum der Papillen ist zum Hämolymphraum hin geöffnet.
Tra = Tracheolen ziehen sich weit in die unteren Zelllagen der Papillen hinein.
VRW = Die Verbindungen der Papillen zur Wand des Rectums ist auffällig dünn


Dargestellt ist ein Teil des Hohlraums der Papillen.

T = Verschiedene Tracheen durchziehen den Hohlraum bis zu seiner Spitze.
BL = tiefblaugefärbt die Basalmembran.
V = Hier bin ich mir unsicher. Das rot gefärbte (Muskel?)gewebe mit Zellkernen ZK weist eine Vielzahl von Zäpfchen aus, die an der Basalmembran zu inserieren scheinen. Tracheolen sind das nicht, sie sind nicht hohl. Ich habe diese eigenartigen Verbindungsstellen zwar in der Literatur gezeichnet, aber bisher nicht beschrieben gefunden.

Auffällig ist, dass die einzelnen Papillenzellen ganz fein blau gestreift zu sein scheinen, wobei sich die Streifung gegen den Hohlraum richtet. Im Papillenhohlraum blaugefärbt wohl Bindegewebestrukturen.

Zum Hohlraum des Rectums hin sehen die Papillen so aus:


Deutlich sichtbar überzieht die Papillen eine

ExC = chitinöse Exocuticula, die mit
B = chitinösen kleinen Borsten oder Dornen besetzt ist. Blaugefärbt die
EnC = Endocuticula
ZK = Zellkerne der Papillenzellen, stets am äußeren Ende der jeweiligen Papillenzellen gelegen.

Zur Funktion der Papillen ist zum einen in der Literatur beschrieben, dass sie der Zerstörung der peritrophischen Membran dienen sollen. (Zur peritrophischen Membran https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=7629.0 Die oben gezeigten Borsten könnten hierbei dienlich sein. Durch die Peristaltik des Rectums  reiben wohl  die Papillen mit ihren Borsten aneinander.

Zum anderen wird mit den Papillen der Wasserhaushalt des Insekts zusätzlich reguliert und werden dem Darminhalt weitere niedermolekulare Inhaltsstoffe entnommen. Dabei soll die Cuticula entsprechend einem Molekularsieb wirken. Wasser soll dem Kot bis zu 95 % enzogen werden können. Der Wasserentzug soll über einen osmotischen Gradienten funktionieren: Ionen werden aktiv aus dem hohlraumwärts gelegenen Zellräumen in die Nähe der Cuticula zurückgeführt und ziehen so weiteres Wasser nach, das über den Papillenhohlraum der Hämolymphe zugeführt wird.

Noch einmal zu den eigenartigen Verbindungsstellen V im dritten Bild. Ist denkbar, dass sie von Muskelgewebe ausgehen, die die einzelnen Papillenzellen an ihrer Basalmembran erfassen und die Papille mit ihrem Hohlraum so zusammengezogen wird, dass der Hohlraum ausgedrückt wird wie ein Schwamm?

Mikrogrüße

Jürgen


Ronald Schulte

Jürgen,

Was für eine Färbung hast du hier gebraucht?
Ist diesen schonen schnitt mit ein Mikrotom gemacht und wie hast du das Insekt so weich gemacht das es schneidbar ist.
Habe mich auch einige male ran gewagt aber war immer zu hart zum schneiden.
Guter Dokumentation und schone Bilder.

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

danke für die lehrreiche Darstellung und die tollen Bilder!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Bernhard Lebeda

Lieber Jürgen


Wieder mal sehr beeindruckend!!

Und wieder mal was gelernt!

Vielen Dank dafür!!

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Jürgen H.

Lieber Ronald,

Gefärbt ist mit Azan Geidies. Die Färbung lässt sich ganz gut steuern und ist nicht so kompliziert wie die Original Azanfärbung, die Du gezeigt hast (und so schön beherrschst). Geschnitten ist mit meinem kleinen Leitz Schlittenmikrotom. Das Schlittenmikrotom hat bei Insekten den Vorteil, dass man sehr gefühlvoll schneiden kann. Mit dem Chitin ist das dennoch meist etwas Glücksache. Bei mir hat sich vor allem als wichtig herausgestellt, das Objekt sorgfältigst zu entwässern. Das mache ich in Isopropanol und gehe von dort über N-Butylalkohol ins Paraffin.

Mit den Photos bin ich nie so ganz glücklich. Das geht über eine Nikon Coolpix, die direkt ans Okular angeschraubt wird.

Vielen Dank für Deine Worte und für eure, lieber Bernhard und lieber Jörg natürlich auch!

Mikrogrüße

Jürgen