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Schlauchpilze (Ascomyceten)

Begonnen von Holger Adelmann, Januar 03, 2011, 18:43:27 NACHMITTAGS

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Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

heute poste ich ein paar Bilder zu den Schlauchpilzen. Die Schlauchpilze unterscheidet man von den Ständerpilzen (Basidiomyceten).

Die Ständerpilze stellen die weitverbreiten Röhrenpilze (z.B. den Steinpilz) und die Lamellenpilze (z.B. den Champignon). Sie werden so genannt, da sich ihre Sporen an keulen- bzw. ständerförmigen Auswüchsen (Basidien) des Fruchtkörpers bilden.

Die Schlauchpilze (Ascomyceten) hingegen bilden die Sporen in Schläuchen (Asci), welche das Hauptmaterial des Fruchtkörpers stellen. Die Schlauchpilze sind viel unscheinbarer, oft nur millimeter- bis wenige Zentimeter gross. Die Familie ist allerdings mit über 30.000 Arten sehr formenreich. Bekanntere Arten umfassen z.B. die unterirdisch wachsenden Trüffel.
Eine andere, gefährliche Art der Ascomyceten ist das Mutterkorn,  die reife Überwinterungsform des auf Gräsern und Getreide parasitierenden Pilzes Claviceps purpurea. Das Mutterkorn enthält sehr viele, teils hochgiftige Alkaloide. Beim Verzehr erleidet der Mensch den sog. Ergotismus, eine gefährliche Krankheit, die durch Blutgefässverengung aufgrund der Alkaloide Gewebezerstörungen mit Hautgeschwüren bis hin zu absterbenden Gliedern anrichtet. Im Mittelalter war diese Krankheit schon als Antoniusfeuer bekannt, eine eindrucksvolle Darstellung findet sich auf dem Isenheimer Altar in Colmar:



Als Beispiel soll heute der Lärchen-Haarbecher (Lachnellula occidentalis) dienen. Dieser lebt auf totem Lärchenholz. Im Spätherbst findet man die kleinen gelblich bis rötlich gefärbten Becherchen (um 3 mm) auf toten, herabgefallenen Lärchenzweigen. Die Art ist häufig, ein Besuch eines Lärchenwaldes somit wahrscheinlich immer erfolgreich. Es gibt an der Lärche noch eine ähnliche Art, das Lärchen-Krebsbecherchen, welches  auf lebendem Holz wächst und den sog. Lärchenkrebs verursacht. Wichtig ist, vor allem auf das Vorhandensein krebsartiger Anschwellungen an den lebenden Zweigen zu achten.
Das gepostete Makrofoto des Lärchen-Haarbechers stammt aus Wikipedia:



Zur Beobachtung zerzupft man etwas von dem zentralen Gewebe des Bechers in Wasser und untersucht - idealerweise im Phasenkontrast oder einem der Interferenzkontrastverfahren. Auch im Hellfeld sind die recht stark lichtbrechenden Sporen gut zu sehen.

In meinem Beispiel habe ich die Asci im Polarisations-Interferenzkontrast nach Jamin-Lebedeff untersucht. Die hiermit erzielten Bilder sind ähnlich einem Phasenkontrast-Bild, allerdings werden die Phasendifferenzen im Präparat nicht nur in Graustufen, sondern auch in Farben dargestellt. Man kann durch Kippen des kondensorseitigen Strahlenteilerplättches stufenlos alle möglichen Interferenzfarbenkombinationen durchlaufen und eine Stellung wählen, welche die Objektdetails am Besten abbildet. Im Beispiel unten habe ich eine Objektstelle mit zwei verschiedenen Stellungen des Strahlenteilers aufgenommen (im ersten Bild sind die Asci in Graustufen und die Sporen bunt, im zweiten ist es umgekehrt):







Im Gegensatz zum DIC ist die Aufspaltung der beiden Strahlenbündel beim Polarisations-Interferenzkontrast nach Jamin-Lebedeff erheblich grösser (nicht differentiell). Da die Einrichtung streng genommen für monochromatisches Licht (etwa 546 nm) abgestimmt ist, entsteht bei Verwendung von Weisslicht neben dem Hauptbild im Mikroskop ein seitlich und axial verschobenes Nebenbild. Dieses Nebenbild stört allerdings nur bei der Beobachtung grossflächiger Strukturen.
Der Polarisations-Interferenzkontrast nach Jamin-Lebedeff ist auch für quantitative Messungen des Brechungsindexes etc. sehr gut verwendbar. Eine gute Darstellung dieser Methode und deren Vergleich mit anderen Interferenzverfahren ist hier nachzulesen:

http://www.uni-giessen.de/~gi38/publica/mikros/kapitel8.html

Herzliche Grüsse & alles Gute im neuen Jahr
Holger





beamish

#1
Hallo Holger,

faszinierende und mir gänzlich ungewohnte Ansichten eines mir ansonsten wohlbekannten Pilzes!
Anzumerken wäre noch, daß es sich lohnt, solche etwas "eingetrockneten" Fruchtkörper (durch lockeres Einwickeln des Ästchens in feuchtes Küchenkrepp) zu rehydierieren. Dann entfalten sie sich in voller Schönheit (wenn mans dann auch fotografieren kann...  ;D wünschenswert besser als ich...).

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Und weiter ist interessant, daß die Ascuspori dieser Art auf die Zugabe von Lugol'scher Lösung nicht negativ oder blau sondern rot, also hemiamyloid reagieren:

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erst durch vorherige Gabe von KOH wird mit Lugol eine Blaufärbung des Porus erreicht:

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Dies nur als Ergänzung Deines tollen Beitrags.

Herzliche Grüße,

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

A. Büschlen

Hallo Holger,

mit dem Mutterkorn machst du eine sehr interessante Einleitung. In der Schweiz wurde bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts Mutterkorn auf Roggen kultiviert. Die Fruchtkörper wurden gesammelt und dienten als Basis zur Medikamentenherstellung.

Gruss Arnold Büschlen
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Fahrenheit

Liebe Freunde,

danke für die interessanten Beiträge! Sehr schöne Photos.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Eckhard

Lieber Holger,

ein sehr interessanter Beitrag, vielen Dank dafür. Mir gefallen Bilder mit Interferenzkontrast nach Jamin-Lebedeff sehr gut. Leider ist dies Kontrastverfahren aus dem Zeiss Programm komplett verschwunden :(

Herzliche Grüsse
Eckhard

Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Holger Adelmann

Lieber Eckhard,

ja, das Verfahren wurde nicht sehr oft verkauft. Die Leitz Jamin-Lebedeff Einrichtung noch viel seltener als die Zeiss Einrichtung !
Ich suche schon 20 Jahre nach einer Leitz-Einrichtung, habe aber mittlerweile mit der Hilfe eines guten Freundes die Zeiss Jamin-Lebedeff Einrichtung an mein Leitz ORTHOPLAN adaptiert.
Die Leitz Einrichtung ist noch eleganter im Umgang, da man die Kondensoren nicht bei jedem Objektivwechsel mit tauschen muss - vielleicht bekomme ich irgendwann ja noch mal eine.

Ich hänge noch ein paar Bilder an. Das Verfahren ist auch bei Protisten interessant, wie man sieht, auch -oder gerade - wenn man den Kontrast überwiegend auf Graustufen und nicht auf Farben einstellt.

Herzliche Grüsse
Holger