Frage zu Polarisationsmikroskopie / Materialmikroskopie

Begonnen von Frank S., Dezember 19, 2008, 22:06:33 NACHMITTAGS

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Frank S.

Hallo Mikroforum,
ich bewundere zur Zeit die vielen eingestellten Bilder aus der Materialmikroskopie. Ich mikroskopiere ausschließlich biologische Objekte - die Polarisationsmikroskopie findet da ja eher wenig Anwendung.
Ich habe schon einiges über das Zustandekommen der Bilder aufgrund der Phasenaktivität von verschiedenen Materialien gelesen und gehört.
Noch eine Frage dazu:
Nach meinem Verständnis dient die Materialmikroskopie hauptsächlich der Bestimmung und Zusammensetzung verschiedener Materialien aufgrund der Verdrehung der Schwinungsrichtung von zuvor polarisiertem Licht oder verschiedener Lichtbrechungseigenschaften.
Ich stelle mir vor, dass eine weitere wichtige (industrielle) Anwendung der Matrialmikroskopie das Auffinden von Inhomogenitäten in einem Material (z. B. Risse, Materialermüdungen an einer bestimmten Stelle, ...) ist.
Hierfür ist es doch notwendig eine Probe zu durchmustern, was mit den verwendeten Drehtischen doch gar nicht möglich ist, oder? Wie bearbeitet man sowas?
Eine kurze Auflösung für einen "Pol-Laien" wäre sehr nett.

Grüße
Frank

Frank D.

Guten Abend Frank,

Spannungen in doppelbrechenden Materialien können in mikro-, wie auch in makroskopischen Untersuchungen festgestellt werden.
Wie auch bei der Oberflächenprüfung von z.B. Metallendmaßen durch planparallele Glasprüfplatten,
spielt die Überlagerung zweier Teilwellen, die durch Dichte- oder Dickenunterschiede im Prüfmaterial entstehen, die entscheidende Rolle.

An diesen unterschiedlich belasteten Bereichen überlagern sich die Teilwellen mal früher oder später
und ergeben, wenn mit dem sichtbaren Lichtspekrtum gearbeitet wird, verschiedenfarbige Verläufe.
Es ist verständlich, dass an den Stellen an denen die Farbgrenzen besonders dicht sind, die z.B. innere Spannung sehr hoch ist.

Vor nicht allzu langer Zeit wurden verkleinerte Brückenmodelle aus durchsichtigem Kunststoff nachgebaut und entsprechend belastet.
Die sich ergebenden Spannungen und möglichen Bruchstellen wurden zwischen zwei gekreuzten Polfolien beobachtet.

Hier einmal einige Beispiele
Natürlich können unter einem Mikroskop entsprechend kleinere Bereiche untersucht werden.

Mit freundlichem Gruß
Frank

Geodreieck


Kunststoffdeckel


gedehnte Kunststoffleiste

Alfred Schaller

#2
GGL - Grauguss mit Lamellengraphit
Guten Morgen!
Die Werkstoffwissenschaften nutzen umfassend mikroskopische Verfahren. Polarisiertes Licht spielt hier eher eine geringere Rolle bezogen auf alle mikroskopischen Materialuntersuchungen. Ungänzen wie Risse usw., Schweißnähte, Bruchstellen u.v.m. werden häufig stereomikroskopisch (Makroskopie) untersucht (aber auch mit anderen Verfahren).
Einen großen Umfang nimmt die Metallographie mit dem Auflichtmikroskop (Metallmikroskop) ein. Dabei werden präparierte Proben (Schleifen - Polieren) im ungeätzten Zustand oder meist nach dem Ätzen (chemisch oder elektrochemisch) hinsichtlich ihres Gefüges beurteilt. Daraus kann man bei der Werkstoffentwicklung, in der Qualitätssicherung oder bei der Schadensfallanalyse z. B. die vorangegangene Wärmebehandlung, den Herstellungsprozess, Behandlungsfehler, zu erwartende Eigenschaften usw. erklären. Die Zusammensetzung läßt sich metallographisch nicht bestimmen. Z.B. Bild oben zeigt einen Grauguss mit Lamellengraphit und perlitischem Gefüge, geätzt mit 3% HNO3 in Alkohol ("Nital").  Weitere Bilder z.B. googeln: "Stahl Gefüge". Neben der Untersuchung von Proben werden auch überwachungspflichtige Anlagen (Kraftwerke, Chemieindustrie) und große Bauteile vor Ort mit der ambulanten Metallographie untersucht.
Weitere werkstoffrelevante mikroskopische Themen sind z.B. Zahnersatzmaterialien (wie neulich hier im Forum) oder auch kriminaltechnische Nutzungen (nicht nur in bekannten TV-Serien) wie die Sichtbarmachung entfernter Kennzeichnungen.
Siehe auch Link, Seite 6: http://public.tfh-berlin.de/~schaller/Scha-WT3-Werkstoffpruefung.pdf
Kurz: ein umfassender Zweig der Mikroskopie, ohne den z.B. die zur Zeit so gescholtene Automobilindustrie keine Qualität und Sicherheit liefern könnte (ich bekomme keine Prozente!)
Ich beantworte gern weitere Fragen.
Viele Grüße
Alfred Schaller
- gern per Du  / Vorstellung -

T. Ebbinghaus

Hallo Frank,

Mikro-(Spannungs-) Risse in grossen Bauteilen werden heute eher mit Nicht-Mikroskopischen Fluoreszenmethoden untersucht, so z.B. die Radreifen des ICE oder ganze Flugzeugbauteile. So etwas unter dem Mikroskop nach einem Raster abzusuchen wäre viel zu aufwändig und fehleranfällig. Man taucht das Werkstück z.B. in eine Fluorescein-Lösung lässt eintrocken, wäscht die Oberflächen ab und untersucht im Blaulicht in einer Dunkelkammer (OK, man nimmt of ein Stemi zu hilfe...).

Eine andere Variante sind Schalluntersuchungen an solchen Werkstücken - eine "gebrochene" Porzellantasse bzw. Glocke klingt dumpfer als ein fehlerfreies Werkstück. Allerdings verwendete man Ultraschall...

Für kleine Bauteile jedoch kann man das analog den obigen Postings mit dem Fluoreszenzmikroskop oder mittels Polarisationsmethoden machen, letzteres geht jedoch nur dann, wenn die Fehlstelle einen Einfluss auf die optischen Eigenschaften des Materials haben: Das Geodreieick ist ein Paradebeispiel, da das Material doppelbrechend ist.
Zum Einspannen gibt es z.B. vierachsige Drehtische, mit denen die Objekte in jede beliebige Position ausgerichtet werden können. Ein sehr weit verbreitete Anwendung dieser Fehleruntersuchung sind z.B. die Qualitätsbeurteilung von Natur-Diamanten....

Wir haben seinerzeit flächige Substrate, z.B. Objektträger, mit doppelbrechenden Flüssigkristellen beschichtet und die Fehlstellen mittels polarisationsoptischer Methoden untersucht. Dies diente der Qualitätskontrolle von Materiealien für die LCD-Industrie, dort waren die Substrate natürlich grösser - Je nach Fehlerursache waren die Fehlerbilder analog den "Geodreieckbildern", jedoch auf mikroskopischer Ebene.

Beste Grüsse
Thorsten
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Ich suche:
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Frank S.

Hallo,
vielen Dank für die interessanten Beiträge. Ich habe jetz eher ein Bild von den Materialwissenschaften bekommen...

Viele Grüße
Frank