Wo findet Durchlicht-DIK Anwendung im profesionellen Bereich?

Begonnen von Peter V., Januar 19, 2011, 18:46:13 NACHMITTAGS

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Peter V.

Hallo!

Manchmal fallen einem ja die seltsamsten Fragen. So ging es mir soeben. Wo, so dachte ich mir, findet eigentlich heutzutage Durchlicht-DIK im professionellen Bereich Anwendung?
O.k. - vermutlich bei einigen forschenden Limnologen / Protozoologen - aber so viele gibt es davon ja nicht!
Und natürlich bei den Hobbyisten, die es sich leisten können. Sind aber auch nicht soooooo viele.
Auf dem Gebrauchtmarkt sind DIK-Teile insgesamt sehr rar, ein Unedlich-Mikroskop mit DIK via. Gebrauchtmarkt auszurüsten praktisch unmöglich.
Offenbar werden ( und wurden ) auch vergleichsweise wenig DIK-Komponenten generell produziert.
Ich kam deshlab auf diese Frage, weil mir im weiten Bereich der medizinischen Forschung und Anwendung ( die ja letztlich nichts anderes ist als "biologische" Forschung ) eigentlich noch nie das DIK-Verfahren untergekomen ist. Was aber nichts heißt - ausser, dass eben ich es noch nicht dort angetroffen habe.

Also: Weiss jemand, wo und in welchem Unfang im professionellen Bereich heutzutage Durchlicht-DIK angewendet wird?

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

beamish

#1
Hallo Peter,

in der Mycologie ist es eigentlich ziemlich "In". Hier ein Beispiel: http://www.fungaldiversity.org/fdp/sfdp/17-2.pdf (nur zufällig herausgeriffen)
Aber ist es nicht so, daß durch DIC nur lichtbrechende Elemente stärker kontrastiert/pseudoreliefiert werden? Und das andere Elemente, die diese Eigenschaft nicht haben, dann "zu kurz" kommen? Und durch die häufige SW-Darstellung fallen dann nochmal Informationen unter den Tisch...?

Herzlich

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Florian Stellmacher

Lieber Peter,

wenn Du "differential interference contrast" als Suchgebriff bei PubMed eingibst, erhältst Du immerhin 1236 Treffer. Also spielt DIC auch in der biomedizinischen Forschung durchaus eine Rolle.

Auch wenn man die Problematik des pseudo-dreidimensionalen Bildcharakters, der ggf. räumliche Verhältnisse auch nur vorgaukeln kann, im Hinterkopf behält, kann man mit dem DIC z.B. in Kombination mit histochemischen oder immunhistochemischen Färbungen nachweisen, wo sich was in der Zelle befindet.

Ein Beispiel aus meiner Arbeit: Aktivierte Makrophagen im Knochenmarkes eines hochgradig immunsupprimierten Patienten mit irregulärem T-Zell-Stimulus bei einer Pilz-Sepsis ("Blutvergiftung"). Hierdurch kam es zu einer rapiden Vermehrung von Makrophagen (große Zellen mit granulärem Zytoplasma und unregelmäßigen Kernen), die das gesamte blutbildende Knochenmark binnen kürzester Zeit leer gefressen haben. Im DIC kann man sehr gut die gefressenen Erythrozyten innerhalb der Markophagen erkennen. Diesem Blut-Fress-Phänomen verdankt das sehr seltene sog. infektionsassoziierte hämophagozytische Syndrom seinen Namen.



Trichrom nach Ladewig, Zeiss Plan Apochromat 63x 1,4 am Zeiss Axioskop 2 MOT, Zeiss MRc, Nachbearbeitung mit Photoshop

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Harald Schmitt

Hallo und guten Abend,

bei uns wird in einem unserer Biolabore ein Zeiss Phomi III mit DIC zur Qualitätsuntersuchung der fermentierten Antibiotika und zur Untersuchung auf Verunreinigung (Unsteril) eingesetzt. Der zuständige Laborleiter setzt daneben noch ein Olympus BH 2 ein. Beide Mikroskope haben eine hochwertige Optik- Planappos und Fluritobjektive. Aber obwohl das Phomi schon fast 30 Jahre auf dem Buckel hat, und bei uns in der Firma von Olympus über Nikon, Leica und Zeiss, Endlich sowie Unendlichsysteme eingesetzt werden, ist das Laborpersonal speziell vom Phomi überzeugt. Und das bestimmt nicht ohne Grund.

Liebe Grüße Harald

Holger Adelmann

#4
Hallo Peter,

AVEC-DIC (Allen Video Enhanced Contrast DIC) ist eine weitere gaengige Anwendung zur Erforschung des Zytoskeletts und des intrazellulaeren Transportes mittels Motorproteinen and Microtubuli.

Ich habe das Equipment um diese Methode durchfuehren zu koennen und habe dazu mal ein Beispiel auf meinem Flickr Portal gepostet. Man sieht - bei etwa 10.000 facher Vergroesserung - den Transport von Organellen wie z.B. Mitochondrien in der Zelle der Zwiebelepidermis.
http://www.flickr.com/photos/55075099@N06/5370796663/in/photostream/

Eine gute Zusammenstellung gibt es auch hier:
http://www.olympusmicro.com/primer/techniques/dic/dicreferences.html


Herzliche Gruesse
Holger


Werner Jülich

Bei der Herstellung von Mehrschichtfolien hat sich DIC bewährt, wenn es darum geht, Rückstände von Trenn-oder Lösemittel zwischen den Schichten zu erkennen, um mal eine technische Anwendung zu beschreiben.
Es ist aber so, dass die sehr eingängigen 3 Buchstaben eine Verbreitung vortäuschen, die ich im Profibereich so nicht sehen kann. Das geben die Zahlen einfach nicht her.
Ich darf die Frage einmal in die andere Richtung stellen, welcher Amateur setzt denn HMC (Hoffman Modulationskontrast) ein? Das Verfahren ist unter Profis recht verbreitet, so ein wenig spiegelbildlich zum DIC.

Werner Jülich

Dieter Stoffels

Hallo Peter,

neben den bereits genannten Anwendungen im bio/medizinischem Bereich wird das Duchlicht-DIK-Verfahren im Rahmen von Materialprüfungen zur Untersuchung pastöser Verbindungen eingesetzt. Hierzu zählen zum Beispiel Kleber, Lacke, Cremes, Emulsionen, Fette und Öle. Im Unterschied zum Phasenkontrast-Verfahren tritt beim DIK kein Halo-Effekt auf, so dass auch dickere Phasenobjekte untersucht werden können. Phasenkontrast und DIK konkurieren miteinander. Wenn beide Möglichkeiten zur Verfügung stehen (was bei Universal-Kondensoren gegeben ist), werden auch beide Verfahren gleichberechtigt genutzt.

Viele Grüße!

Dieter

Herne

Hallo Hr. Jülich,
DIC habe ich und setze ihn auch ein. Von HMC höre ich heute zum ersten mal. ( Bin halt Amateur!  :-[ )
Wo gibt´s da Unterlagen dazu? Können sie uns einen Tip geben?
Hallo Holger,
10.000-fache Vergrößerung? Steht das nicht in krassem Gegensatz zu den heiligen Postulaten von Ernst Abbe?
(Die Videos habe ich mir angeschaut : Höchst interessant!)
LG
Herbert
Die animalcula infusoria sind Blasen mit Neigungen.
G. Chr. Lichtenberg

Holger Adelmann

Hallo Herbert,

nein, AVEC DIC steht nicht im krassen Gegensatz zu Abbe:

1. tatsaechlich ermoeglicht die Methode eine Erhoehung der "wahrnehmbaren" Aufloesung um max den Faktor 2 durch starke Kontrasterhoehung und dadurch Separierung von teilueberlappenden Airy-Maxima.
2. Die durch diese Methode sichtbar genmachten, extrem duennen und kontrastarmen Strukturen wie z.B. die Mikrotubuli im Video Clip sind natuerlich nicht in ihrer tatsaechlichen Groesse (ca 50 nm) aufgeloest und abgebildet. Sie sind vielmehr durch die von Dir ja korrekt zitierte Limitierung durch Lichtbeugungsphaenomene in der mikroskopischen Abbildung auf den Durchmesser der entsprechend kleinstmoeglichen Airy-Figur "aufgeblasen"

Dennoch sind sie nun sichtbar, wenn auch nicht in ihrem tatsaechlichen Durchmesser (man kann so z.B nicht sagen ob es sich um einen oder mehrere dicht aneinanderliegende Mikrotubuli handelt ...). Diese Methode ermoeglichte erst das Studium des vorher aus der Elektronenmikroskopie bekannten Cytoskeletts, was dort ja nur im toten Zustand zu beobachten war. Es erstaunte dann ja doch, wie beweglich das Skelett eingentlich ist ...

Mehr Details & Erklaerungen gerne auch per PN..

Herzliche Gruesse
Holger

Werner Jülich

Eine, zugegeben kurze Zusammenstellung und Einordnung findet sich hier http://www.zeiss.com/C1257173002D0F60/0/F54AE79E971F07F1C125718500460F87/$File/Innovation_14_14.pdf
Im Forum findet sich dann noch folgender Beitrag http://www.mikroskopie.de/mikforum/read.php?1,14513,14513#msg-14513
der wiederum auf eine sehr schöne Darstellung verlinkt.

Werner Jülich

Orbilia

Hallo Forum

ich möchte gerne auf Martins Bemerkung bezug nehmen und meine Erfahrung mit Kontrastverfahren in der Mykologie schildern. Ich verwende beim Studium vitaler Sporen und anderer Elemente von Ascomyzeten in der Regel weder Färbereagentien noch andere Kontrastverfahren, mit Ausnahme des leichten Abblendens, obwohl mein Mikroskop (Zeiss Standard 20) Phasenkontrast erlaubt. An Instituten wird in der Mykologie heutzutage hingegen fast immer DIK verwendet. Den Vergleich mit meinen Resultaten möche ich hier zeigen und diskutieren.

Es geht hier besonders um die aufgrund von +/- hoher Lichtbrechung sichtbaren Organellen in vitalen Zellen, wie z.B. Öltropfen oder Nucleoli. Meiner Meinung nach erhöht DIK oder Phako bei solchen Objekten überhaut nicht die Auflösung, sondern ganz im Gegenteil: durch die harten Schlagschatten des DIK werden Details verwischt, siehe unten. Auf jeden Fall ist nicht mehr zu sehen als ohne DIK. Ein weiterer Nachteil besteht in dem hohen Kontrast an der Zellwand: Messungen der Breite schmaler Sporen sind deutlich ungenauer, da man nicht genau weiß, wo die Wand außen genau aufhört.

Beim direkten Zeichnen am Mikroskop sieht man etwas mehr Details als auf den Fotos (jeweils ohne DIK). Der unten abgebildete "Sporenkörper", wie er genannt wird, ist ein vakuoläres Organell in den Ascosporen und stellt ein wertvolles Charakteristikum der Gattung Orbilia dar. Er kann kugelig, tränenförmig oder wurmförmig ausgebildet sein. Apikal ist er an der Sporenwand angeheftet (er entsteht durch Plasmalemma-Einstülpung). Dort ist er zuweilen nur an einem hauchdünnen Faden aufgehängt, der manchmal nur erahnt werden kann und dann vielleicht nur 10 nm dick ist. Mit der Kamera lässt er sich deshalb oft gar nicht abbilden.

Meine Kamera (Collpix 4500) bildet ziemlich genau 0.1 µm pro Pixel ab (100x Obj., 10x Okular) und erzeugt deshalb relativ scharfe Fotos (bei maximaler Weitwinkelstellung). Auf den Beispieltafeln ist zu sehen, dass die Sporenkörper etwa 0.5-1 µm dick sind. Unter Normaldurchlicht sind die Umrisse gut zu sehen, und auch die apikale Ansatzstelle, die je nach Art verschieden ausgeprägt ist, kann recht gut erkannt werden. Unter DIK (ich habe kein solches Mikroskop, bekomme aber oft Fotos, besonders aus China) entsteht zwar ein angenehm räumlicher Eindruck der Sporen und ihrer Einschlüsse, die Form der Sporenkörper wird hingegen undeutlicher. Das merkt man besonders, wenn man deren Breite messen will.



Mit Kresylblau kann man übrigens den Sporenkörper vital anfärben (siehe zweite Tafel). Dieses simple Verfahren erhöht die Schärfe der Darstellung und damit auch der fotografischen Abbildung deutlich, ist aber unter DIK sicher kaum brauchbar.



Auf die Meinung der Leser bin ich sehr gespannt.

Mit freundlichen Grüßen

Zotto (Hans-Otto Baral)




Detlef Kramer

Hallo Herr Baral,

mit Ihrem Beitrag sprechen Sie bestimmt vielen aus dem Herzen. Klaus Henkel, der hier nicht mehr schreibt, aber bestimmt noch mitliest, hat immer darauf hingewiesen, dass die gesamte klassische Bestimmungsliteratur auf Zeichnungen (oder selten Fotos) beruht, die im HF gewonnen wurden.

Aber, Tempora mutandis oder wie immer die Humanisten sagen: es geht ja heute auch darum, das Gesehene knackig zu transportieren und zwar per Foto - die Zeichnung scheint out zu sein. Da sind PH und DIC im Vorteil.

Dies soll keine Wertung sein. Ich halte beide Methoden, optimales Foto und erklärende Zeichnung für wertvoll bis unverzichtbar. Sucht man Anschluss an die klassische Literatur nutzen einem die modernen Techniken oft wenig.

Nachdenkliche, dennoch herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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