Botanik: Blattstiel einer Weinrebe*

Begonnen von carpe diem, Februar 03, 2011, 13:22:59 NACHMITTAGS

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carpe diem

Hallo zusammen,
heute zeige ich euch nach meiner Pol-Phase  8) wieder etwas aus dem Bereich Botanik.
Ende September des vergangenen Jahres habe ich noch eilig Querschnitte durch den Spross einer Weinrebe angefertigt. Dennoch bin ich mir nicht mehr sicher, ob es sich auch um ein Blattstiel handeln könnte?  ???
Gefärbt wurde mit Etzold FCA, geschnitten per Hand mit der klassischen "Holundermarkmethode". Die Aufnahmen entstanden dieses Jahr, das Euparal ist also durchgehärtet und die Farben zeigen ihre ganze Schönheit. Hier also die Aufnahmen:










Viel Spaß beim Betrachten und beste Grüße
Bastian
Die Neigung der Menschen, kleine Dinge für wichtig zu halten, hat sehr viel Großes hervorgebracht. Zitat von Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

Detlef Kramer

Hallo Bastian,

schöne Fotos!

Das dürfte allerdings in der Tat ein Blattstiel sein, s. Spaltöffnungen und fehlendes Kambium.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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reblaus

Hallo Bastian -

fast habe ich den Verdacht, dass es sich um eine Ranke handelt - da scheint eine lückenlose Sklerenchymhülle vorhanden zu sein. Welchen Durchmesser hatte das Teil denn? Könntest du mal einen Übersichtsaufnahme dazu setzen?

Gruß

Rolf

carpe diem

Guten Abend Detlef und Rolf,
zunächst vielen Dank für die Rückmeldung und die Hinweise. :) Ich komme momentan zu keinem Ergebnis. Einerseits sprechen die Merkmale, die Detlef nannte zweifelsohne für den Blattstiel, andererseits habe ich bis dato gar nicht an die Option Ranke gedacht. Leider kenne ich den Unterschied zwischen Ranke und Sprossachse bzw. Blattstiel nicht. Eine Ranke ist doch im Prinzip eine Anpassungserscheinung, ähnlich den Dornen der Kakteen, die ursprünglich Laubblätter waren, an den Lebensraum der Pflanze? Bitte berichtigt mich, wenn ich Unsinn verzapfe.
Ich habe eine Übersicht mit dem 4er Objektiv angefertigt ( leider nur Achromat):



Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen.
Beste Grüße
Bastian
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Fahrenheit

#4
Lieber Bastian, liebe Weinliebhaber,

zuerst einmal danke für die schönen Bilder!

Vielleicht kann ich mit einigen Aufnahmen von Blattstiel in Wacker W3A - Färbung zur Aufklärung beitragen. Ein Sprossquerschnitt ist durch das fehlende Cambium ja ausgeschlossen.

Übersicht Blattstiel, Vergrößerung 50x


Eine Detailaufnahme, Vergrößerung 200x


Und nun ein Leitbündel aus dem Spross, ebenfalls 200x, mit Cambium, zum Vergleich:


Wenn Dein Querschnitt auch die Nebenleitbündel und die Unterbrechung im Sklerenchymring zeigt, handelt es sicher sicher um einen Blattstiel. Ansonsten würde ich auch auf Ranke plädieren.

Herzliche Grüße
Jörg
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Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

reblaus

Hallo an Alle -

eigentlich müsste ich es ja wissen, aber an allen gut untersuchten Objekten gibt es Dinge, die nie jemand untersucht hat, weil alle dachten: Das ist so banal - das ist sicher schon von 7 Autoren im vorletzten Jahrhundert beschrieben worden.

Also - ich habe keine Ahnung wie der Querschnitt einer Rebranke wirklich aussieht - aber:

Ranken sind den Blütenständen homolog. An etwa zwei bis fünf unteren Knoten eines Fruchttriebes bildet sich gegenüber vom Blattstiel ein Blütenstand ("Geschein") und daraus wird, so Gott will, im Herbst eine Weintraube. An den oberen, jüngeren Knoten bilden sich stattdessen Ranken.
Die Trauben- und Beerenstiele sind gründlich untersucht, weil es eine physiologische Krankheit (Stiellähme) gibt, bei der die Stiele Aufweichungserscheinungen zeigen.
Da hätte ich auch ein Bild davon, aber damit könnte ich mich nur blamieren, wenn ich die fantastischen Bilder hier sehe.
Ich brauch das auch nicht zu zeigen, denn der Querschnitt durch einen Traubenstiel sieht genau so aus wie der Schnitt von Jörg durch den Blattstiel!

Da nun aber die Ranken dem Traubenstiel homolog sind, allerdings sehr auf Zugbelastung konstruiert, habe ich angesichts des ausgeprägten und anscheinend lückenlosen Sklerenchymmantels mal als Arbeitshypothese meine Vermutung geäußert, dass es sich bei Bastians Objekt um eine Ranke handelt. Diese bildet im Laufe der Vegetationsperiode eine Schraubenfeder aus, die nach dem Verholzen unglaublich widerstandsfähig ist, was man vom Traubengerüst nicht behaupten kann.

Bin gespannt was da herauskommt!

Viele Grüße

Rolf

Detlef Kramer

Lieber Rolf,

Du, als Reben-Spezialist musst es schließlich wissen. Auch Dir sollte "die Morphologie der Nurtzpflanzen" von Werner Rauh bekannt sein. Und da steht: ..."Im Gegensatz zu den Windepflanzen, bei denen schon der Primärsproß zum winden übergeht, stellen die Rankensprosse umgebildete und für Berührungsreize empfindliche Seitensprosse dar. ... Als Beispiel für die Mannigfaltigkeit der Sproßranken sollen nur die  Fadenranken der Weinrebe (Vitis vinifera angeführt werden, von der ein Sproßstück in Abb. 74 wiedergegeben ist. ..." (Werner Rauh hat sich nicht nur morphologisch mit dem Wein beschäftigt; seine Exkursionen waren für alle Teilnehmer stets ein berauschendes Erlebnis).

Demnach ginge der Punkt an Dich! Leider wissen wir nicht, wo genau Bastian geschnitten hat. Bis das geklärt ist, mögen meine vorsichtigen Annahmen (auf Grund der angeführten anatomischen Beobachtungen) gelten, dass es sich doch um einen Blattstiel handelt.

Ich finde es toll, dass hier solche Diskussionen stattfinden können!!!

Herzliche Grüße

Detlef
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Fahrenheit

Lieber Detlef,

mir geht es genau so - so lernt man am meisten.

Nun gilt es abzuwarten, was Bastian sagt bzw. ob Sein Schnitt auch die Nebenleitbündel zeigt. Allerdings hatte ich den Blattstiel seinerzeit recht nah am Blattansatz geschnitten. Ich habe keine Idee, wie der Blattstiel näher beim Blattspreit aussieht.

Herzliche Grüße
Jörg
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carpe diem

Hallo zusammen,
vorweg vielen Dank, das ihr euch mit dem Problem auseinandersetzt.  :) Leider kann ich mich nicht erinnern, wo ich geschnitten habe, auf dem Objektträger steht nur Weinrebe, FCA, etc. pp.. Der Sklerenchymring ist durchgängig, Nebenleitbündel konnte ich direkt nicht entdecken, jedoch gibt es im Schnitt zwei potentielle Kandidaten, einer ist unten im Foto zu sehen ( ich glaube nicht, dass es ein Nebenleitbündel ist). Demnach dürfte alles in Richtung Ranke laufen, oder?   




Viele Grüße
Bastian
Die Neigung der Menschen, kleine Dinge für wichtig zu halten, hat sehr viel Großes hervorgebracht. Zitat von Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

Fahrenheit

Lieber Bastian,

nichts zu danken, wie Detlef schon schrieb: das macht dieses Forum hier aus.  :)

Aus meiner Sicht haben wir da eindeutig ein kleines Nest Phloemzellen, das sich ganz ohne Käppchen vor den Sklerenchymring gewagt hat.  ;)
Das hätte ich da nicht erwartet und nach meiner - begrenzten ich bin auch nur ein interessierter Laie - Erfahrung sind Blattstiele immer für solche Kapriolen gut. Weinranken habe ich damals nicht geschnitten, schade, es fehlt der Vergleich.

Andererseits erscheinen mir die Leitbündel in Deinen Schnitten doch etwas schmaler angelegt, da wären wir wieder bei den Ranken. Vielleicht helfen die Bilder aus dem von Detlef zitierten Buch weiter ...

Herzliche Grüße
Jörg   
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Mila

Guten Abend,

etwas verspätet, aber dennoch: schöne Fotos und ein interessanter Beitrag, vielen Dank :)

Viele Grüße
Mila