Ich habe die Beiträge über die Delaminations-Problematik unserer älteren 160mm Optik mit Interesse und Erstaunen verfolgt. Mit Interesse, weil hier Vermutungen über die Ursache geäußert werden und auch über den Umfang dieses Phänomens spekuliert wird. Mit Erstaunen über den teils doch recht unsachlichen Ton einiger Beiträge, welche die Fa. CARL ZEISS verunglimpfen; ich lese dort "Schrott" und "China" etc. Dies missbillige ich hier ausdrücklich. Nun gut, da ich die 160 mm Optik seit mehr als 30 Jahren kenne und besitze, darf ich mich einmischen und möchte mich zu diesem Effekt auch äußern:
1. Von 1953 bis 1990 wurden bei CZ mehr als 1 Million (!) Mikroskopstative mit 160 mm Optik hergestellt. Die Produktpalette umfasste dabei bis zu 100 verschiedene Objektivtypen für Durchlicht und weitere für Auflicht. Kein anderer Mikroskophersteller hat in diesem Zeitraum mehr hochwertige Mikroskope geliefert. Dies trifft besonders auf Forschungsmikroskope für Biologie und Medizin zu. Von keinem anderen Hersteller sind mehr Objektive, Okulare und sonstige Komponenten in Gebrauch und auf dem zweiten Markt im Umlauf, als von uns. Ich habe eine Zeitlang eine kleine Statistik geführt und bin dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass etwa 70% der auf dem Gebrauchtmarkt gehandelten Durchlichtobjektive für endliche Brennweite von CZ stammen, etwa 20% LEITZ/ LEICA, der Rest andere.
2. Es ist unbestritten, dass die Bildfehlerhebung (also ihre Beseitigung) bei der 160 mm Optik und insbesondere bei den Durchlichtobjektiven von ZEISS (Oberkochen) und ZEISS (Jena) mit der 160 mm- Optik bzw. der 250CF-Optik einen Höhepunkt erklommen hatte, als andere Hersteller hiervon noch weit entfernt waren. Herangereicht hatte nur CARL REICHERT/ Wien am Ende der 80er Jahre mit der POLYVAR-Optik. Wie ist es dazu gekommen? Zum einen ist es das meisterhafte Anwenden der Optikrechnung in unserem Hause, welche übrigens bis heute unerreicht ist, zum anderen waren es die in den 160 mm Objektiven vom Typ Plan, Plan NEOFLUAR Imm Korr, Planapo und den Okularen Kpl verwendeten Gläser und andere Werkstoffe. Ohne diese wäre das Bildergebnis nicht möglich gewesen. Einige der verwendeten Kleber haben sich nach 20 und mehr Jahren bei den Optiken für 160 mm, sowie Axiomat als empfindlich gegenüber Delaminationen erwiesen.
3. Was ist eine Delamination?
Darunter versteht man Entkittung. Das heisst, bei ehemals miteinander zu einer bisweilen recht komplexen Gruppe verklebten Einzellinsen oder auch Prismen (ein sog. Kittglied, bestehend aus meist 2, aber bis zu 4 Einzelelementen) trennt sich eine oder mehrere Kittschichten auf.
4. Woher kommt dieser Effekt?
Werden 2 transparente Materialien zu einem Glied verkittet, geschieht dies bei Raumtemperatur und bei einer in unseren Breitengraden üblichen relativen Luftfeuchte. Je höher die Korrektur/ Bildfehlerhebung eines Objektives ist, desto unterschiedlichere transparente Materialien (z.B. Gläser) müssen miteinander gepaart werden. Diese haben oft Ausdehnungseigenschaften, welche sich sehr unterschiedlich verhalten. Ändert sich die Temperatur schlagartig, dehnen sich die einzelnen Mitglieder einer Kittgruppe verschieden schnell unterschiedlich stark aus oder ziehen sich verschieden stark zusammen. Das Verbindungsmaterial ist der Kitt. Passiert dies zu schlagartig und/ oder zu häufig, reißt der Kitt am Rande der Gruppe ein. Anschließend kann Luftfeuchtigkeit eindringen und den Kitt "aufquellen" lassen. Hierdurch verändert dieser seine Haftfähigkeit weiter. Anschließende Temperaturschocks verstärken die Entkittung. Diese fängt also stets aussen am Linsenrand an und geht weiter bis in die Mitte. Selten ist eine Delamination so stark, dass der Kitt völlig reisst und ein Luftspalt entsteht. Es genügt bereits ein in Fensternähe stehendes Mikroskop im Sommer der Sonneneinstrahlung auszusetzen oder im Winter stosszulüften. Kälte ist schlimmer als Wärme. Trockene Luft besser als zu feuchte Atmosphäre.
5. Woran erkenne ich eine Delamination?
Betrachtet man mit einem OPTOVAR oder einem Hilfsmikroskop die vollständig ausgeleuchtete hintere Brennebene und andere innere Objektivflächen (Kondensor ggf. immergieren und auf einen sehr sauberen leeren Objektträger köhlern, jedoch Apertur voll öffnen), so sieht man die Delamination als "muschelbruchartige" stets rundkantige (nicht-eckige) Linienbegrenzung. Im polarisierten Licht sieht man auch die Ausrichtungen der Werkstoffe in der Linse und das Spannungskreuz, dies sind jedoch keine Delaminationen. Trzotzdem ist die Verwendung von polarisiertem Licht manchmal hilfreich zum besseren Erkennen der Delaminationen. Eine Lupe reicht nicht und ihre Verwendung ist hier wenig fachmännisch.
6. Wirkt eine Delamination immer bildverschlechternd?
Dies zeigt nur der Vergleich mit einem intakten Vergleichstück. Ist die Delamination sehr randständig, ist der Effekt sehr gering und fällt praktisch nicht ins Gewicht. Hellfeld ist weniger kritisch als DIC, Phasenkontrast und Dunkelfeld (in dieser Reihenfolge). Delaminierte Kondensor-DIC-Prismen sind weniger bildverschlechternd als DIC-Schieber etc.
7. Sind CZ- Objektive davon mehr betroffen als andere hochwertige Objektive anderer Hersteller?
Nein. Jedoch gibt es schon eine gewisse Häufung bei bestimmten Objektivtypen: Planapo 40, 63 und 100 sind z.B. stärker betroffen, als Plan NEOFLUAR Imm Korr 25 und 40. Die alten Objektive Apo und die NEOFLUARE neigen sehr selten zur Delamination, bei den Objektiven Plan am meisten das sehr hoch farbkorrigierte Plan 100. Ausserdem sind die Kittglieder der Kpl-Okulare 10x besonders kritisch und die Telanoptik des Großfeldrevolvers 0.63x empfindlich.
8. Kann ich meine wertvolle CZ-Optik schützen? Ja. Ich bewahre alle Objektive, DIC-Komponenten und Kpl-Okulare in den Original-Kapseln auf. Diese habe ich ich Getränke-Isolierboxen mit Styropor temperaturkonstant sicher verwahrt. Ich verschicke keine Optik im bittersten Winter und wenn es geht selten im Hochsommer. Meine Optik lagere ich in einem trockenen Raum mit normaler Luftfeuchte. Keller oder ausgebaute schlecht isolierte Dachböden sind wenig geeignet zur Aufbewahrung oder Aufstellung von Forschungsmikroskopen. Im Winter gehört über die Staubschutzhauben der Stative noch eine isolierende Wolldecke. Dann ist das kurze Lüften nicht so gefährlich. Ich mache dies seit etwa 25 Jahren so und habe mit Delaminationen keine Probleme. Anzumerken ist noch, das anfängliche Entkittungen sehr schwierig ohne die Prüfmittel eines Mikroskopherstellers entdeckt werden können.
Vielleicht konnte ich etwas zur Klarheit beitragen.
Viele Grüße an alle Freunde unseres Hauses,
Michael Zölffel