Botanik: Nachlese beim Sandigen Sandfreund - neues vom Strandhafer *

Begonnen von Fahrenheit, Februar 20, 2011, 22:04:49 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

im vergangenen Sommer hatte ich hier Querschnitte vom Blatt des Strandhafers (Ammophila arenaria) gezeigt.

Ein Gläschen Caedax von Holger Adelmann, das im Ruf steht, die Farben der Präparate besonders intensiv zu zeigen, ist Schuld daran, dass ich von den alten Proben (sie liegen nun seit 7 Monaten in Ethanol 70%) nochmals Schnitte gemacht habe. Die Färbung ist Wacker W3A mit dem gewissen Quäntchen Acriflavin im Astrablau des letzten Färbegangs.
Dabei ist mir eine Struktur aufgefallen, die in den alten Schnitten nicht zu finden war, und die ich nun hier zeigen möchte.

Bild 1: zunächst noch einmal ein Überblick über den Blattquerschnitt, Vergrößerung 25x, Stapel aus 11 Bildern

Der Durchmesser des zusammengerollten Blattes beträgt ca. 2,65 mm.

Bild 2a/b: nun die Detailaufnahme, Vergrößerung 400x, Stapel aus 14 Bildern; Bild 2b mit Beschriftung


Asp : Assimilationsparenchym mit Chloroplasten
Skl  : Sklerenchym
Xl    : Xylem
T    : Trachee
Ph   : Phloem
Sz   : Siebzelle
GZ  : Geleitzelle
LbS : Leitbündelscheide
Ep   : Epidermis
H    : Haar
ST  : Stoma
SlZ  : Schließzelle
NZ  : Nebenzelle
AH  : Atemhöhle
Bu  : Bulliforme Zellen
TR? : Tracheiden? - Anastomosen! Danke, Detlef!

Auffällig ist hier der vom Leitbündel ausgehende Strang von Tracheiden (?), der in der Beuge des Assimilationsparenchyms ganz in der Nähe der bulliformen Zellen endet.
Die bulliformen Zellen sorgen durch Dehnung bei Wasseraufnahme und Schrumpfung bei Wassermangel dafür, dass das Blatt sich einrollt, wenn die Pflanze auszutrocknen droht - eine notwendige Anpassung an den Lebensraum des Strandhafers, der oft als Pionierpflanze auf Sanddünen starken Winden und intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist und dabei besonders im Sommer nicht immer genügend Wasser zur Verfügung hat.
Eingerollt ist das Assimilationsparenchym mit den Stoma gut geschützt und durch die sklerenchymbewehrte Außenseite des Blattes abgeschirmt.
Der Preis für diesen Schutzmechanismus ist die im eingerollten Zustand nur begrenzt mögliche Photosynthese.

Ob das Tracheidenbündel wohl der Wasserversorgung der bulliformen Zellen dient? Somit könnten sich diese sehr schnell ausdehnen und das Blatt ausbreiten, sobald genügend Feuchtigkeit zur Verfügung steht. Durch die dann wieder auftretende Verdunstung über die Stoma käme der Stoffwechsel in Schwung.
Was meinen die Botaniker: ist das eine legitime Interpretation oder irre ich mich?
Anmerkung: Detlef hat das Rätsel weiter unten gelöst, es handelt sich um schräg angeschnittene und daher unvollständige Teile der Quernervatur (Anastomosen), die die parallelen Leitbündel der monocotylen Blätter zu einem Netz verbinden. Schade, war 'ne schöne Idee mit den Wasserleitungen zu den Blasenzellen.  :D  

Herzliche Grüße
Jörg  

Edit: Anastomosen nachgetragen - grüner Text.
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

peter-h

Hallo Jörg,

wunderschöne Präparation und Aufnahme !
Könntest Du bitte etwas über den Schneidevorgang berichten. Wie war das Blatt befestigt? Paraffinschnitt?

Viele Grüße
Peter

Rawfoto

Hallo Joerg

Wie hast Du den Schnitt von diesem Blatt hinbekommen, ich meine Bild 1?!?

Paraffineinbettung ...?

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Peter,

vielen Dank für Dein Lob!

Geschnitten habe ich wie beim ersten Mal in der Möhrenzange mit dem Handzylindermikrotom und Leica Einmalklingen in Detlefs Halter. Das Verfahren habe ich im alten Thread beschrieben, Du findest es aber auch seit ein paar Tagen auf der Webseite des MKB unter "Botanische Mikrotechnik".

Lieber Gerhard,

siehe oben! Die Paraffineinbettung bekomme ich auf meinem Labortischchen nicht umgesetzt ...   ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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Rawfoto

Tja Joerg, Peter und ich hatten also parallel die gleichen Gedanken ... Es ist einfach unglaublich, dass Du das ohne Einbettung hinbekommen hast ...

Arbeitest Du eigentlich mit Paraffin, oder einem Ersatzstoff?

Macht immer wieder Freude von Dir gefordert zu werden ...

:-)

Gerhard
Gerhard
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beamish

Umwerfend schön!
Besonders die Übersicht.. und lehrreich die Detailaufnahmen.

Bewundernde Grüße,

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Fahrenheit

Lieber Peter,

danke für die Blumen!  ;)

Nicht ohne Einbettung - auch die Möhrenklammer ist ja eine Form der Einbettung. Freistehend würde man auch das relativ steife Blatt des Strandhafers nicht schneiden können.

Die klassischen Einbettungsverfahren habe ich noch nicht ausprobiert. Wie oben schon gesagt, fehlt mir der Platz für die Ausrüstung zur Paraffineinbettung. PEG werde ich wohl demnächst einmal probieren. Rolf-Dieter Müller und Jahn-Peter Frahm planen einen entsprechenden Workshop zum Schneiden von Moosen für das MKB.

Lieber Martin,

auch Dir vielen Dank für Dein Lob!

Herzliche Grüße
Jörg
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Rawfoto

Ja Joerg, das Platzproblem habe ich auch gerade und mein Weibchen hat's gar nicht gut aufgenommen das ich Objekttraeger im Wohnzimmer gereinigt habe ... Ich hab das mit Deinem Tisch schon gelesen, dachte aber Du arbeitest auch mit Freunden oder in der Gesellschaft und hast so schon derartige Erfahrungen sammeln koennen.

Bei uns in Wien steht so was leider fuer Heuer nicht am Programm, wuerde mich interessieren wie's war wenn Du erste Ergebnisse hast. Ich lese mich in das Thema gerade ein, eigentlich wuerde ich Heuer gerne erste Tests machen, es gibt schon viele filigrane Pflanzenteile von Interesse ...

:-)

Gerhard
Gerhard
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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

noch ein kleiner Nachtrag: die gezeigten Schnitte sind ca. 50 µm dick, dabei stammt die Detailaufnahme aus einem anderen Präparat als die Übersicht.

Von insgesamt elf Schnitten zeigt nur einer die seltsamen "Querleitungen" ins Assimilationsparenchym und auch bei den Präparaten vom vergangenen Sommer sind mir keine Aufgefallen.
Könnte es sein, dass es sich dabei um komplette Bündel inklusive eines Phloem-Anteils handelt, einfach um die Assimilationszellen besser zu versorgen? Der Strang scheint in einer kleinen Lakune zu enden, was auch an benachbarten Leitbündeln zu beobachten ist. Oder handelt es sich vielleicht um eine zufällige Missbildung?

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Lieber Gerhard, Du hast eine PN.  :)
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte. Der Schnitt ist wirklich toll und wunderbar abgelichtet.

Aber, zu Deiner Frage: bei Monocotylen verlaufen die Leitbündel in den Blättern parallel entlang der Längsachse. Was dabei oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass diese parallel verlaufenden Nerven durch "anastomisierende" Leitbündel verbunden sind. Diese sind sehr viel einfacher gebaut und werden daher leicht übersehen. Nimm einmal ein beliebiges Grasblatt und betrachte es bei kleiner Vergrößerung im Durchlicht. Dann wirst Du diese Anastomosen gut erkennen.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Holger Adelmann

Wieder ein Top Schnitt, lieber Jörg ! Von einem schwierigen Objekt noch dazu.

Hast Du mal die Farben bzw Brillianz von in Caedax eingebetteten Pflanzenschnitten mit anderen Einschlussmitteln verglichen?
Zumindest in der Tierhistologie unterdrückt der Brechungsindex von Caedax wirkungsvoll das Gewebestrukturbild, somit erhält man ein sehr leuchtendes Farbbild.
Allerdings ist das vermutlich bei Pflanzen differenzierter zu sehen und ist nicht so vorhersehbar im Ergebnis, da in einem Pflanzenschnitt u.U.Gewebe mit deutlich verschiedenen Brechungsindizes vertreten sind...

Herzliche Grüsse
Holger

Hans-Jürgen Koch

#11
Lieber Jörg,

ein super Schnitt und ein brillantes Bild (Überblick über den Blattquerschnitt).

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

#12
Liebe Pflanzenfreunde,

auch Euch noch einmal vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Detlef,

vielen Dank für die Aufklärung! Wenn man im Raven, Evert, Eichhorn etwas sucht - oder das Stichwort "Anastomosen" kennt, findet man den folgenden kleinen Eintrag auf Seite 668 (3. Auflage 2000) im Kapitel 26.5.3 "Leitbündel durchsetzen das gesamte Mesophyll":

Zitat.... Im Gegensatz dazu besitzen die meisten monocotylen Blätter viele Blattnerven von ungefähr gleicher Größe, die in Längstrichtung des Blattes parallel nebeneinander liegen. Bei diesen parallelnervigen (streifnervigen) Blättern (Abb 26-18b) sind die Längstnerven durch sehr viele kleinere Adern (Anastomosen) untereinander zu einem vollständigen Netzwerk verbunden.

Damit scheint das Blatt etwas schräg eingespannt gewesen zu sein, da die Anastomosen nur an einem Ende sichtbar werden und da nur jeweils bis etwa in die Mitte zwischen die benachbarten Leitbündel reichen.

Ich habe meine Schnitte nun noch mal genau durchforstet und einen mit AcriBEN gefärbten gefunden, bei dem man die komplette Verbindung zwischen zwei parallelen Nerven erkennen kann (Bilder dazu gibt es heute Abend). Bei einigen weiteren sind Anschnitte im Assimilationsparenchym zu erkennen, die ich nun auch zuordnen kann. Ich muss also noch genauer beobachten.

Die Legende zu Bild 2b oben habe ich korrigiert, meine Vermutungen lasse ich aber zum besseren Verständnis des Threads stehen.

Lieber Holger,

ich habe einmal mit den älteren Schnitten vom Strandhafer verglichen (ein Vergleich, der Dir ja auch bald möglich sein wird) und kann keine eindeutigen Vorteile für Caedax ausmachen. Vermutlich hast Du recht und die im Vergleich zu tierhistologischem Material recht unterschiedlichen Pflanzengewebe heben den Effekt auf bzw. liegen mit ihren Brechungsindizes so, dass das Caedax keinen Vorteil gegenüber dem Euparal hat. Zumindest nicht mit meiner einfacheren Leica-Optik ... .

Allen herzliche Grüße
Jörg
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liftboy

Hallo Jörg,
Wahnsinn, ich muss doch wohl mal einen Deiner Schnibbelkurse besuchen!
Gruß
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
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