Chromosomenmorphologie bei der Fruchtfliege Drosophila hydei

Begonnen von Holger Adelmann, März 10, 2011, 14:23:01 NACHMITTAGS

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Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

heute möchte ich ein Objekt vorstellen, das mir viele Stunden hochinteressanter Mikroskopie der Chromosomen-Morphologie beschert hat: Drosophila hydei.

Diese Fruchtfliege ist grösser als die übliche D melanogaster und hat auch sehr schöne und grosse Chromosomen.
Man bekommt einen Zuchtansatz bestimmt von einem Genetischen Institut einer nahen Uni.
Ein schöner Artikel zu Chromosomenuntersuchungen an D Hydei, auch zur sehr einfachen Zucht, ist von Friedhelm Göltenboth im Mikrokosmos Juli 1977 (211-216) erschienen.

Wie auch die den meisten Mikroskopikern bekannten Larven der roten Zuckmücke haben die Larven von D hydei in den Kernen der Speicheldrüse sehr schöne Polytänchromosomen. Man präpariert diese durch kurzes Fixieren der isolierten Spreicheldrüsenbläschen in Alkohol96%-Eisessig 3:1 (Auftropfen, 10 min warten, absaugen) und nachfolgendem Quetschen in 50% Essigsäure (Einwirkzeit ca. 15 min). Ich habe generell sehr gute Ergebnisse erzielt mit der unverzüglichen Betrachtung der Quetschpräparate im Phasenkontrast. Man kann aber auch wie gewohnt in Orcein- oder Karminessigsäure färben. Um eine Beschädigung der Objektive durch Essigsäuredämpfe zu verhindern trockne ich evt. am Deckglasrand befindliche Säure im kalten Luftstrom eines Föns weg und umrande das Deckglas dann mit Paraffinöl, welches auch gleichzeitig die Austrocknung verhindert.

Bild 1 zeigt eine solche Ansammlung im Phasenkontrast (Pl Apo 100:1)



Hochinteressant ist darüberhinaus die Untersuchung der Chromosomenstrukturen in den grossen Kernen der Spermatozyten am erwachsenen, männlichen Tier (s. o., Arbeit von Göltenboth). Diese Kerne zeigen eigenartige, immer wiederkehrende Strukturen, welche in den 60er Jahren als sog. Lampenbürstenstrukturen des Y-Chromosoms identifiziert wurden (z.B. Meyer & Hess, Chromosoma 16, 249-270, 1965).

Man isoliert die spiraligen Hoden im Stereomikroskop aus dem Hinterleib der männlichen Tiere in einem Tropfen Drosophila-Ringer (s. o., Arbeit von Göltenboth), notfalls 0,6% Kochsalzlösung, überträgt diese auf einen frischen Objektträger, wo man sie mit Scherenschnitten feiner Nadeln etwas zerreisst und dann durch Auflagen eines Deckglases quetscht. Dieses Frischpräparat ist mit Paraffinölumrandung einige Stunden bei nicht zu hoher Zimmertemparatur verwendbar.

Bild 2 und 3 zeigt den spiraligen Hoden (Ho) im Abdomenquerschnitt eines Drosophila Männchens (Paraffinschnitt, Azan)




Bild 4 zeigt recht gut die grossen blasigen, birnenförmigen Kerne Ke der Spermatocyten mit dem Nukleolus Nuc (Kernkörperchen) am "Stielansatz" der Birne.
Allerdings ist der weitere Kerninhalt durch die Fixierung und Färbung geschrumpft und verklumpt und erlaubt keine weitergehenden Untersuchungen.



Weitere Details sieht man sehr schön im oben beschriebenen Frischpräparat. Bevor ich diese Bilder zeige, zuerst noch eine schematische Darstellung der Lampenbürstenchromosomen des Y-Chromosoms (nachfolgendes Schema-Bild aus der Arbeit von Göltenboth), damit man die Strukturen besser zuordnen kann (ich habe bis auf das Kernkörperchen [bei mir Nuc] in meinen Fotos die gleichen Abkürzungen verwendet).

Bild 5: Schema



Bilder 6, 7, 8: Spermatocytenkerne im Frischpäparat (Phasenkontrast) Leitz Orthoplan, PL APO 100:1







Wie immer viel Spass bei Anschauen - und nachmachen (?)

Herzliche Grüsse
Holger




Bernhard Lebeda

Hallo Holger

wie hieß es drüben in der Forumsversammlung so schön: informative Bilder müssen nicht unbedingt schön sein.

Müssen nicht, aber können!!!

Und Du bist ein Meister darin.

Vielen Dank für diesen tollen Beitrag!


Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Fahrenheit

Lieber Holger,

da kann ich Bernhard nur zustimmen. Danke für den interessanten - und schönen - Beitrag!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

A. Büschlen

Hallo Holger,

ZitatWie auch die den meisten Mikroskopikern bekannten Larven der roten Zuckmücke haben die Larven von D hydei in den Kernen der Speicheldrüse sehr schöne Polytänchromosomen

Besten Dank für diesen Hinweis.
Das präparieren von Riesenchromosomen aus der Speichedrüse der Zuckmücke ist ja eine beliebte Praktikumsarbeit im Bio-Unterricht. Leider sind lebende Zuückmückenlarven nicht immer erhältlich. Da Drosophilas sehr einfach zum züchten sind, ergibt sich daraus eine gute Altenative.

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Ronald Schulte

#4
@Holger,
Wie immer; fast nicht zu übertreffen, ich versuche es dieses Jahr doch noch.

@Alle anderen,
Habe es vor einige Jahre her mal probiert die salivary glands (Speicheldrüsen) aus zu Präparieren. Viel Arbeit aber sehr schöne Prapariertechnik. So richtig zum lernen.
Ein Pärchen fangen geht sehr leicht mit ein Becherglas mit z.B. was zerquetschte Melone. Das mögen die Holländische Drosophila's auf jeden Fall sehr gerne.
Mann braucht das Dritte Stadium weil da die Zellen also auch die Chromosomen am Größten sind.
Mein größtes Problem war das entfernen das kleine randchen Fettgewebe gleich nebenan die Drüsen wie im Bild 8 zu sehen ist.
Entfernung ist absolut notwendig weil sonst die Färbung nach das Quetschen Trübe wird und nicht mehr brauchbar.









Die Mundteile sind schwarz zu erkennen.












Die auspraparierte und gefärbte drusse.


Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

A. Büschlen

Guten Tag Ronald,

besten Dank für diese wertvolle Ergänzung. Sie hilft mir, das Verfahren zu optimieren.

Freundliche Grüsse

Arnold Büschlen
Schwerpunkt z.Z.:
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RainerTeubner

Hallo,

wer an dem von Holger in der ersten Nachricht des Threads zitierten Mikrokosmos-Artikel als pdf-Kopie Interesse hat, kann mir eine PN senden.

Viele Grüße

Rainer Teubner
Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

Frank Fox

Lieber Holger,

ich schließe mich an.

Das ist ein sehr  interessanten und schöner Beitrag!
... mit vielen schönen Fotos;)
Danke.

Herzliche Grüße
Frank
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