Mikroskop Fr. Schindler Kassel 2128

Begonnen von warrel, Dezember 30, 2008, 19:45:10 NACHMITTAGS

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warrel

Liebe Mikro-Fans,
ich habe von den Großeltern ein Mikroskop mit der Aufschrift "Fr. Schindler Kassel  2128". Nun würde ich gerne wissen,
a) von wann das Gerät ist (Opa war seit ca 1952 Hausarzt)
b) wer der Hersteller ist und wo es weitere Infos gibt (Im iNet finde ich nichts über diese Firma).
c) Gibt es für solche Geräte einen Markt?



Schon jetzt vielen Dank für Hinweise und einen guten Rrrutsch!

Warrel

liftboy

Hallo Warrel

wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, saß die Firma Schindler in Kassel an der Fuldatalstraße kurz hinter dem Abzweig der Ihringshäuser Str. Die Gebäude existieren schon sehr lange nicht mehr; dort ist jetzt ein Farbengroßmarkt und andere Gewerbe. Ich durfte noch miterleben, wie dort Linsen geschliffen wurden, haupsächlich für Zieloptiken. Was aus eventuellen Restbeständen etc. geworden ist, weiß ich leider nicht. Schade, es war eine alte, ehrwürdige Firma. Etwas später hat es die Fa. Hertel und Reuss in der Wilhelmshöher Allee erwischt und kurz danach die Fa. Breitenbach direkt daneben in einer Seitenstrasse.
Schade, schade.
sic transit gloria mundi

Gruß
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Peter V.

Zitat von: warrel in Dezember 30, 2008, 19:45:10 NACHMITTAGS

c) Gibt es für solche Geräte einen Markt?

Warrel

Hallo!

Ja, gibt es. Aber erwarten Sie nicht zuviel. Derartige Geräte - von allen möglichen aktuellen und "ausgestorbenen" herstellern - stehen in der elektronischen Bucht massenweise, die Preise sind nicht allzu hoch. Sicher gibt es einige Sammler, aber keine richtige Mikroskopsammler-"Szene", wo abgehobene Preise für solche Geräte gezahlt werden ( wie es das in manchen anderen Bereichen der Technik gibt ).
Polieren Sie es auf Hochglanz ( aber vorsichtig!!!, bitte nicht mit Scheuermilch und Co. ), machen schöne Fotos und setzen es ein. Bei dem zu erwartenden Preis wäre es aber auch zu überlegen, ob man sich das schöne Stück nicht lieber selbst in den Schrank stellt.

Herzliche Grüße
Peter

Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Hugo Halfmann

Mal ´ne ganz andere Frage - sowas drängt mich immer bei solcherlei Technik - Sauriern - funktioniert das Gerät noch, kann man etwas sehen ?

Dann wär´s ja mal interessant, wie der Opa zu arbeiten...

Auch wenn mich die Präzisions- "Fanatiker" jetzt in der Luft zerreissen: das Gerät kann nicht mit den heutigen konkurrieren, das ist klar.
Aber ich fotografiere bisweilen auch mit einer Box-Kamera oder einer Rollei obwohl ich eine Digitalkamera besitze. Macht einfach Spaß.
Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann

alemanne

Hallo!

Die Firma Fr. Schindler gehörte zum ,,Wetzlarer Kreis" des Mikroskopbaus. Dazu zählte Leitz, Seibert, Hertel&Reuß und einige andere. Diese Firmen benutzten eine mechanische Tubuslänge von 170 mm und eine Abgleichlänge der Objektive von 37 mm. Bei der Abgleichlänge der Okulare haben sich nicht alle beteiligten Firmen an die Leitz Vorgaben gehalten (18 mm). Hier sind geringe Unterschiede zu erwarten. Die Zusammenarbeit der Firmen reichten von Auftragsfertigungen bis zur kostenreduzierenden Verwendung des gleichen Stativ-Modells. Nach dem Foto zu urteilen scheint das Schindler-Stativ mit dem Stativ von Hertel&Reuß identisch zu sein. Baujahr etwa Anfang der 1950er Jahre.

Das gezeigte Mikroskop ist ein Instrument mit gehobener Ausstattung. Dies zeigt sich am dreh- und zentrierbaren Objekttisch mit stabilem Präparateführer und dem höhenverstellbaren ,,großen Beleuchtungsapparat" nach Abbe, der neben der üblichen Durchlichtbeleuchtung auch eine definierte ,,schiefe Beleuchtung" zulässt. Beide Teilegruppen scheinen leider in einem sehr vernachlässigten Zustand zu sein.
Über die Objektive und das Okular lässt sich aufgrund des Fotos keine Aussagen machen. Nach dem Zustand des Objekttischs (Schimmelbefall?) aus zu urteilen vermute ich, dass die Optiken so stark verschmutzt oder gar blind sind (Glaskorrosion oder Fungusbefall), dass sie kaum mehr in einen brauchbaren Zustand versetzt werden können.
Wenn ich das ehemals wertvolle Mikroskop im gezeigten Zustand bekäme, würde ich wie folgt vorgehen:

1. Beleuchtungsapparat demontieren, reinigen und Dezentrierungsgetriebe neu fetten. Eventuell die Lamellen der Irisblende vorsichtig mit Benzin reinigen und gut trocknen lassen, aber nicht ölen oder fetten. Der Blendenmechanismus kann etwas Uhrmacherfett vertragen. Er muss sich satt leichtgängig und ohne Geräusch bewegen lassen. Geringe Beschädigungen der Kondensorlinsen (leichter Fungusbefall, kleine blinde Stellen und kleine Kratzer) sind für die Funktion nicht von erheblicher Bedeutung.

2. Der Objekttisch ist wahrscheinlich nicht kugelgelagert. Er ist auf einem kräftigen Stahlring montiert und läuft feineingepasst in einem feststehenden Stahlring, der seinerseits auf dem Objekttischträger montiert ist. Als Gleitschicht dient hochvisköses Fett zwischen den Ringen. Der einfache Aufbau macht es möglich, dass man sich ohne weiteres an die Demontage, Reinigung, Neufettung und Montage wagen kann. Möglicherweise sind aber die Stahlringe zusammengebacken oder –gerostet. Dann hilft nur ein längeres Bad in einem Rostlösemittel. Der Objekttisch ist mit einer Hartgummischeibe von etwa ½ bis 1 mm Stärke belegt. Vielleicht genügt es, die Scheibe mit einem Gummipflegemittel zu reinigen, wenn sie unbeschädigt ist (z.B. mit "Armor"; gibt es da, wo man Lackpflegemittel für Autos kaufen kann). Ansonsten müsste man eine geeignete Folie ausschneiden und völlig plan mit einem Kautschukkleber auflaminieren. Den Präparateführer ebenfalls reinigen und fetten.

3. Das Stativ mit einem in ,,Spüliwasser" getauchten Schwammtuch abwischen, dann gut trocken reiben und mit einem Lackpflegemittel (z.B. Autowachs für Neuwagen, welches keine Schleifkörper enthält) aufpolieren. Die blanken Teile mit einem Silberputztuch abreiben, aber nicht den Spiegel! Der Grob- und der Feintrieb sollte eine Werkstatt neu fetten, weil man dazu oft Spezialwerkzeuge braucht. Für diese Arbeit habe ich vor einem Jahr 20 Euro bezahlt.

4. Und dann würde ich bei einem Händler für gebrauchte Mikroskope (z.B. Herr Immel in Göttingen oder mikroskop-online) nach einem passenden Leitz Objektivsatz und einem passenden Okular fragen.

5. Und schlussendlich würde ich das Mikroskop in meinen Schrank stellen und mich daran freuen. Warum? Der erzielbare Preis für das nicht aufbereitete Mikroskop wird sicherlich enttäuschend sein. Eine Aufbereitung in einer Fachwerkstatt ist wegen der erforderlichen Geduldsarbeit teuer und wohl nicht mehr lohnend. Also selber machen, für dieses Mikroskop braucht man nur Geduld, Ausdauer und eine ruhige Hand!

für Herrn Halfmann:
Ja, man kann mit einem solchen "Technik-Saurier" auch etwas sehen! Ich habe für ein paar Mark ein ähnlich desolates Instrument mit gleicher Ausstattung gekauft, es wie oben beschrieben aufbereitet und mit einem alten Leitz-Objektivsatz bestückt. Wenn ich bei meinem ZEISS Standard den Monotubus mit einem C10x Okular montiere, gibt es bildmäßig keine sichtbaren Unterschiede zwischen dem "Technik-Saurier" und dem 40 Jahre jüngeren Standard, zumal ich beide köhlern kann. Sicher, ein Binotubus mit Weitfeldokularen und Planoptik im Revolver ist schon etwas Feines...Und lässt sich unverkrampfter bedienen!

Herzlichen Gruß
HG