Die Sache mit der Hilfslinse beim Zeiss Standard

Begonnen von Nomarski, April 25, 2011, 22:26:54 NACHMITTAGS

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Nomarski

Hallo zusammen,

obwohl die Thematik schon vor einiger Zeit durchgekaut wurde, habe ich kürzlich ein paar Anfragen bekommen, ob es nun besser wäre mit oder ohne dieser Hilfslinse am Kondensorträger zu arbeiten.

An meinem Zeiss Standard WL verhält sich das folgendermaßen:

Sei als Beispiel diese Pleurosigma angulatum genommen. Das verwendete Objektiv ist ein Planachromat 40/0,65 PH2, der Kondensor ein 0,9er mit klappbarer Frontlinse 46 52 70 und PH-Einrichtung (IIZ).
Das Objekt ist wie es in der Anleitung steht fokussiert und geköhlert bei eingeklappter Hilfslinse, nur eben nicht so recht aufgelöst.


Wenn ich mir nun das Bild dazu in der Bertrandlinse anschaue, kann ich erkennen, daß in dieser Einstellung der Kondensor mit der Apertur von 0,9 es nicht schafft, die Apertur des Objektives von 0,65 auszuleuchten. Auch wenn ich die Höhe des Kondensors noch verändere, wird es nicht besser.


Wenn ich diese Hilfslinse nun ausklappe und den Kondensor in eine passende Höhenposition bringe und die Leuchtfeldblende im Fuß entsprechend öffne, wird es auch möglich, die Apertur des Objektives auszuleuchten. Das Bild des Objektes dazu ist dadurch um einiges heller, jedoch auch kontrastarm.


Mit der Iris läßt sich durch Abblenden der Kontrast erhöhen, jedoch auf Kosten der Auflösung. Es wird daher empfohlen, nicht mehr als 1/3 abzublenden. Bei Objeketen, wo es nicht auf die hohe Auflösung ankommt, kann auch so verfahren werden.


Eine Methode den Kontrast zu erhöhen und trotzdem die Auflösung zu erhalten ist die ringförmige Beleuchtung, die sich jedoch auch nicht bei allen Objekten anwenden läßt.


Mit einer noch größeren Zentralblende kann mit diesem 0,9er Kondensor und dem 40/0,65er Objektiv noch Dunkelfeld betrieben werden:



Mit der Hilfslinse im Strahlengang wäre dieses an diesem Stativ mit diesem Kondensor nicht möglich.

Bei stärkeren Objektiven verhält sich das ähnlich, bei schwächeren Objekiven wie z.B. dem 10/0,22 entsteht widerum mit Hilfslinse kein Aperturverlust.

Viele Grüße
Bernd




Gunther Chmela

Hallo Bernd,

gut, dass Du das hier geschrieben hast! Es entspricht dem, was ich - nach diesbezüglicher Korrespondenz mit Dir - auch ausprobiert und herausgefunden habe. Man muss sich dabei nur von der Maxime "Köhler über alles!" freimachen, denn mit Köhler geht da nichts mehr. Man sieht aber: Es geht auch ohne!

Beste Grüße!
Gunther

P.S. Deine Pleurosigma könnte aber auch mit Ap. 0,65 unter günstigen Umständen bereits Auflösung zeigen. Nichts für ungut!

Michael W.

Hallo Bernd,

danke für diese schönen Bilder, dadurch wird die Theorie des Ein- und Ausklappen anschaulicher.
Ist der Qualitätsgewinn durch das Ausklappen der Hilfslinse bei Pleurosigma angulatum merklich oder gering?

Viele Grüße
Michael
Am liebsten per "Du"

Nomarski

Hallo Michael,

ZitatIst der Qualitätsgewinn durch das Ausklappen der Hilfslinse bei Pleurosigma angulatum merklich oder gering?

Das kommt auf die Pleurosigma an. Manche Exemplare lassen sich mit dem 40er im Phasenkontrast noch auflösen, andere dagegen schon nicht mehr. Ich hatte beide Fälle. Man muß zum Vergleich schon die Grenzfälle heranziehen.

Viele Grüße
Bernd

Gunther Chmela

Hallo Michael,

Zitat von: Nomarski in April 25, 2011, 23:14:53 NACHMITTAGS
Das kommt auf die Pleurosigma an.

So ist es! Die "Normalform" lässt sich u.U. sogar im Hellfeld (geköhlert) mit Ap. 0,65 einigermaßen auflösen. Es gibt aber sehr deutliche Abweichungen. Ich habe z.B. ein Präparat von var. quadratum (Präp. Ullrich), dort wird die Struktur mit Ap. 0,65 eindeutig aufgelöst (alle drei Streifensysteme). Es gibt aber auch andere, ebenfalls der äußeren Form nach var. quadratum, die erst mit 0,85 oder 0,95 aufzulösen sind.

Man kann aber sagen: Mit gut eingestelltem RFB ist die "Normalform" von Pleurosigma angulatum von einem Achromaten 40/0,65 eindeutig aufzulösen.

Gunther Chmela

Michael W.

Hallo Bernd, Hallo Gunther,

vielen Dank für die Antworten. Ich hätte nicht gedacht, dass es bei Pleurosigma so große Schwankungen gibt. Wenn mein 40/0,65 also Pleurosigma plötzlich nicht mehr ganz auflösen kann, ist nicht das Objektiv kaputt, sondern dann habe ich nur eine andere Art erwischt.  :D

Viele Grüße
Michael
Am liebsten per "Du"

Nomarski

Hallo Michael,

ZitatWenn mein 40/0,65 also Pleurosigma plötzlich nicht mehr ganz auflösen kann, ist nicht das Objektiv kaputt, sondern dann habe ich nur eine andere Art erwischt. 

Oder deine Frontlinse ist nicht eingeschwenkt, weil du zuvor noch mit dem Plan 2,5 gearbeitet hast zum Suchen des Deckglases, unter der die Pleurosigma ist. ;D

Viele Grüße
Bernd

Nomarski

Als Nachsatz hier noch das Beispiel mit der Kombination Planapo 40/0,95 und dem 0,9er Kondensor 46 52 70:


Als Ausgangspunkt mal wieder die geköhlerte Einstellung. Die Ausleuchtung reicht gerade mal bis zum äußeren Rand des Phasenringes. Die Aperturblende des Kondensors ist voll geöffnet, die Hilfslinse im Strahlengang.


Fährt man den Kondensor gegen den oberen Anschlag, läßt sich die Ausleuchtung geringfügig verbessern.


Sobald die Hilfslinse ausgeklappt und der Kondensor entsprechend abgesenkt wird, läßt sich die Ausleuchtung der Objektivapertur nahezu vollständig erzielen. Die Leuchtfeldblende ist dabei mal wieder zu öffnen. Die maximale Auflösung des Objektives läßt sich nun so ausnutzen, sofern man sie benötigt.


Jürgen Boschert

Hallo Bernd,

irgendwie bin ich jetzt total verwirrt: Laut den Zeiss-Angaben soll doch die Hilfslinse genau das bewirken, was Du hier ohne sie erzielst. Hast Du vielleicht die falsche Hili eingebaut - es gab ja verschiedene.

Beste Grüße !

JB
Beste Grüße !

JB

Nomarski

Zitat von: Jürgen Boschert in April 26, 2011, 21:04:56 NACHMITTAGS
Hallo Bernd,

irgendwie bin ich jetzt total verwirrt: Laut den Zeiss-Angaben soll doch die Hilfslinse genau das bewirken, was Du hier ohne sie erzielst. Hast Du vielleicht die falsche Hili eingebaut - es gab ja verschiedene.

Beste Grüße !

JB

Hallo Jürgen,

welche wäre denn nun falsch und welche richtig?  ???

Viele Grüße
Bernd

Detlef Kramer

Hallo,

ich neige eigentlich eher dazu, die Sache pragmatisch zu betrachten, ohne jetzt alle die Datenblätter und Beschreibungen der verschiedenen Kondensor-Typen von Zeiss-West zu kennen.

Die Hilfslinse wurde doch eingeführt, weil die ursprünglichen Abbe-Kondensoren noch lange nach Einführung des Standard-Konzepts so gerechnet waren, dass sie die Feldblende im "Unendlichen", also bei ca. 30 cm erwarteten. Dann bildeten sie diese in der Objektebene scharf ab in der optimalen Stellung kurz unter der Objektträger-Unterseite. Da beim Standard die Feldblende aber ca. 40 mm unter dem Kondensor angebracht ist, müsste man den Kondensor absenken, um die Feldblende scharf abzubilden. Hier greift genau die Hilfslinse, indem sie die Brennweite des Kondensors verkürzt - man kann ihn in die optimale Lage bringen.

Nun hat es aber offenbar auch zu den früheren Standard- und Universal-Zeiten Kondensoren gegeben, die so konstruiert waren, dass sie die Feldblende ohne Hilfslinse, in einer Stellung ganz oben, scharf abbilden konnten, mit jedoch überhaupt nicht.

Ich habe beide Typen und ich stelle das so ein, wie es optimal funktioniert. Ich denke, so ist auch Gunthers Einwurf zu interpretieren.

Ich meine, es wäre gut, sich daran zu erinnern, dass, ganz unabhängig von den Köhler-Regeln, der Kondensor möglichst weit oben sein sollte, Frontlinse kurz, d.h. nicht mehr als 1 mm unter dem Objekträger. Und wenn dann die Feldblende nicht scharf zu bekommen ist, muss die Hilfslinse halt raus.

Im Übrigen bekomme ich auch die "schwierige" Pleurosigma-Unterart (Lieder-Testpräparat) mit N.A. 0,65 aufgelöst, jedoch nicht mit einem 0,65 PH-Objektiv im Hellfeld - das ist grenzwertig. Mit PH dann wieder ohne Probleme (getestet z.B. an einem Axiostar plus mit A-Plan).

Herzliche grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Gunther Chmela

#11
Zitat von: Detlef Kramer in April 26, 2011, 22:32:12 NACHMITTAGS
Ich habe beide Typen...

@ Detlef
Welche Typen von Kondensoren meinst Du (siehe meine folgende Frage an Bernd)? Übrigens beträgt der Abstand der Feldblende zum Kondensor beim WL etwa 10 cm.

@ Bernd
Es gibt offenbar für das Standard Kondensoren, die unterhalb der Iris eine Feldlinse haben, und solche ohne. Bei denen mit der Feldblende ist es sinnvoll und wahrscheinlich sogar notwendig, ohne Hilfslinse zu arbeiten. (Dann kann man, wenn man unbedingt will, auch noch köhlern. Und der Kondensor steht dann immer noch sehr weit oben.) Bei denen ohne Feldblende kann ich keinen echten Gewinn feststellen.

Daher die Frage: Könnte es sein, dass die Kondensoren mit Feldblende für den Fall "Lichtquelle im Unendlichen" gerechnet waren? Immerhin gibt es sogar für das Standard WL einen Spiegel, den man an Stelle des Feldblenden-Einsatzes verwenden kann. Auch eine Version des Junior (mit Kondensor in Steckhülse) hatte so einen Kondensor mit Feldblende - und dieses Mikroskop war ja hauptsächlich für die Verwendung mit Sonnenlicht gedacht.

Grüße an alle!
Gunther


Gunther Chmela

#12
Ein Nachtrag:

Es wurde hier bereits der Verdacht geäußert, der Klappkondensor 0,9 (mit Feldlinse) habe in Wirklichkeit nur eine Apertur von 0,7. Dazu ein Vergleich:

1. Der achr.-apl. Satzkondensor (er hat keine Feldlinse!) leuchtet mit Frontlinse 0,63 (!!!) die Apertur des Objektivs 40/0,75 genauso gut (besser gesagt schlecht) aus wie der Klappkondensor 0,9. Eher macht er das sogar besser.

2. Derselbe Satzkondensor mit Frontlinse 0,9 leuchtet die genannte Apertur vollständig aus, was der Klappkondensor, um das noch einmal zu wiederholen, nicht tut.

Die geschilderten Beobachtungen wurden unter exakten Köhler-Bedingungen gemacht - mit eingeschwenkter Hilfslinse.

G. Ch.

Nomarski

#13
Hallo Gunther,

ZitatDaher die Frage: Könnte es sein, dass die Kondensoren mit Feldblende für den Fall "Lichtquelle im Unendlichen" gerechnet waren? Immerhin gibt es sogar für das Standard WL einen Spiegel, den man an Stelle des Feldblenden-Einsatzes verwenden kann. Auch eine Version des Junior (mit Kondensor in Steckhülse) hatte so einen Kondensor mit Feldblende - und dieses Mikroskop war ja hauptsächlich für die Verwendung mit Sonnenlicht gedacht.


Man muß bedenken, daß das Standard Junior keine Einbauleuchte hat mit komprimierten optischen Wegstecken, die mit Linsen ausgeglichen werden müssen. So läßt sich das Junior nach Köhler'schen Verhältnissen mit der externen Standleuchte betreiben, an dessen Lichtausgang auch die Leuchtfeldblende ist. Zwischen dem Kondensor mit Feldlinse unter der Iris bis zu den Lamellen der Leuchtfeldblende ist in diesem Fall auch keine weitere Optik bis auf den Umlenkspiegel. Beim WL ist dagegen die Leuchtfeldblende fernab vom eigentlichen Kollektor, daher auch nochmal eine Linse vor dem Umlenkspiegel im Fuß.

Zitat2. Derselbe Satzkondensor mit Frontlinse 0,9 leuchtet die genannte Apertur vollständig aus, was der Klappkondensor, um das noch einmal zu wiederholen, nicht tut.

Die geschilderten Beobachtungen wurden unter exakten Köhler-Bedingungen gemacht - mit eingeschwenkter Hilfslinse.

Nimm dazu ein Standard RA oder GFL, dann klappt das wieder. ;)

ZitatEs wurde hier bereits der Verdacht geäußert, der Klappkondensor 0,9 (mit Feldlinse) habe in Wirklichkeit nur eine Apertur von 0,7.
Daß er die Apertur von 0,9 doch hat, habe ich ja gerade gezeigt, indem ich die Brennebene des Objektives mit der Apertur von 0,95 fast vollständig ausleuchten konnte. Anscheinend braucht dieser Kondensor dazu aber einen breiteren Strahlenkegel am Eingang.

Viele Grüße
Bernd

Gunther Chmela

#14
Hallo Bernd,

Zitat von: Nomarski in April 27, 2011, 09:08:07 VORMITTAG
Daß er die Apertur von 0,9 doch hat, habe ich ja gerade gezeigt, indem ich die Brennebene des Objektives mit der Apertur von 0,95 fast vollständig ausleuchten konnte. Anscheinend braucht dieser Kondensor dazu aber einen breiteren Strahlenkegel am Eingang.

genau das habe ich doch gemeint! Ich mache ja auch diese Beobachtung. Und diese Verhältnisse ergeben sich daraus, dass dieser Kondensor eine Feldlinse hat (siehe Satzkondensor 0,9 ohne Feldlinse, dort wird die Apertur des Objektivs auch mit Hilfslinse ausgeleuchtet).

Damit wir nicht aneinander vorbeireden, muss ich noch einmal sagen: Ich glaube, dass Deine (und auch meine) Experimente, ohne die Hilfslinse zu arbeiten, nur mit den Kondensoren funktionieren, die eine Feldlinse haben.

Einräumen muss ich allerdings, dass meine Erkenntnisse ausschließlich das WL betreffen. Ein anderes Mikroskop habe ich nicht (mein Junior KF ist momentan überhaupt nicht zum Köhlern eingerichtet).

Beste Grüße!
Gunther