Das LEITZ A-Stativ mit Binokulartubus nach Jentzsch - M. stellen ihr M. vor

Begonnen von Florian Stellmacher, Mai 22, 2011, 18:33:16 NACHMITTAGS

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Florian Stellmacher

Leitz A-Stativ mit Binokulartubus nach Jentzsch

Das Mikroskop, das ich heute vorstellen möchte, ist ein großes Mikroskop von Ernst Leitz Wetzlar aus dem Jahre 1922 (lt. anderer Tabelle offenbar 1924). Das A-Stativ mit dem noch recht gründerzeitlich anmutenden schweren Messingfuß zeichnet sich dadurch aus, das neben dem großen Monokulartubus, der auch für photographische Zwecke ausgelegt ist, auch ein Binokulartubus montiert werden kann.





Offenbar inspiriert durch das von Carl Pulfrich 1904 konstruierte Vergleichsmikroskop, dessen Teilerprisma aus zwei Einzelprismen aufgebaut war, deren Kittflächen vor dem Zusammenkitten mit einer halbdurchlässigen Verspiegelung versehen wurden, stellte Ernst Leitz Überlegungen über einen Binokulartubus an. Felix Jentzsch, Assistent an der Giessener Universität, wurde mit der Entwicklung eines entsprechenden Tubus betraut. Der Biokulartubus nach Jentzsch war 1913 serienreif. Er ermöglichte ein binokulares Sehen bei Verwendung aller Okulare und Objektive des Leitz-Sortiments. Die Okularstutzen waren als Schlitten in einem Bereich von 54 bis 70 mm über ein zentrales Stellrad parallel zu verschieben, einer war mit einem Dioptrienausgleich ausgestattet. (Gerlach: Geschichte der Mikroskopie, Frankfurt 2009, S 246ff). Die Verspiegelung der Kittschicht ist als grundsätzliches Konstruktionsprinzip bis heute erhalten geblieben (Moe: The Story of the Microscope, Dänemark 2004, S 178f). Der zunächst fest eingebaute Tubus wurde später auswechselbar, wobei als Zubehör für monokulare Mikroskope auch ein nachrüstbarer Tubus ins Programm aufgenommen wurde.

Mein Mikroskop verfügt über einen Wechselschlitten, der es erlaubt, die Tuben mit wenigen Handgriffen zu tauschen. Hierbei wird ein kleiner Klemmhebel gelöst und der Tubus in seiner Führung nach oben heraus gezogen und der entsprechende Wechseltubus von oben wieder hinein gesteckt und festgeklemmt. Diese Konstruktion sollte im Wesentlichen bis zum Ortholux erhalten bleiben!







Das B-Stativ ist enorm schwer, das Mikroskop allein wiegt bereits 7 kg – ohne Transportschrank. Es ist ein großer dreh- und zentrierbarer Kreuztisch montiert, dessen Gängigkeit einstellbar ist. Das Mikroskop verfügt über einen großen Abbeschen Beleuchtungsapparat. Der 3-fach-Revolver ist mit den Achromaten 2, 4 und 6 bestückt. Mitgeliefert wurden ein Okularpaar 4x, jeweils ein mit ,,0", ,,2" bzw. ,,3" graviertes Okularpaar, zwei Compens Okulare 18x sowie ein Oklarpaar 8x, das bereits die Gravur ,,Periplan" trägt. Ferner gehören ein großer Monokulartubus mit aufsteckbarer Blende sowie ein Drehtisch mit zwei Halteklammern zum Lieferumfang.

Das Mikroskop weist durchschnittliche Gebrauchsspuren auf, die Mechanik ist in Ordnung, abgesehen vom X-Trieb des Kreutisches, der gelegentlich aushakt; Spiegel und Optik sind einwandfrei. Man kann mit dem Mikroskop problemlos auch heute noch arbeiten, sofern man über eine entsprechende Lichtquelle oder ausreichendes Tageslicht verfügt. Das Bild ist absolut akzeptabel, das Gesichtfeld allerdings recht klein.

Was ich an dem Mikroskop mag? Kein Leitz wie jedes andere – schön und binokular!

Außerdem darf der Binokulartubus nach Jentzsch wohl als Meilenstein in der Mikroskopentwicklung angesehen werde. Die ersten Konstruktionen sind übrigens erhalten geblieben: die unlackierten Tuben liegen in der letzten Vitrine der Beck'schen Sammlung im neuen Rathaus in Wetzlar.



Das Nachfolgemodell, das bereits mit einem geneigten Biokulartubus mit Umlenkprisma ausgestattet ist, hat es bin in die Höhle des Löwen geschafft - es steht im Optischen Museum Jena.



Herzliche Grüße,
Florian



Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Robert Götz


Hallo Florian,

was für eine Seriennummer hat das Mikroskop? Das wäre bei Leitz immer interessant.

Meines hat 212394, müßte also etwa aus der gleichen Zeit stammen.
Aber es hat einen anderen, schlanker wirkenden Fuß



Noch etwas anderes:
Diese hochinteressanten Vorstellungen mit soviel Hintergrundwissen (da kann ich nur neidisch sein) sollten unbedingt in einer eigenen Rubrik gesichert werden, damit sie nicht nach einiger Zeit unauffindbar nach hinten rücken.
In diesem Fall könnte ich dann diesen Beitrag löschen, damit er nicht stört.

Gruß
Robert

Florian Stellmacher

Hallo Robert,

mein Mikroskop hat die Nummer 217835.

Ich finde, dass Dein Beirag meinen sinnvoll ergänzt, er stört gewiss nicht!

Ich fände es wirklich gut, wenn wir eine Rubrik "Mikroskopiker stellen ihr Mikroskop vor" einrichten könnten. Sehr gerne würde ich auch die Mikroskope anderer Forumsteilnehmer kennen lernen - gleichgütig ob historisch oder rezent. Aber das ist Sache der Administratoren (räusper räusper!)...

Beste Grüße,
Florian
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Jürgen Ibs

Hallo,

zwei sehr schöne Mikroskope, Roberts mit einem gefälligen "Jugendstilfuß".

Zeiss kritisierte übrigens das von Leitz entwickelte Binokular, weil sich beim Verstellen des Augenabstandes der Okulare die Tubuslänge verlängerte. Bildqualität und Vergrößerung würden dadurch leiden. Beide Firmen lieferten sich darüber einen Werbekrieg. Bei Zeiss legte man nach Gerlach, S. 748, Wert darauf, dass alle für die Mikroskopoptik theoretisch zu fordernden Bedingungen auch praktisch erfüllt sein müssten. Zeiss brachte 1920 das Bitumi und 1925 das Bitukni auf den Markt, ausgestattet mit dem von Siedentopf entwickelten binokularen Tubusaufsatz.

Vielleicht hat ja jemand eines der ersten Zeiss Binokulare. Ein Vergleich wäre sicher reizvoll. Interessant ist sicher auch die Frage, ob die Zeissianer mit ihrer Kritik Recht hatten oder ob das alles nur Theorie ohne praktische Auswirkung war, wie Leitz behauptete ?

Grüße

Jürgen
Ein freundschaftliches "du" ist immer willkommen - nicht nur dadurch ist das benachbarte Skandinavien vorbildlich.

Meine Vorstellung:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34.0

Florian Stellmacher

Lieber Jürgen,

ZitatVielleicht hat ja jemand eines der ersten Zeiss Binokulare.

Ja, habe ich! Hier zum Vergleich das Zeiss F-Stativ mit Binokulartubus nach Siedentopf:



Stativ schon Art Déco aber mit lackiertem Messing (wurde bei späteren Modellen vernickelt), offenbar etwas jünger als das Leitz B (vielleicht stelle ich das Mikroskop mal etwas eingehender vor).

Da beim Siedentopf-Tubus beide Tubusrohre wie beim Feldstecher geknickt und nicht verschoben werden, bleibt konstruktiv bedingt die Tubuslänge konstant.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
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Klaus Herrmann

Hallo Florian,

etwas unübersichtlich durch den vielen "Schrott" im Hintergrund! ;D ;D ;D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Robert Götz


Vielleicht noch als Ergänzung:
Dieses - wohl etwas jüngere - Mikroskop der Firma Bausch&Lomb, die heute zum Leica-Konzern gehört, sieht sehr ähnlich aus.
Im Gerlach heißt es dazu, dass Bausch&Lomb den Tubus nach Jentzsch von Leitz übernommen hat.



Gruß
Robert



Florian Stellmacher

Lieber Robert,

ich habe auch zumindest schon Mikroskope von Busch und Reichert mit einem entsprechenden Tubus gesehen.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
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Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

ortholux

Lieber Robert,

das ist sicher kein Stativ B. Es ist zu klein und der Tubus ist offensichtlich nicht wechselbar.

In den 20er und 30er Jahren gab es eine Vielzahl an Stativen und Bezeichnungen, die offensichtlich auch wechselten. Dein Stativ ist ein C, D, E.... oder eins mit Nummer. IV, VII..... das ging für den nicht eingeweihten sehr durcheinander.

Die großen Stative hießen A oder B oder auch Universalmikroskop. Diese hatten wechselbare Tuben und Revolver. Welche übrigens auch an Panphot und Ortholux passen.

Es gab dann Zeiten, in denen alles etwas sortierter zuging. Das war in den 30er Jahren.

Das Stativ A unterschied sich vom B durch das Intervall am Feintrieb. A: 0,001 mm, B: 0,002 mm. Außerdem durch den Heb- und senkbaren Objekttisch beim Stativ A.
Die Stative C, D, E, F waren offensichtlich identisch - nur anders ausgestattet. Dann kamen die "Kleinen" G und das noch kleinere H, das es auch mit zusammenklappbarem Fuß als Reisemikroskop gab.

Irgendwann in den 50er Jahren gab es offensichtlich nur noch das B als großes Mikroskop. Mit verstellbarem Objekttisch.

Das ist alles, was ich so zusammentragen konnte.

Tut mir leid, daß das wirr ist, aber besser gings nicht.

Viele Grüße
Wolfgang


ortholux

#9
Und jetzt zum Stativ B.

Erstmal vielen Dank an Dich, lieber Florian. Das B, oder wie die Stative dieser Familie dann letztendlich alle hießen, ist ein wunderbares Gerät, mit dem es sich nach wie vor prima arbeiten lässt. Auch die Ausbaufähigkeit ist enorm. So gab es viele Komponenten des Ortholux auch für diese Stative. Allerdings leicht modifiziert. So war die Tubuslinse nicht im Revolver sondern im Tubus untergebracht.

Hier zwei jüngere "B"s



Links #385649, rechts #311776
Das rechte hat einen großen Beleuchtungsapparat a. Der Fototubus ist identisch mit dem früher Panphots mit integrierter Tubuslinse. Und der Tisch ist immer noch der von Florians Gerät, allerdings mit weniger sichtbarem Messing.





Und hier zwei noch jüngere aus den 50er Jahren:





Links #402792 (Modell B Me), rechts #422388 (Biopol)
Das Biopol gab es natürlich auch für Durchlicht mit Kondensor und Revolver mit Folienpolarisator.

***edit: Es handelt sich bei beiden um das größere "A". Links B Me, rechts KPM. Das Biopol basiert auf dem kleineren B-Stativ***

Der Beleuchtungsapparat ist übrigens ein Original. Weitaus weniger elegant als man sich so etwas von Leitz wünscht. Mit umschaltbarem Beleuchtungsstrahlengang für eine externe Kohlebogenlampe.






Und selbstverständlich gab es das "B" auch als Polarisationsmikroskop mit Prismenpolarisator und fokussierbarer Bertrandlinse.

***edit: Auch hier handelt es sich um ein "A". Nämlich das AM Polarisationsmikroskop***



Foto: ebay (http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=300558404818&ssPageName=STRK:MEWAX:IT)

Soviel zum "B".

Wolfgang


Robert Götz


Zitatdas ist sicher kein Stativ B. Es ist zu klein und der Tubus ist offensichtlich nicht wechselbar.

In den 20er und 30er Jahren gab es eine Vielzahl an Stativen und Bezeichnungen, die offensichtlich auch wechselten. Dein Stativ ist ein C, D, E....

Lieber Wolfgang,

stimmt. Es dürfte wohl ein Stativ C sein. Ich habe inzwischen eine Abbildung gefunden in dem Buch "Mikroskope von Ernst Leitz in Wetzlar" von
Rolf Beck. Auf Seite 74.
Auf Seite Seite 72 ist auch das Stativ B abgebildet, mit dem wuchtigen Fuß wie auf den Bildern von Florian.
Aber ist der Tubus mit der Wechselvorrichtung nicht unabhängig vom Stativ?
Das Stativ von Bausch&Lomb sieht fast genauso aus wie das Stativ C und dort ist der Jentzsche Tubus mit dem nach oben herausnehmbaren Teil,
wobei der Revolver am Stativ verbleibt, dran.

Das aber nur abschließend, schließlich befasst sich dieser thread mit dem Stativ B.

Gruß
Robert

ortholux

Hallo Robert,

die Wechselvorrichtung ist DAS Merkmal der großen Stative A, B und Unmik.

'nacht
Wolfgang

ortholux

Noch ein Nachtrag.

Die Kompatibilität der Zubehörteile zu beschreiben ist mir noch wichtig.

Wie oben schon erwähnt, sind die Schwalbenschwanzführungen für Revolver und Tubus identisch mit denen des Panphot, bzw. Ortholux und des Laborlux.
Die älteren B-Stative (bis 40er Jahre) haben, wie das frühe Panphot der 30er Jahre, die Tubuslinse im Tubus. Der Halter für Revolver oder Zangenwechsler ist lediglich ein kleiner Winkel ohne Optik.





Ab den 50ern war das Konzept anders. Die Stative wurden deutlich größer (rechts 30er Jahre B, links 50er Jahre B)



und nahmen die Dimensionen des Laborlux an, mit dem sie auch die Komponenten teilten.



Mechanisch passt das alles auch ans Ortholux, es gab aber ein anderes Konzept. Das Trägerstück war ungefähr doppelt so hoch wie das des Ortholux. Der Ultropak links oben ist ein Ortholux-Teil, die anderen gehören zu Laborlux, bzw. Stativ B.



Das Laborlux hatte seine Tubuslinse im Revolver. Ob das beim B auch so war, weiß ich nicht, weil ich keins habe, das ursprünglich mit Revolver ausgerüstet war. Kann mir diesbezüglich jemand weiterhelfen?



Eine Besonderheit war der Opak-Illuminator für Unendlich-Objektive. Zangenwechsler und Tubus waren mit Stiften codiert, damit sie nicht mit anderen Komponenten vertauscht werden konnten. Hier war die Unendlich-Tubuslinse nämlich im Tubus.



So, genug verwirrt?

Viele Grüße
Wolfgang


ortholux

#13
Noch ein Nachtrag:

Da ich nun endlich eines biologischen Stativ B habhaft werden konnte, kann ich jetzt die Frage nach dem Sitz der Tubuslinse beantworten:



Stativ B: im Tubus, Laborlux: im Revolver

Schönen Sonntag noch!
Wolfgang

rhamvossen

Hallo Florian,

Das ist wieder ein sehr schönes Mikroskop. Woher bekommst du diese Geräte in so einem guten Zustand? Ich selber habe auch das gezeigte Zeiss-Jena Binokular, den Zustand ist aber sehr weit entfernt von das auf deinem Foto. Beste Grüsse,

Rolf