Botanik: Gagelstrauch (Myrica gale), was für Freunde seltener Biere :-) *

Begonnen von Fahrenheit, Juni 14, 2011, 20:03:14 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fahrenheit

Liebe Pflanzenschnibbler,

heute möchte ich Sprossquerschnitte vom Gagelstrauch (Myrica gale) zeigen. Dessen Blätter wurden früher schon mal als Hopfenersatz beim Bierbrauen genutzt, dazu aber später mehr.

Der Gagelstrauch (Myrica gale), auch Gagel genannt, gehört zur Familie der Gagelstrauchgewächse (Myricaceae). Er steht auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzenarten (gesetzlicher Schutz in Deutschlang gemäß BArtSchV - Bundesartenschutzverordnung: nicht besonders geschützt) und ist in Europa die einzige Art der Familie Myricaceae.
Der Gagel ist ein laubabwerfender Strauch, der zwischen 0,5 und 1,5 m hoch wird. Seine beidseitig behaarten Blätter sind bei bis zu 6 cm Länge und 1 cm Breite auf der Oberseite leicht glänzend dunkelgrün und auf der Unterseite matt hellgrün. Sie sind dicht mit Drüsen besetzt, die  ätherische Öle mit a-Penin, D- und Y-Cadinen und Limonen absondern und haben einen charakteristischen, aromatisch bitteren Geschmack.
Die Gagelsträucher sind zweihäusige Pflanzen (diözisch), die weiblichen Blüten stehen in kurzen, die männliche in länglichen Ähren (Kätzchen) ab. Die Blütezeit liegt zwischen April und Juni. Die Früchte sind braune, 3-spitzige trockene Steinfrüchte.

Der Gagelstrauch wächst vorwiegend an den Rändern von Mooren und feuchten Heiden des atlantischen Klimabereichs. Er ist verbreitet in Nordamerika und Nordwesteuropa, hier vor allem in den küstennahen (niederschlagsreichen) Gebieten Großbritanniens, Belgiens, der Niederlande, Polens, Dänemarks, Südwestnorwegens sowie Süd- und Mittelschwedens. Auch im Norden Deutschlands kommt der Gagel in passenden Habitaten vor, so reicht sein Verbreitungsgebiet bis ins Niederrheinische Tiefland, die Westfälische Bucht (Münsterland, Senne), das westliche Schleswig-Holstein, die Niederlausitz, Mecklenburg-Vorpommern und das nördliche Niedersachsen. Verbreitungskarte aus dem FloraWeb.
Einer seiner südlichsten Standorte in Deutschland liegt in der Nähe von Siegburg. Dort wurde er von den Mönchen der Siegburger Abtei neben einer Fischteichanlage angepflanzt und hat sich bis heute in einer schönen Population erhalten. Das gesamte Gebiet steht mittlerweile unter Naturschutz. Wen also die Schnibbelwut überkommt, kann sich im Pflanzenhandel bedienen, z.B. bei den Baumschulen Eggert.  

Warum pflanzten Mönche Gagel? Nun, als Hopfenersatz zum Bierbrauen. Verschiedene mittelalterliche und neuzeitliche Rezepte finden sich auf der folgenden, englischsprachigen Seite:
http://www.gruitale.com/bot_bogmyrtle.htm

Eines sei hier kurz angedruckt, statt Honigwasser kann auch Gerstenmalz-Brühe ("wash") verwendet werden. Dazu wird gemälzte Gerste in Wasser angesetzt und nach Auskochen abgegossen.
ZitatRezept für Gagel-Bier:
Ein Glas mit Gagelblättern füllen und messen wieviel Wasser benötigt wird um die Blätter gerade zu bedecken.
Die Hälfte dieser Wassermenge zum Sieden bringen und mit Honig 6:1(6 Teile Wasser) mischen. Wenn die Flüssigkeit siedet, wird sie über die Gagelblätter gegossen, die dabei vorsichtig zusammengepresst und gestampft werden. Dann kommt die gleiche Wassermenge (ohne Honig) dazu. Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur wird soviel Bierhefe eingerührt, dass die Mischung bald kräftig schäumt. Die Gagelblätter entfernt man anschließend und lässt den Bieransatz eine Woche arbeiten. Entstehender Oberflächenschaum wird abgeschöpft und das Gebräu wird in ein Fässchen oder einen Steintopf gefüllt. Noch nicht in Flaschen denn es könnte noch weitergären, deshalb auch die Gefäße noch offenlassen, denn beim Umfüllen kann die Gärung noch einmal kurzfristig angekurbelt werden. Nach einmonatiger Lagerung kann das Bier getrunken werden. Besser soll es ab dem ersten Frostwochenende schmecken.

Auch die Nutzung als Heilpflanze ist belegt:
ZitatDie ganze Pflanze ist gewürzhaft und
ein russisches Volksmittel gegen chronische
Gicht und solchen Rheumatismus. Man trinkt
ein Loth davon auf drei Tassen Wasser heiss,
und wartet den Schweiss ab.

Georg Friedrich Most - 1843

Es sei aber darauf hingewiesen, dass der Gagelstrauch in den Blättern z.B. alpha-Pinen (Summenformel: C10H16) und in den Früchten z.B. Myrigalon E mit der Summenformel C18H20O4 enthält. alpha-Pinen gehört zu den Terpenen und ist ein organisches Lösungsmittel, das auch in Haushaltsreinigern immer häufiger zum Einsatz kommt.

Bild 1: Illustration zum Gagelstrauch aus "Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz", Gera 1885 von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé (Quelle www.biolib.de)


Hier noch einige Bilder vom Standort nahe Siegburg:

Bild 2: das Biotop im Überblick


Bild 3: Der Gagelstrauch


Bild 4: Ein Zweig mit einem Blütenstand vom Vorjahr


Nun aber zur Präparation:

- Objektfixierung ca. 15 mm langer Sprossstückchen in AFE für drei Tage

- Lagerung in Ethanol/Wasser/Glyzerin (1:1:1)
 (zwei Drittel Ethanol 50% und ein Drittel Glyzerin)
- Überführen in Ethanol 70%

- Schnitt mit Zylindermikrotom und Leica Einmalklingen im Halter,
 Schnittdicke ca. 50 µm

- Spülen in Ethanol 70%
- Stufenweises Überführen in Aqua dest.

- Bleichen mit Klorix 1:4 bis zum Verblassen der Rinde (ca. 3 Minuten)
- Stopp der Bleiche mit Wasser
- Sehr gut spülen

- Färben mit Rolf-Dieter Müllers neuer Wacker-Simultanfärbung (W3Asim I)
 - ca. 6 Minuten im W3Asim I Gemisch
   Astrablau/Acriflavin/Acridinrot(50% Ethanol) im Verhältnis 3:2:2
   für die Färbung 1:10 mit Aqua dest. verdünnt
 - Einmaliges leichtes Erhitzen bis zum Dampfen (ca. 60 - 70 Grad)
 - gründlich Wässern

- Entwässern in reinem Isopropanol (mehrmaliger schneller Wechsel) und Eindecken in Euparal.

Und nun die Schnittbilder vom Spross:

Bild 5: Übersicht, Vergrößerung 50x, Stapel aus Bildern

Der Durchmesser des Stämmchens beträgt ca. 3 mm. Die Rinde und das Rindenparenchym sind etwas überfärbt.

Bild 6a/b: etwas näher heran, Bild 6b mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 9 Bildern.


Das Stämmchen ist im dritten Jahr, was man schön am Holzteil (Xylem) erkennen kann. Die einzelnen Wachstumsabschnitte sind durch dunkler werdende grüne Linien gekennzeichnet.
Immer am Anfang der Wachstumsperiode wird Frühholz mit vielen großen Tracheen gebildet, am Ende im Herbst enthält das Xylem nur wenige noch kleinere Gefäße.

Von innen nach außen:
Ep   : Epidermis
Pe   : Periderm
RP   : Rindenparenchym
SKL : Sklerenchym
Pl    : Phloem
Ca   : Cambium
Xl    : Xylem mit Tracheen (T)
MS  : Markstrahl
PMS: Primärer Markstrahl
Ma   : Mark

Bild 7: Ein Blick auf die äußeren Schichten des Querschnitts, Vergrößerung 200x, Stapel aus 13 Bildern

Schön zu sehen ist der Aufbau von der Epidermis über Phellem und Rindenparenchym mit eingelagertem Sklerenchymnest zum Phloem. Darauf folgen die backsteinförmigen Cambiumzellen und schließlich das Xylem mit Markstrahlen und Tracheen.
Interessant finde ich die Struktur in den großen ovalen Zellen des Rindenparenchyms.

Bild 8: Xylem und primäres Xylem, Vergrößerung 200x, Stapel aus 9 Bildern


Bild 9: Ein Blick auf's Mark, Vergrößerung 400x, Stapel aus 13 Bildern

Schön sind die Tüpfel in den recht massiven Zellwänden der Markzellen zu erkennen.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit 15.06.2011: Korrektur der Präparationsbeschreibung
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

diese Fotos sind wirklich gut gelungen und damit natürlich auch die Schnitte. Ich kann daran nichts kritisieren. In dem Bereich, den Du mit Rindenparenchym bezeichnest, sind außen auch Phelloderm-Zellen zu erkennen. Allerdings kann ich die Grenze nicht erkennen.

Alles in Allem: Bravo!

Herzliche Grüße,

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Jan Kros

Hallo Jög
Ich schliesse mich Detlef an , wunderschöne Bilder und Schnitten.
Gruss
Jan

Rawfoto

Hallo Joerg

Wieder absolut spitze geworden, tolle Formen, gefaellt meiner Beate und mir wieder sehr gut ...

Dein Fan aus Wien, immer noch in Bulgarien

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Liebe Freunde,

herzlichen Dank für Euer Lob!

Lieber Detlef,

mir ist es genau so gegangen und daher habe ich mich an den Wanner gehalten (Mikroskopisch-Botanisches Praktikum, 1. Auflage 2004, S. 201).
Nur sollte es statt Phellem Periderm heißen, was ich nun korrigiert habe.

Allen herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Mila

Lieber Jörg,

ein wunderschöner Beitrag zu dieser Heilpflanze! :)
Klasse!

Selbstverständlich kommt diese Doku in meine Sammlung.
Hast Du das Rezept schon ausprobiert?

Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

Liebe Mila,

auch Dir vielen Dank für Dein Lob!

Nein, das Rezept habe ich noch nicht probiert.
Leider hatte mein Bäumchen dazu zu wenig Blätter. Und Wildern dürfen wir ja leider nicht.

Du hast nicht zufällig einen Gagel im Kamilarium?  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

mit Periderm bist Du natürlich auf der sicheren Seite, denn das ist ja der Überbegriff. Allerdings zeigt Deine Pfeilspitze schon eindeutig auf das Phellem. Darunter kann man Phellogen und Phelloderm nicht gut erkennen und vor allem sieht man die Grenze zwischen Phelloderm und primärer Rinde nicht. Ich würde mir da keine Sorgen machen, denn die können sehr ähnlich sein.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

ein toller Beitrag.

Du schreibst: "Die Rinde und das Rindenparenchym sind etwas überfärbt". Dieses Problem hatte ich gerade beim Färben des "Speierlings".
Eine Vorbehandlung mit Chlorix hat geholfen.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Holger Adelmann

TOP Beitrag., lieber Jörg - und einwandfreier Schnitt  :)

Herzliche Gruesse
Holger


Eckhard

Lieber Jörg,

der Schnitt gefällt mir sehr gut, aber ich finde die Färbung etwas "düster". Aber Du weisst ja, ich liebe die warmen Farben bei botanischen Schnitten. Es wäre bestimmt mal interessant, dass gleiche Material frisch zu schneiden, um die Wirkung der neuen Färbung von Rolf-Dieter vergleichen zu können.

Herzliche Grüsse
Eckhard

Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Fahrenheit

#11
Liebe Freunde,

abermals vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Detlef,

ja, das war es ja. Eine Unterscheidung habe ich mir nicht zugetraut, da ich kein Phellogen ausmachen konnte.  ;)
Eine Möglichkeit wäre eventuell, dass die zwei Reihen Zellen mit dunkleren Zellwänden am Außenrand des Rindenparenchyms in Bild 7 schon Bestandteil des Periderms sind.
Ich gestehe aber gerne, dass ich bei der Bestimmung des Periderms immer noch etwas unsicher bin, solange kein lehrbuchhafter Aufbau vorliegt.

Lieber Hans-Jürgen,

danke für Deinen Hinweis! Ich habe gleich noch mal in mein Laborbuch geschaut: ich hatte für ca. 3 Minuten mit Klorix 1:4 gebleicht, dies aber beim Schreiben meines Eingangsbeitrags vergessen zu erwähnen - genau so wie die Lagerung in Ethanol, Glyzerin und Wasser für 4 Wochen zum Erweichen des Holzes.
Die Präparationsbeschreibung habe ich nun vervollständigt.

Vielleicht würden frische Schnitte mit Schnittfixierung eine weniger düstere Färbung ergeben, wie Eckhard vermutet. Leider kann ich das nicht prüfen, da ich mein Pflänzchen aufgebraucht habe: was nicht fixiert ist, ist auf dem Kompost.

Lieber Eckhard,

wie ich oben schon schrieb, kann ich die Probe mit Frischmaterial leider nicht antreten. Eine weitere Möglichkeit wäre auch, dass nicht nur die Blätter sondern auch das Rindenparenchym des Gagels ätherische Öle und Terpene enthält. Der Effekt ist ja ähnlich wie bei Deiner Zedernnadel: zu viel Acridinrot an Stellen, wo wir es eigentlich nicht erwarten würden.

Sicher spielt auch das W3Asim I Gemisch eine Rolle. Rolf-Dieter und ich wollen morgen noch einmal eine Variante testen, die einen höheren Anteil an Astrablau erhält. Der hier verwendete Ansatz beruht ja auf einer noch weiter verdünnten Mischung von Astrablau, Acriflavin und Acridinrot im Verhältnis 3:2:2. Wir werden einmal 4:1:1 testen.

Allen herzliche Grüße!
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rolf-Dieter Müller

Zitat von: Fahrenheit in Juni 15, 2011, 20:34:34 NACHMITTAGS
...
Sicher spielt auch das W3Asim I Gemisch eine Rolle. Rolf-Dieter und ich wollen morgen noch einmal eine Variante testen, die einen höheren Anteil an Astrablau erhält.
...

Lieber Jörg,

und vor allen Dingen W3Asim II, die statt Astrablau das Alcianblau enthält. Ich habe soeben reichlich Lösung angesetzt, so dass Du auch davon einiges mitnehmen kannst. Mit 5 Teile Wasser verdünnt ergibt es eine auf nichtverholzte Zellstrukturen leichter aufziehende Färbung, die sicher Eckhards Vorstellung auch näher kommt.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

David 15

Hallo Jörg,

Mal wieder ein schöner Augenschmaus  :D
Der Schnitt ist richtig schön und auch die Bilder sind super !

Viele Grüße
David
''Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.'' ( Albert Schweitzer)

Vorstellung: ''Hier''

Fahrenheit

Lieber Rolf-Dieter,

auch hier nochmal vielen Dank für den tollen MKB-Abend gestern - die Ergebnisse wird es schon bald auf unserer Webseite geben.


Lieber David,

auch Dir vielen Dank für Dein Lob!

Euch beiden herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM