HISTOLOGIE: Akute Pankreatitis

Begonnen von Florian Stellmacher, November 21, 2009, 19:27:52 NACHMITTAGS

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Florian Stellmacher

Liebe Freunde der Histologie,

da anscheinend der eine oder andere im Forum Feuer gefangen hat, möchte ich heute einen weiteren histopathologischen Fall vorstellen.

Die Bauchspeichendrüse (das Pancreas) ist ein Organ, das sich aus zwei Drüsenanteilen zusammensetzt. Einerseits wird in Ihr eine Reihe von Verdauungsenzymen zur Spaltung von Eiweißen, Zucker und Fett hergestellt, die über ein Gangsystem in den Zwölffingerdarm (Duodenum) abgegeben werden. Der hierfür verantwortliche, ein Drüsensekret ,,nach außen" abgebende Anteil der Bauchspeichedrüse wird exokrines Pancreas genannt. Andererseits bildet die Bauchspeichendrüse auch Insulin und Glucagon, die bei der Regulation des Glukosestoffwechsels eine zentrale Rolle spielen. Diese Stoffe gelangen von der Bauchspeicheldrüse direkt ins Blut und werden im endokrinen Pancreas gebildet.

Histologisch ist der überwiegende Teil der Bauchspeicheldrüse aus Drüsenläppchen aufgebaut, die zum exokrinen Anteil gehören. Nur diese sind auf dem ersten Bild erkennbar und sollen uns heute interessieren. Das endokrine Pancreas besteht aus den Langerhans'schen Inseln, die man z.B. hier sehr schön erkennen kann http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Langerhanssche_Insel.jpg

Bild 1:
Man erkennt Gruppe aus Drüsenzellen, die sog. Läppchen oder Acini. Diese sind – aus gutem Grund – von reichlich Bindegewebe umhüllt. In diesen Zellen werden Enzyme gebildet, die z.B. Fleisch bei der Verdauung zersetzen. Daher ist es natürlich nötig, dass die Zellen ihre Produkte in den schleimhautüberkleideten Darm und auf keinen Fall direkt ins Gewebe abgeben. Ferner ist das Pancreas von reichlich Fett umgeben. Z.B. im rechten oberen Bildanteil sieht man außerdem noch einen Gang des Ausführungssystems.
HE, Zeiss Plan Neofluar 10x



Kommt es zu einer schweren akuten Schädigung dieses Gewebes, führt dies zu einer Entzündung, zur akuten Pankreatitis.
Neben selteneren viralen Infekten, Arzneimittelnebenwirkungen, Verletzungen oder mangelnder Durchblutung bei Kreislaufschock ist bei Frauen häufig ein eingeklemmter Gallenstein der Auslöser einer Pancreatitis; der Stein verlegt den gemeinsamen Ausführungsgang von Gallen- und Pankreasgang, sodass sich der Verdauungssaft in die Bachspeicheldrüse zurück staut. Bei Männern ist der Alkohol, vor allem Hochprozentiges, der weitaus häufigste Auslöser. Einersets schwillt die Einmündung des Ganges (Papille) im Zwölffingerdarm infolge einer Sauftour an, was einen Rückstau bewirkt. Andererseits reagieren die Drüsenzellen des exokrinen Pancreas sehr empfindlich auf Ethanol. Dies kann einerseits zu einer chronischen Entzündung führen, bei der das Bindegewebe deutlich vermehrt wird, oder aber einen fulminanten akuten Verlauf nehmen, den man auf den folgenden Bildern sehen kann.
Das grundsätzlche Prinzip ist hierbei folgendes: Die Verdauungsenzyme werden durch die Zellschädigung nicht ins Gagsystem sondern direkt in das Pancreasgewebe abgegeben! Hierdurch verdaut sich das Organ selbst; diese sog. Autodigestion bewirkt eine heftige akute Entzündungsreaktion. Das Vertrackte dabei ist, dass die Gewebsschädigung sich hierbei selbst unterhält: Die Zellen werden geschädigt, es entsteht eine Nekrose, die sich jedoch von der Nekrose beim Herzinarkt unterscheidet. Die Koagulationsnekrose des Myokardinfarkts führt zu einer Gerinnung der Proteine. Im Pancreas kommt es z.B. durch die fettverzehrende Lipase zu einer verflüssigenden Kolliqualtionsnekrose, die sich immer weiter ausdehnt, wobei immer wieder Verdauungsenzyme ins Gewebe gelangen. Werden größere Gefäße angegriffen, kommt es zu z.T. heftigen Blutungen – dieses Bild nennt man hämorrhagische Nekrose.

Bild 2
Das Pancreas wurde hier quer durchgeschnitten, sodass man am unteren Rand den längs aufpräparierten Pancreasgang erkennt. Dieser wird von blassgelbem Pancreasgewebe umgeben. Hierin sieht man sich nach außen hin ausdehnende weißliche Nekrosen, die dann an der Organoberfläche in eine ausgedehnte hämorrhagische Nekrose übergehen. Dieses zerstörte Gewebe muss operativ entfernt werden. In diesem Falle kam allerdings jede Hilfe zu spät.



Bei der Selbstverdauung des Pancreas sowie des angrenzenden Fettgewebes kommt es zu chemischen Prozessen, die dem Seifensieden ähneln. Daher nennt man die Pancreanekrose auch ,,verseifende" Nekrose.

Bild 3
Aufgrund chemischer Reaktionen bei der Selbstverdauug und Entzündung des Pancreas fallen Calciumsalze aus, die als typische sog. Kalkspritzernekrosen imponieren.



Bild 4a + b
Histologisch lassen sich die Veränderungen gut nachvollziehen: Man erkennt weitgehend intaktes Pancreasparenchym mit einer sich von rechts ins Bild schiebenden Kolliquationsnekrose (a).
Auf Bild b erkennt man zusätzlich das rot angefärbte Blut.
HE, Zeiss Plan Neofluar 2,5x

a


b


Bild 5
Hier ist noch einmal die Nekrose stärker vergrößert. Das Gewebe erscheint tatsächlich regelrecht verdaut, sogar die bei der Entzündung in Massen beteiligten neutrophilen Granulozyten und Makrophagen werden aufgelöst, sodass man nur noch blaue Trümmer ihrer Kerne erkennt.
HE, Zeiss Plan Neofluar 20x



Vielleicht ja auch interessant.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

derda

Hallo Florian,

ich bin schwer beeindruckt. Eine Selbstverdauung im eigenen Körper, bspw. durch übermäßigen Alkoholkonsum ausgelöst.

Vieleb Dank für diese Dokumentation.

Erik W.

Jürgen Boschert

Hallo Florian,

einfach Klasse. Wenn das die angehenden Kollegen spitz kriegen, bevölkern die das Forum und ersetzen glatt Ihre Patho-Vorlesung mit Deinen Beiträgen.

Mehr !

JB
Beste Grüße !

JB

Druse

Hallo Florian,

vielen Dank für diese super Doku!!! Wieder etwas gesehen, was ich theoretisch kenne und noch eine Menge gelernt.

Ich musste schmunzeln über das Pankreas, wir wurden so darauf geschult.

Kennt jemand den Taschenatlas der Pharmakologie? Bei Prof. Mohr habe ich Vorlesungen und Seminare zur Physio- und Pharmakologie gehört und mein 2. StEx absolviert. Montagmorgen, 8 ct und der Hörsaal war für eineinhalb Stunden brechend voll!

Herzliche Grüße
Mila

Florian Stellmacher

Der Kuschinski - Lüllmann - Mohr Mohr? Wo war denn das?
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
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Druse

Genau dieser Mohr. In Bonn, Prof. Mohr ist ein absoluter Topp-Dozent!!!

Einer meiner Vorbilder!


sirdul

Hallo Florian,

bitte mehr davon! Die Dokumentation ist nicht nur interessant, sondern auch lehrreich und hilft mit der Beschreibung das Bild zu verstehen.
Zwei Fragen zu Bild 1.: Handelt es sich um einen Querschnitt gleich Bild 2 ?
Der Gang des Ausführungssystem ist es das rundliche, innen weiße und von einem Kranz aus roten und schwarzen Zellen ( oder Zellen mit Zellkernen ) umgebende Gebilde rechts im oberen Drittel ? Wenn ja,sehe ich dann links davon noch drei weitere ?

Besten Dank für die Antworten und die Doku

Ludger Benning

Florian Stellmacher

Hallo Ludger,

richtig, die runden Strukturen mit dem würfelförmigen Epithel sind die Ausführungsgänge, die in den auf Bild 2 erkennbaren Hauptgang (Ductus pancreaticus, Syn: Duct. Wirsungianus) münden. Du hast recht, auch die kleineren rudlichen Gebilde gehören dazu.

Bild 1 zeigt Pancreas aus einer beliebigen Stelle, also irgendwo herausgeschnitten. In diesem Falle ist es sogar so, dass das Gewebe nicht mal aus dem Pancreas stammt sondern aus einem sog. heterotopen Pancreas, das im Fettgewebe des Dünndarms gefunden, und operativ entfernt wurde. Da ich eigentlich nie Normalbefunde fotografiere, war ich froh, dieses Bild von "normalem" Pancreas in meinem Blderfundus zu finden. Hier ist eigentlich schon zu viel Bindegewebe vorhanden, im Grunde sieht aber jedes Pancreas eines beliebigen holsteiner Bauern mit durchschnittlichem Schnapskonsum so aus. Also - im Grunde schon fast "normal".

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
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Ronald Schulte

Florian,

Ich suchte mich was hier so alles schon über den Pancreas geschrieben wurde und da kam dein Beitrag aus 2009 vorbei.
Diesen kannte ich gar nicht aber wirklich ein super Dokumentation.
Solche Beitragen mussten eigentlich mehr geschrieben worden.

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Dieter Stoffels

Hallo Florian,

vielen Dank für diese tolle Dokumentation. Bei einem derart geschädigten Pancreas braucht man wohl keinen besonderen Wert  auf eine ideale Gewebefixierung zu legen. Es ist immer wieder beeindruckend welche Schäden langzeitlicher Alkoholkonsum an den verschiedenen Organen (Leber, Gehirn, usw.) verursacht. Leider hilft diese Erkenntnis meistens nicht denen, die sich zum Komasaufen verabreden.

Nochmals vielen Dank!

Dieter