Botanik: Sprossende Überraschung - die Osterluzei (Aristolochia clematitis) *

Begonnen von Fahrenheit, Juni 26, 2011, 10:31:18 VORMITTAG

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

im März diesen Jahres hat Peter Höbel hier einmal einen sehr schönen Querschnitt einer tropischen Aristolochia - Art (Pfeifenblume) aus einem Präparat von Robin Wacker gezeigt. Der besondere Querschnitt mit den von breiten Markstrahlen unterbrochenen Leitbündeln hat mir sehr gut gefallen, und ich wollte schauen, ob dieser bei der einzigen in Deutschland vorkommenden Verwandten, der Osterluzei (Aristolochia clematitis), ebenso aufgebaut ist.
Es hat eine Weile gedauert, entsprechendes Material zu finden aber nun möchte ich einige Bilder zeigen und wie immer ein wenig dazu erzählen.  ;)

Die Osterluzei, auch Wolfskraut genannt, wurde schon in der Antike als Heilpflanze genutzt (z.B. empfahlen griechische und römische Ärzte unterschiedliche Aristolochia-Arten als Mittel gegen Schlangenbisse, zur innerlichen und äußerlichen Wundbehandlung und bei Geschwüren). Weiterhin sollten Zubereitungen von Aristolochia clematitis die Geburt erleichtern - darauf deutet auch der wissenschaftliche Name hin, in dem aus dem Griechischen aristos (das Beste) und lockeius (zum Gebären gehörig) steckt.

Aufgrund dieser medizinischen Anwendungen wurde die Pflanze auch im Norden Europas verbreitet. Da sie wärmeliebend ist, pflanzte man sie oft an geschützte Stellen an den Rändern von Weinbergen, wo sie auch heute noch vergleichsweise häufig zu finden ist - zumindest, falls der Weinberg zwischendurch keiner Flurbegradigung zum Opfer gefallen ist. Überhaupt sollte sie nicht schwer zu finden sein:
Zitat... in Europa ziemlich weit verbreitet, aber wahrscheinlich nicht ursprünglich (möglicherweise durch Weinbau eingeschleppt) und tritt stellenweise sehr häufig auf (Weinberge, Gebüsche, Hecken, Zäune, Feldränder.).

Ganz so einfach war es dann aber doch nicht. Die Suche an den Weinbergen der Umgebung blieb erfolglos, im System des Botanischen Gartens Bonn gab es im Frühjahr nur ein paar frische Triebe zu sehen und ein bekannter Standort in der Nähe des rechtsrheinischen Brückenkopfes der Südbrücke in Bonn schien verweist. Der Führer zu naturkundlichen Exkursionen in der Umgebung von Bonn (S. 87 ff.) konnte aber einen weiteren Standort bei Bad Breisig aufzeigen, an dem die Pflanze regelmäßig in einer größeren Population zu finden ist.

Bild 1: frische Triebe der Osterluzei im System des Botanischen Gartens Bonn (Mitte April 2011)


Bild 2: Ein Teil des Standorts bei Bad Breisig im Überblick


Ein wenig zur Pflanze selbst

Die Gewöhnliche Osterluzei (Aristolochia clematitis) gehört zur Familie der Osterluzeigewächse (Aristolochiaceae) in der Ordnung der Pfefferartigen (Piperales). Sie ist eine mehrjährige krautige Pflanze mit Wuchshöhen zwischen 30 und 100 Zentimeter, deren oft kriechende Sprossachse leicht bricht. Die Osterluzei besitzt ein stark verzweigtes Rhizom, das unterirdisch weite Strecken wächst und so für die vegetative Ausbreitung der Pflanze am Standort sorgt. Sie verströmt einen angenehmen, leicht fruchtigen Geruch und besitzt charakteristische herzförmige Laubblätter mit einer tiefen Ausbuchtung am Übergang des langen Blattstiels in den Blattspreit.

Bild 3: die blühende Pflanze mit ihren charakteristischen Blättern


Aristolochia clematitis blüht zwischen Mai und Juni. Die eigenartig geformten gelben Blüten entspringen zu  je zwei bis acht in den Achseln der oberen Blätter. Sie sind gestielt, oben tütenförmig, gehen in eine innen mit nach unten stehenden Haaren bedeckte Blütenröhre über, die sich dann unten zu einem Blütenkessel bauchig erweitert. Somit bilden sie eine Falle für besuchende Insekten, die durch die Behaarung der Blütenröhre gefangen gehalten werden. Nachdem die Blüte bestäubt wurde, erschlaffen diese Haare und die mit Blütenstaub beladenen Insekten können entweichen. Junge Blüten stehen dabei fast aufrecht an ihrem Stiel, ältere, befruchtete Blüten hängen nach unten.

Bild 4: die Blüten


Die vielsamige Frucht ist anfangs grün, später dunkelbraun bis schwarz mit einem Durchmesser von 1 bis 2 Zentimetern.

Bild 5: eine unreife Frucht


Die Wurzeln der Osterluzei enthalten bis zu einem Prozent Aristolochiasäuren, der Gehalt in den Blättern liegt unter 0,1 Prozent aber auch die Samen enthalten nicht unbeträchtliche Mengen der Säuren. Die flüchtigen, wasserunlöslichen Aristolochiasäuren gelten als nierenschädigend und als krebserzeugend. Weiterhin enthält die Pflanze ca. 0,4% ätherische Öle, Gerbstoffe und Clematinin, Alkaloide und Saponine sind nicht vorhanden.
Aufgrund der Giftigkeit und der cancerogenen Wirkung der Aristolochiasäuren wird die Osterluzei heute nicht mehr als Heilpflanze genutzt.

Bild 6: natürlich darf auch eine Illustration der Osterluzei nicht fehlen

Aus der Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz; Otto Wilhelm Thomé, 1885, Gera, Germany, public domain.
Am gezeigten Querschnitt ist auch der Aufbau der Blüte gut zu erkennen.

Zur Präparation:

Zunächst zum Präparat von Klaus Herrmann:

Dieses enthält einen über 50 Jahre alten Schnitt (Ebay-Fund in Ethanol), den Klaus auf der Kornrade 8 zunächst in Wasser überführt und dann nach W3A gefärbt hat. Der Einschluss erfolgte nach Entwässerung über Isopropanol in Euparal.
Lieber Klaus, Dir nochmals herzlichen Dank für dieses interessante Präparat!

Und nun zu meinen eigenen Schnitten:

- Objektfixierung ca. 15 mm langer Sprossstückchen in AFE für drei Tage
- Überführen in Ethanol 70%

- Schnitt mit Zylindermikrotom und Leica Einmalklingen im Halter,
 Schnittdicke ca. 50 µm

- Spülen in Ethanol 70%
- Stufenweises Überführen in Aqua dest.

- Färben mit Rolf-Dieter Müllers neuer Wacker-Simultanfärbung (W3Asim II)
 - ca. 6 Minuten im W3Asim II Gemisch
   Astrablau/Acriflavin/Acridinrot(50% Ethanol) im Verhältnis 4:1:1
   für die Färbung 1:5 mit Aqua dest. verdünnt
 - Einmaliges leichtes Erhitzen bis zum Dampfen (ca. 60 - 70 Grad)
 - gründlich Wässern

- Entwässern in reinem Isopropanol (mehrmaliger schneller Wechsel) und Eindecken in Euparal.

Nun die Sprossquerschnitte:

Bei der Betrachtung meiner eigenen Schnitte eines einjährigen Sprosses erlebte ich zunächst eine kleine Enttäuschung: etwas überrascht musste ich feststellen, dass von dem auffälligen Aufbau des Querschnitts der tropischen Aristolochia aber auch garnichts zu sehen war:

Bild 7: Querschnitt des einjährigen Sprosses der Osterluzei, Vergrößerung 25x, Stapel aus 8 Bildern


Bild 8a/b: Ausschnitt aus Bild 7, Bild 8b mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 5 Bildern


Wir sehen den ganz normalen Sprossquerschnitt einer krautigen Pflanze mit offenen kollateralen Leitbündeln und einem kräftigen, geschlossenen Sklerenchymring unter dem Rindenparenchym.
Von innen nach außen:
Cu    : Cuticula
Ep    : Epidermis
Rp    : Rindenparenchym
SklR : Sklrenchymring
Pl     : Phloem
Ca    : Cambium
T      : Trachee
Xl     : Xylem
Ma   : Markparenchym
ST    : Stoma
DZ   : Drüsenzelle
Me   : merestematisches Gewebe (interfaszikuläres Cambium)

Da kommt das Präparat von Klaus Herrmann gerade richtig, es wurde nämlich von einem zweijährigen Spross gemacht und da sieht die Sache schon ganz anders aus!

Bild 9a/b: Querschnitt durch den zweijährigen Spross der Osterluzei, Bild 9b mit Beschriftung. Vergrößerung 50x, Stapel aus 6 Bildern.


Zunächst: die lange Lagerung der Schnitte in Ethanol hat hier wohl zu Änderungen in den Strukturen der Zellwände geführt, und diese dazu, dass die Farben nicht mehr so schön differenziert aufziehen, wie wir das von Wackerfärbungen gewöhnt sind.
Aber das ist nicht die einzige Änderung - auch der Querschnitt sieht nun dramatisch anders aus! Die einzelnen Leitbündel bleiben durch ein interfaszikuläres Parenchym getrennt und der Sklerenchymring ist an vielen Stellen regelrecht aufgerissen, die Lücken mit parenchymatischem Gewebe gefüllt. Somit hat erst das Einsetzen des sekundären Dickenwachstums den erwarteten typischen Aufbau hervorgebracht.
Von innen nach außen:
Le    : Lentizelle
Cu   : Cuticula
Ep    : Epidermis
Rp    : Rindenparenchym
SklR : Sklrenchymring, mehrfach unterbrochen
Pl     : Phloem
Ca    : Cambium und ausserhalb der Leitbündel interfaszikuläres Cambium
T      : Trachee
Xl     : Xylem
MS    : interfaszikuläres Parenchym (Markstrahlen)
Mark : Markparenchym

Am Xylem kann man schön die beiden "Jahresringe" mit vielen großen Tracheen in der Wachstumsphase und wenigen kleinen in der Ruhephase erkennen.

Nun die Leitbündel im Vergleich (alle Bilder der Gegenüberstellungen mit Maßstabsbalken und daher leider mit etwas verminderter Qualität):

Bild 10a/b: Leitbündel des einjährigen (a, 200x, Stapel aus 6 Bildern) und des zweijährigen(b, 100x, Stapel aus 8 Bildern) Sprosses



Und die Sklerenchymringe:

Bild 11a/b: Sklerenchymring des einjährigen (a, 200x, Stapel aus 12 Bildern) und des zweijährigen(b, 200x, Stapel aus 8 Bildern) Sprosses


Der zweijährige Sklerenchymring hier mit einer der schon oben angesprochenen Unterbrechungen aufgrund des sekundären Dickenwachstums.
Interessant auch die gänzlich andere Wirkung der Färbung am alten Schnitt.
Im Bild 11a findet man ein Stoma und eine Drüsenzelle in der Epidermis.

Im Parenchym des einjährigen und in den Markstrahlen (dem interfaszikuläres Parenchym) des zweijährigen Schnittes ist kein klassisches Cambium mit "Backsteinzellen" zu finden, so wie es in den Leitbündeln vorkommt.
Allerdings zeigt sich in Fortsetzung des Cambiums der Leitbündel ein interfaszikuläres Cambium (merestematisches Gewebe) mit einer großen Anzahl frischer Zellteilungen.

Bild 12a/b: interfaszikuläres Cambium des einjährigen (a, 200x, Stapel aus 9 Bildern) und des zweijährigen(b, 200x, Stapel aus 7 Bildern) Sprosses  



Und zu guter Letzt noch einige interessante Details aus den Präparaten:

Bild 13: Übergang vom Cambium des Leitbündels in das interfaszikuläre Cambium beim einjährigen Spross, Vergrößerung 400x, Stapel aus 5 Bildern


Bild 14: Xylem mit Tracheen und blau gefärbten Tüpfeln (unten) und Cambium (oben) beim einjährigen Spross, Vergrößerung 400x, Stapel aus 7 Bildern


Bild 15: Eine Siebplatte in einer zusammengedrückten Siebröhre beim zweijährigen Spross, Vergrößerung 400x, Stapel aus 10 Bildern

Die Durchbrüche in der Netzförmigen Siebplatte haben einen Durchmesser von ca. 5 µm.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: Anpassungen zum interfaszikuläres Cambium und Parenchym gemäß den Erläuterungen von Detlef. Vielen Dank!
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Jan Kros

Hallo Jörg

Wunderschöne Arbeit.
Immer wieder schön zum anschauen, ich habe es ausgedruckt.
Herzlichen Gruss
Jan

HDD

Hallo Jörg

Ich kann mich der Meinung von Jan nur anschließen:
Wunderschöner Bericht und saubere Arbeit. Gratuliere.
Habe den ganzen Bericht gespeichert. Danke fürs Zeigen.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

sehr schöne Darstellung! Dein Schnitt war halt von einem recht jungen Spross und da erkennt man den Aufbau noch nicht so genau. Erst der Vergleich mit dem älteren Spross zeigt dann den typischen Querschnitt eines Sprosses der dem "Lianen-Typ" entspricht: die Leitbündel bleiben getrennt; es entstehen also keine Leitbündel dazwischen, sondern lediglich interfaszikuläres Parenchym. Und daher nennt man das Kambium, dass zu der Stammerweiterung in diesen Bereichen führt, interfaszikuläres Kambium. Beim sog. Helianthus-Typ, der jung genau so aussieht, entstehen daraus Leitbündel, so dass sekundär ein geschlossener Leitbündelring entsteht; der Spross wird dadurch steif. Die breiten Markstrahlen beim Lianen- oder auch Aristolochia-Typ bewahren dem Spross dagegen eine hohe Flexibilität.

Weitere typische Vertreter dieses Typs: die Weinrebe (Vitis) und die Waldrebe (Clematis).

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

#4
Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob!

Und Dir, lieber Detlef, auch vielen Dank für Deine Erläuterungen!
Ich habe mein Ausgangsposting entsprechend angepasst.

Die von Dir genannten Vertreter des Lianen-Typs hatten wir ja auch schon im Forum:

die Weinrebe hier und hier
(mit nicht ganz so ausgeprägtem interfaszikulärem Parenchym)

und die Waldrebe hier und hier,
leider nur junge Sprosse.

Herzliche Grüße
Jörg
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Mila

Lieber Jörg,

wie gut, dass Du die Osterluzei gefunden hast, so kommen wir in den Genuss dieser schönen und interessanten H.-Doku ;)

Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

Liebe Mila,

ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig sein würde. Ganz so häufig, wie beschrieben, ist die Osterluzei bei uns wohl doch nicht, obwohl es im Rheintal sicher jede menge "passender" Stellen gibt.

Aber selbst in Bad Breisig waren nur einjährige Pflanzen zu finden. Da muss die gesamte ältere Population - vielleicht erst im vergangenen Jahr - unter gegangen sein.

Und natürlich danke für Dein Lob, es freut mich, dass Dir mein Beitrag gefällt.

Meine Osterluzeisamen sind übrigens nicht auf gegangen. Ich denke, die hätte man für diese Saison schon im vergangenen Herbst sähen müssen. Mal sehen, vielleicht treibt nächstes Frühjahr noch was aus.

Herzliche Grüße
Jörg
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Rolf-Dieter Müller

Lieber Jörg,

besonders interessant ist die Gegenüberstellung mit dem nach 50 Jahren verarbeiteten Schnitt. Obwohl lange nicht so alt, traue ich meinen ältesten in AFE bzw. Ethanol gelagerten Sproßstücken nicht mehr und so fällt mir die Bereinigung meiner Sammlung leichter.

Erste Zweifel hatte ich nämlich erst vor kurzem bei den Mistelschnitten für Deinen letzten AcriBEN-Workshop.

Ich werde jetzt vermehrt zur Präparation von Frischmaterial mittels Schnittfixierung übergehen. Gut, man kann nicht wie gewohnt dünn schneiden, aber die Farben ziehen viel brillianter auf. Und der Schnitt behält mehr Informationen.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Fahrenheit

Lieber Rolf-Dieter,

ja, die Farbwirkung bei den alten Schnitten war auch für Klaus und mich überraschend.

Deine Mistel-Schnitte waren aber einwandfrei - ich habe ja ein Vergleichspräparat aus dem ersten Workshop. Ich denke, die Auswirkungen "alter Schnitte" hängen auch stark von den verwendeten Färbungen ab. Vielleicht kann Klaus ja noch ein paar Bilder mit anderen Schnitten und Färbungen zeigen?

Zum Färben von schnittfixierten Materialien habe ich auch noch ein Beispiel auf der Bank: Gartenbambus in W3Asim - demnächst in Ihrem Forum.  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

Liebe Pflanzenschnibbler,

neben dem Spross der Osterluzei hatte ich seinerzeit auch einige Blattstiele in AFE fixiert. Die Präparate sind nun fertig und ich möchte sie Euch nicht vorenthalten. Die Färbung ist wieder W3Asim II von Rolf-Dieter Müller. Gefärbt und eingeschlossen habe ich nach dem im Eingangsthread beschriebenen Verfahren.
Interessant dabei ist, dass die Färbung deutlich anders ausfällt und das Grün der Parenchymzellen in ein Gelbgrün, ja fast Braungrün abfällt. Ob sich hier in Ansätzen schon der Effekt zeigt, der auch an den 50 Jahre alten Schnitten von Klaus zu beobachten war? Welcher Inhaltsstoff mag wenn dafür verantwortlich sein? Den Spross habe ich 12 Tage nach der Probenahme verarbeitet, die Blattstiele lagen nach der viertägigen AFE-Fixierung 10 Tage länger in Ethanol 70%.

Hier nun die Aufnahmen vom Blattstiel.

Bild 16: der Blattstiel in der Übersicht, Vergrößerung 25x, Stapel aus 7 Bildern


Bild 17a/b: Ein Ausschnitt, Bild 17b mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 10 Bildern


EP und CU : Epidermis und Cuticula
Kol           : direkt unter der Epidermis liegt ein mehrschichtiges Kollenchym
RP            : Rindenparenchym
StS           : das Rindenparenchym wird nach innen von einer Stärkescheide begrenzt
Pl             : Phloem
Xl             : Xylem - man beachte die stärkere Sklerifizierung des jüngeren Xylemgewebes
T              : Trachee
*              : Wenn es kein Blattstiel wäre, würde ich diese Zellen als Cambium ansprechen ...
MP            : Markparenchym

Ich gestehe, der Querschnitt irritiert mich in so fern ein wenig, dass die Leitbündel ein Cambium zu haben scheinen. Ich dachte immer, in Blattstielen gäbe es das nicht.

Bild 18: Noch einmal das Leitbündel, Vergrößerung 200x, Stapel aus 9 Bildern

Vor der Reihe fertig ausgebildeter Tracheen liegen am Rande des "Cambiums" einige Tracheen, die sich eindeutig in der Entwicklung befinden ...

Bild 19: die Stärkescheide am Innenrand des Rindenparenchyms, Vergrößerung 400x, Stapel aus 10 Bildern

Deutlich ist das durch die Bildmitte verlaufende Band von Zellen mit sehr vielen Amyloplasten zu erkennen. Aber auch die weiter außen (= oben) liegenden Zellen des Rindenparenchyms enthalten Amyloplasten.

Zwei eindrucksvolle Verwandte der Osterluzei möchte ich Euch nicht vorenthalten (die Bilder stammen aus dem Botanischen Garten MariMurtra in Blanes (Spanien):

Bild 20: Blüte der Aristolochia fimbriata

Der Deutsche Name ist Gespensterpflanze und der englische White Veined Dutchman's Pipe - Weiß geäderte Holländerpfeife - eine nette Umschreibung der außergewöhnlichen Blüte.
Die Pflanzen waren keine "offiziellen" Bewohner des Gartens sondern "Spontanaufwuchs" ;) in einem Sukkulenten-Beet.

Bild 21: Die selbe Blüte von der Seite

Schön kann man die Röhre und die dahinterliegende Kammer erkennen, aus der die Falle für die unfreiwilligen Bestäuber der Pflanze besteht.

Bild 22: Zwei Blütenknospen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, ebenfalls von Aristolochia fimbriata


Bild 23: Aristolochia gigantea ist eine tropische Art, die durch ihre sehr großen, dunkelroten Blüten auffällt

Der Durchmesser kann über 20 cm betragen. Der Name A. gigantea befand sich auf dem Pflanzenstecker, eine Mitarbeiterin des Gartens sprach sie aber als Aristolochia littoralis an.

Bild 24: eine einzelne Blüte der Aristolochia gigantea


Vielen Dank fürs Betrachten!

Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

Deine Fotos des Kambiums sind absolut überzeugend. Mehr kann ich im Moment dazu nicht sagen.

Detlef
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

ich hake nochmals nach und zitiere aus der "Bibel" von Catherine Esau, dort aus dem "Kapitel 6. Das Cabium":

"... Wenn das sekundäre Leitgewebe einer Achse in getrennten Strängen vorliegt, kann das Cambium bandförmig auf diese Stränge beschränkt bleiben (Cucurbita, ...) Bandförmig erscheint es auch in den meisten Blattstielen und Blattadern, die sekundäres Dickenwachstum zeigen."

Ich denke, damit dürfte alles klar sein und ich ziehe mich beschämt in eine Ecke zurück, denn ich habe wohl zur Verbreitung der Scheinregel gesorgt, dass es offene Leitbündel in Blättern nicht gibt, mit der Ausnahme einiger Gymnospermen.

Herzliche Grüße

Detlef
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Fahrenheit

Lieber Detlef,

vielen Dank für's Nachschlagen und damit natürlich auch für die Klärung des Sachverhalts! Selbst habe ich im Raven/Evert/Einhorn und im Strasburger nichts zu Cambien in Blättern und Blattstielen gefunden - vielleicht war ich aber auch zu ungeschickt beim Suchen.

Die Schämecke hast Du nicht verdient, zumal Du uns da nicht mit Deinem Rat zur Seite stehen kannst, wenn wir mal wieder über etwas Seltsames gestolpert sind.  ;)

Herzliche Grüße
Jörg
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