Informationen zu Mikroskopen von HENSOLDT/Wetzlar

Begonnen von Florian Stellmacher, Juli 30, 2011, 20:02:21 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Florian Stellmacher

Liebe Mikroskopiker!

Zeiss? Kennt doch jeder! Leitz? Klar, die heißen doch heute Leica! Diese beiden deutschen Mikroskophersteller sind allgemein bekannt, wohl auch unter Nicht-Mikroskopikern. Die Firma Hensoldt hingegen dürften weniger Menschen kennen. Ich besitze zwei Mikroskope, die von Hensoldt hergestellt wurden, und möchte gerne mehr darüber in Erfahrung bringen.

Die bereits 1861 von Moritz Hensoldt zusammen mit dem Cousin seiner Frau Louis Engelbert in Braunfels gegründete optische Firma zog 1865 in das benachbarte Wetzlar um. Neben Mikroskopen wurden auch allerhand andere optische Instrumente gefertigt, insbesondere erfreuten sich Feldstecher von Hensoldt einer breiten Anerkennung. 1922 wurde die Firma Hensoldt in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, wobei ab 1928 die Firma Carl Zeiss die Aktienmehrheit übernahm und Hensoldt im weiteren Verluf in den Zeiss-Konzern integriert wurde. Deutlich war wohl immer die Konkurrenz zu Leitz bzw. zu der zu Leitz gehörenden Firma Seibert, die in der Zeit der NS-Dikatatur auch ein Stück weit pseudo-ideologisch ausgetragen wurde; als Göring 1933 in Wetzlar einen Feldstecher aus Hensoldts Fertigung überreicht wurde, wurde ausdrücklich betont, dass dieses Glas von Hensoldt und nicht vom "roten Leitz" stamme (Kühn-Leitz K.: Ernst Leitz - Wegbereiter der Leica, Königswinter 2006, S. 127). Ab 1964 fertigte die Hensoldt AG Ferngläser unter dem Label Zeiss. 2006 erlosch der Name "Hensoldt AG", da die immer noch in Wetzlar ansässige Firma offiziell in "Carl Zeiss Sports Optics GmbH" umbenannt wurde (http://de.wikipedia.org/wiki/Hensoldt_AG).

Letztlich wohl aufgrund der in Relation zu den Großen des Mikroskop-Geschäftes geringen Stückzahlen, die überhaupt produziert wurden, trifft man Hensoldt-Mikroskope recht selten an. Auch entsprechende Literatur, die sich eingehender mit der Mikroskopproduktion, vor allem im 20. Jh, befasst, ist mir nicht bekannt. Eine Besonderheit ist, dass nach dem Krieg produzierte Hensoldt-Mikroskope sich im Design sowie in der Funktion Extravaganzen leisten, die man bei kaum einem anderen Hersteller findet. Das macht Mikroskope von Hensoldt so besonders, macht es aber auch schwerer, die Modelle zu datieren. Die Firma Zeiss in Wetzlar kann offenbar keine Informationen zu Hensoldt-Mikroskopen geben - sie antwortet nicht einmal auf Briefe mit Anfragen zu diesem Thema.

Das erste Hensoldt-Mikroskop, das ich vorstellen möchte, ist dieses Hufeinsenmodell, das ich in die 20er oder 30er Jahre datieren würde. Es trägt die Seriennummer 6460.



Dieses Mikroskop selbst erscheint eher unauffällig, das Messing wurde mit schwarzem Einbrennlack überzogen, und nur wenig Messing ist sichtbar. Was dieses Mikroskop für mich so besonders macht, ist, dass es das erste historische Mikroskop ist, das ich mir gekauft habe! Es stand auf einem Anhänger eines fliegenden Händlers, der selbst recht verwahrlost aussah und überwiegend Gerümpel anzubieten hatte; dieser brachte es eines Tages mit auf einen Flohmarkt, wo ich es sah und es mir die ganze folgende Woche nicht mehr aus dem Kopf ging. Am darauf folgenden Wochenende habe ich den Händler auf einem anderen Flohmarkt wieder getroffen und ihm das Mikroskop für 300,- DM abgekauft. Das war für mich ein wirklicher Haufen Geld, sodass ich mir das Mikroskop buchstäblich vom Munde abgespart habe. Diese Erinnerung macht das Mikroskop für mich sicherlich besonderer als es neben seinen glänzenden deutschen, englischen oder franzöischen Zeitgenossen im Regal erscheint.

Ich weiß weder, wie das Modell heißt, noch kann ich genau sagen, wann es gebaut wurde. Vielleicht weiß jemand mehr?


Das zweite Mikroskop, das ich Euch zeigen möchte, ist sicherlich nach dem Kriege produziert worden. Das Modell ist recht aufwendig konstruiert und sicherlich als vollwertiges Labomikroskop z.B. als Konkurrent zum Zeiss/Winkel GFL oder zum Leitz Laborlux gedacht gewesen.









Zwei Besonderheiten im Design machen für mich den besonderen Reiz dieses Mikroskops aus: Zum einen beschreibt der Tubusträger einen geradezu aberwitzigen Knick nach hinten, fast so, als wollte das Mikroskop gleich lossprinten - ein wirklich dynamisches Design! Das andere, viel wichtigere Desingmerkmal ist der Revolver, der mit seiner Aufnahme am Tubusträger zu einer vollendeten Kugel verschmilzt, von der die vier Objektive in 90°-Position zueinander verwegen abstehen! Ich habe das Mikroskop daher liebevoll "Sputnik" getauft, auch wenn dessen Antennen sicherlich strömungsgünstiger plaziert waren. Die Seriennummer lautet 40328. Von diesem Stativ wurde auch eine Version mit radförmigem Revolver hergestellt, die sog. "Windmühle", ferner gab es wohl auch noch eine Version mit dem bereits von CZJ am L-Stativ realisierten Tubusrevolver.

Weiß vielleicht jemand, wie dieses Modell heißt und kann mir sagen, wann es gabaut wurde? Wann wurde bei Hensoldt überhupt die Mikroskopproduktion eingestellt und warum?

Herzlche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Robert Götz


Für das untere Mikroskop mit dem Kugelkopf wurde 1948 ein Gebrauchsmusterschutz beantragt.

Gruß
Robert


Florian Stellmacher

#2
Lieber Robert,

danke, das ist doch schon mal etwas! Hast Du eine Quelle, von der aus ich weiter recherchieren kann?

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Robert Götz

Hallo Florian,

Ich habe eine Kopie des Antrages, die ich Dir gerne schicke, wenn Du mir eine email-Adresse nennst, an die ich eine pdf-Datei anhängen kann.

Hier die Variation mit dem Windmühlentubus:



Dieses Modell heißt "Diami". Ich weiß nicht, ob es mit dem Kugelkopf genauso hieß, ein Name wird in der Antragsschrift nicht genannt.
Über das Diami gibt es hier ein klein wenig Information (Figure 4)

http://www.microscopy-uk.org.uk/mag//imgjan08/MdC-microf.pdf

Gruß
Robert


Florian Stellmacher

#4
Lieber Robert,

danke - Du hast ein PN.

Das pdf des amerikanischen Kollegen ist wirklich nett gemacht! Ich bin offenbar in Phase 2 nach seiner Einteilung  ;) ...

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Dr. Timo Mappes

Lieber Florian,

eine Quelle mag [1] sein:

[1] M. Hensoldt & Söhne Optische Werke AG Wetzlar: 100 Jahre M. Hensoldt & Söhne Optische Werke AG Wetzlar. Verlag Hoppenstedts Wirtschaftsarchiv GmbH, Darmstadt 1952

hier heißt es u.a. ([1], p. 32-33):

"Um [...] eine annährend ebenso große Belegschaft wie vor dem Kriegsausbruch beschäftigen zu können, mussten früher gar nicht berücksichtigte Artikel in das Produktionsprogramm aufgenommen werden. Dazu gehörten [...] neue Mikroskoptypen nebst den alten, die aber auch ihrerseits konstruktiv neu bearbeitet und so wesentlich verbessert wurden."

Ganzeitig abgebildet sind mit Blick in die Werkshallen aus 1952 auf die "Montageabteilung für Mikroskope" ([1], p. 30) und die "Abnahme aller fertigen Geräte" (gezeigt sind im Vordergrund das Diami und das Diamal) ([1], p. 35).

Für die Historie der Frima vor 1900 ist sicher lesenswert:

[2] Christine Belz-Hensoldt: Zwei Pioniere der Optik - Carl Kellners Briefe an Moritz Hensoldt 1846-1852. Verlag Kempkes, Gladenbach 2007

Frau Belz-Hensoldt ist eine sehr nette Dame, die in einem umfangreichen Werk den Beginn der Entwicklung des Unternehmens dargestellt hat.

Das von Dir zitierte erste Unternehmen in Braunfels produzierte Mikroskope die - kaum verwunderlich - nahezu identisch waren mit jenen von Carl Kellner in Wetzlar, das früheste bekannte Stativ dieser Epoche ist hier gezeigt:

http://www.musoptin.com/engelbert_30.html

Beste Grüße
Timo
Prof. Dr.-Ing. Timo Mappes
Deutsches Optisches Museum
Carl-Zeiss-Platz 12
07743 Jena

*************************
privat:
Museum Optischer Instrumente
www.musoptin.com

Die erste vollillustrierte deutschsprachige Seite zur Geschichte der Mikroskope für die Wissenschaft im 19. & frühen 20. Jahrhundert

Florian Stellmacher

Lieber Timo,

vielen Dank! Das zweite von Dir genannte Buch habe ich [Christine Belz-Hensoldt: Zwei Pioniere der Optik - Carl Kellners Briefe an Moritz Hensoldt 1846-1852. Verlag Kempkes, Gladenbach 2007], allerdings erst frisch und noch nicht gelesen  ;).

Das erste Buch [M. Hensoldt & Söhne Optische Werke AG Wetzlar: 100 Jahre M. Hensoldt & Söhne Optische Werke AG Wetzlar. Verlag Hoppenstedts Wirtschaftsarchiv GmbH, Darmstadt 1952] klingt sehr interessant - leider ist es derzeit offenbar nicht antiquarisch erhältlich; vielleicht bekomme ich es irgendwann.

Das von Karsten Porezag im Selbstverlag erschienene Buch (es gibt wohl nach wie vor nur den Band 1) habe ich bestellt aber noch nicht erhalten.

Die Geschichte der Firma Hensoldt in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg ist offenbar in der Literatur nur spärlich dokumentiert, was angesichts der originellen Mikroskope verwunderlich ist.

Herzliche Grüße,
Florian

Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Dr. Timo Mappes

Lieber Florian,

habe Dir eine PN mit einem Link zum Angebot von [1] als Nachdruck geschickt.

Beste Grüße
Timo
Prof. Dr.-Ing. Timo Mappes
Deutsches Optisches Museum
Carl-Zeiss-Platz 12
07743 Jena

*************************
privat:
Museum Optischer Instrumente
www.musoptin.com

Die erste vollillustrierte deutschsprachige Seite zur Geschichte der Mikroskope für die Wissenschaft im 19. & frühen 20. Jahrhundert

Florian Stellmacher

Lieber Timo,

vielen Dank! Ich habe den Nachdruck sofort bestellt.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)