Taxus baccata – vereinfachte Methode für die Verarbeitung von Paraffinschnitten*

Begonnen von Rolf-Dieter Müller, Juli 30, 2011, 23:22:19 NACHMITTAGS

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Rolf-Dieter Müller

Liebes Mikroforum,

vor einigen Jahren hatte ich ein Eibeblatt in Paraffin eingebettet und mit dem Schlittenmikrotom mit quer gestelltem Jung C-Messer geschnitten. Färbungen hierfür können manchmal recht problematisch sein, denn gerade bei der nachfolgenden Entwässerung können Farben mehr als gewünscht ausgezogen werden, besonders die auf mit Wasser verdünntem Alkohol empfindlich reagieren.

Deshalb ist es nur konsequent, ganz auf Alkohol bei der Färbung und weiteren Verarbeitung von Paraffinschnitten zu verzichten.

Angeregt durch die in Gerlach, Botanische Mikrotechnik beschriebene Toluidinblau-Färbung nach Sakai wollte ich dieses auf die bekannte Wacker-Färbung übertragen. Sakai hält mit seiner Methode den Metachromismus vom Toluidinblau, der in Alkohol unwiederbringlich verloren geht.

Nach ersten Fehlschlägen bei denen die Farbe überhaupt nicht oder nur zum Teil aufgezogen ist, habe ich zu allen Farblösungen Ochsengalle beigemischt. Und jetzt funktionierte es einwandfrei und reproduzierbar.

Zur Verarbeitung:


  • Das Paraffin darf beim Strecken nicht angeschmolzen werden!
  • Paraffinschnitte nur mit Wasser auf Objektträger aufziehen und trocknen lassen.
  • Färbung nach Vorschrift. Durch die beigemengte Ochsengalle wird der Schnitt mit dem umgebenden Paraffin mit Farblösung bleibend überschichtet. Gefärbt wird nur der Schnitt, das Paraffin nimmt keinen Farbstoff an.
  • Überschüssige Farbe mit Wasser abspülen.
  • Objektträger mit dem gefärbten Paraffinschnitt gut trocknen lassen.
  • Entparaffinieren mit Xylol oder Rothihistol.
  • Einschluss in Harz (Malinol).

Durch diese Methode erhält man immer gesicherte und bleibende Färbungen. Den nachfolgenden Taxus baccata Eibe-Blatt Querschnitt habe ich heute Abend fotografiert. Die Färbung hat nichts an Farbkraft verloren.

Zuerst eine Übersicht der quer geschnittenen Eibenadel


Leitbündel, Cuticula, Epidermis, Palisadenparenchym, Schwammparenchym


Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter Müller

Holger Adelmann

Lieber Rolf-Dieter,

das sind unglaublich klare und scharfe Farben, Kompliment.

Hast Du eine Idee wie die Ochsengalle hier wirkt??

Herzliche Grüsse
Holger


Herne

Lieber Rolf-Dieter,
die Farben sind wirklich Klasse. Ist der Zellinhalt durch das Verfahren erhalten? Für mich als Laie sieht das so aus. Es würde dieser Färbetechnik eine zusätzliche Dimension verleihen.
Zu Ochsengalle schreibt die allwissende Wikipedia :
"Bei Ochsengalle (oder auch "Rindergalle", "Fel Tauri") handelt es sich entweder um ein grüngelbliches Pulver oder um eine Flüssigkeit in dieser Farbe. Sie wird aus der Galle von Rindern gewonnen. Sie dient zum einen als Netzmittel, welches den Farbfluss auf problematischen Papieren oder Pergament steigert und zum Entfetten von Untergründen beiträgt. Ebenso wird sie auch als Reinigungs- oder Farbentfernungsmittel eingesetzt. ..."
In der Fotografie haben wir sie früher verwendet, um Barytpapiere auf Hochglanzfolien heiss trocknen zu können, ohne daß die festbacken.
Velleicht lässt sich auch hieraus ein Schluss auf den Wirkmechanismus ziehen.

L.G.
Herbert
Die animalcula infusoria sind Blasen mit Neigungen.
G. Chr. Lichtenberg

Rawfoto

Guten Morgen Rolf-Dieter

Das sind absolut tolle Farben und eine excelente Faerbung, danke fuer diesen Tipp :-))

Wie viel von der Ochsengalle kommt den zur eigentlichen Farbe dazu? 1 Teil Ochsengalle zu 9 Teien Farbe, oder mehr?

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Rolf-Dieter,

da hast Du ja mal wieder gezaubert! Vielen Dank für Deine tolle Arbeit.
Es ist spannend zu sehen, welche unterschiedlichen farblichen Ausprägungen mit der Wackerfärbung je nach Umgebungsparametern möglich sind.

Herzliche GRüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rolf-Dieter Müller

@Alle, ich hatte gar nicht damit gerechnet, das diese Färbung so ein Zuspruch findet, vielen Dank.

@Holger, eine Erklärung hat Herbert schon geliefert. Bei meiner seinerzeitigen Zielformulierung habe ich nach einem Netzmittel gesucht, mit dessen Zusatz die Farblösung Schnitt und Paraffin überschichtet ohne abzuperlen und dann noch die Anfärbung des Gewebes zuläßt. Versuche mit Spülmittel und Netzmittel aus der Photochemie scheiterten im Ansatz, warum habe ich nicht weiter verfolgt, denn mit Ochsengalle klappt es und da sie Stand der Technik bei der makroskopischen Färbetechnik ist, vemutete ich keinen grundsätzlich nachteiligen Effekt bei den Anfärbeeigenschaften. Das die Farben so dauerhaft brilliant aufziehen ist ein ursprünglich gar nicht verfolgter, aber jetzt durchaus gewünschter Nebeneffekt. Ohne weiter recherchiert zu haben, vermute ich eine gewisse Beizeigenschaft der Ochsengalle.

@Herbert, Dir besonderen Dank für Deine Ergänzungen und wenn Du einverstanden bist, würde ich Deinen Beitrag bei einer Veröffentlichung auf der MKB-Webseite zitieren. Das die Zellinhalte besonders erhalten bleiben, darauf werde ich erst jetzt aufmerksam. Also, die Taxus-Nadel habe ich in AFE(70) fixiert, das ist das Fixiermittel mit 70% Ethanol. Bis auf diesen Anteil und zusätzlich Essigsäure/Formalin kam der Schnitt mit keinem weiteren Alkohol in Berührung. Insoweit ist die schädliche Wirkung von Alkohol nur begrenzt möglich gewesen. So erkläre ich mir den Erhalt des Zellinhalts, außerdem ist der Einsatz von Wasser auf ein Minimum beschränkt.

@Gerhard, Deine Einschätzung zum Anteil von Ochsengalle in Farblösungen ist schon recht gut. Genau kann ich es aber nicht sagen, da ich mich immer und vorrangig nach Merkmalen orientiere. Besser ist ein tropfenweise Zusatz im Vorversuch bis die Farblösung nicht vom Paraffin perlt. Hierfür und auch bei der Färbung mit einem feinen Haarpinsel die Farbe flächig über den Objektträger streichen. Um Beschädigungen des Schnittes zu vermeiden, bitte diesen nicht berühren. Diese Vorgehensweise erspart ein Zuviel an Ochsengalle und passt den Anteil des Zusatzes optimal an.

@Jörg, das wird nicht nur für die Wackerfärbung funtionieren, das kann sicher auch auf andere Färbungen angewendet werden. Am einfachsten sind Einfach- und sukzessive Mehrfachfärbungen, da die Einwirkzeit der Farben einzeln gesteuert werden kann. Bei Simultanfärbungen bekannter Rezepturen müßte man aber eine Differenzierung in 70% Ethanol oder wenn es heftig werden soll in salzsaurem Alkohol einplanen.

Übrigens habe ich schon Ochsengalle zu nativen Präparaten in Wasser beigemischt, denn es reduziert zuverlässig Luftblasen. Darüber hinaus könnte ich sie mir auch vorteilhaft bei Schnittfärbungen vorstellen.

An dieser Stelle auch mein Dank an Horst Wörrmann für die Prüfung auf fluoreszierende Eigenschaft von Ochsengalle (hat sie nicht) und an Anton Berg für die Beurteilung der Anfärbung (das Paraffin darf wirklich nicht angeschmolzen sein) von dem ich eine ausführliche Expertise (DIC-Untersuchung eingeschlossen) erhalten habe. Hier hat sich wieder einmal gezeigt, das persönliche Gespräche und Korrespondenz zielführender sind, gerade wenn man dieses im Rahmen und Umfeld einer mikroskopieschen Arbeitsgemeinschaft machen kann.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Jürgen H.

Hallo Rolf Dieter,

aquarellierst Du, dass Du auf diese Idee gekommen bist? Bei derAquarelltechnik wird Ochsengalle seit langem als Netzmittel eingesetzt, um ein schönes Verlaufen der Farben zu erzielen. Die Farben ziehen besser auf das Papier auf und etwas fettige Fingerabdrücke hinterlassen beim Farbauftrag keine Spuren. Allerdings gehört Paraffin ja chemisch nicht zu den Fetten. Vielleicht wirkt die Ochsengalle gegen Lipide, die bei Deiner Methode eher in den Schnitten verbleiben könnten, als wenn die Schnitte erst im Xylolbad entparaffiniert werden und dann durch die Alkoholreihe geführt werden?

Schöne Grüße


Jürgen


Eckhard

Lieber Rolf-Dieter,

klasse Schnitt und noch bessere Färbung! Ochsengalle - was es alles gibt  ;D

Herzliche Grüsse
Eckhard



Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

beamish

Hallo,

ich kenne Ochsengalle aus der Aquarellmalerei. Gibt es von Schmincke als Block im Näpfchen für den Aquarellkasten. Dort wird es z.B. verwendet zur Vermeidung der Vermischung mit benachbarten Farbfeldern. Mit Ochsengalle angerührte Farben stoßen die benachbarten nur mit Wasser vermischten ab. Welcher physikalischer Effekt da zugrunde liegt, weiß ich nicht.

Grüße

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Rolf-Dieter Müller

@Jürgen, nein, ich bin kein Aquarellmaler, streife aber gerne durch Künstlerbedarfsgeschäfte um zu sehen, was ggf. für die Mikroskopie interessant sein könnte, auch wenn ich nicht sofort einen Verwendungszweck sehe. So ist meine Ochsengalle schon gut zehn Jahre alt und als ich dann auf der Suche nach einem Netzmittel war, erinnerte ich mich an meinem Bestand. Mein Lieblingsgeschäft ist übrigens ein recht alter Laden der noch alte und seltene Pigmente führt.

@Eckhard, vielen Dank für Deine Kommentierung. Heute habe ich noch alte aufgezogene Schnitte gefunden, so dass ich die Färbung noch absichern konnte. Und einen alten Block konnte ich auch noch schneiden. Dabei bin ich auf eine weitere Vereinfachung gekommen. Die Bänder kann man schon nach dem Strecken und vor dem Aufziehen färben und das sogar beidseitig. Das erspart einen Trocknungsgang. Am besten geht es mit der Wackersimultanfärbung var. Alcianblau, die Farbwirkung ist wirklich beeindruckend.

@Martin, vielen Dank für Deinen Hinweis zu Ochsengalle im Näpfchen. Die würde ich aber nicht nehmen, denn sie enthält Bindemittel und das brauchen wir für die Färbung nicht. Am besten ist reine Ochsengalle als Flüssigkeit.

@Alle, meine heutigen Schnitte habe ich in Euparal eingeschlossen. Dafür mußte ich nach dem Entparaffinieren das Rothihistol mit 100%igem Isopropylalkohol gut auswaschen. Das ist bei Simultanfärbungen vorteilhaft, so wird noch ein restlicher Farbüberschuss "ausgewaschen".

Möchte man aber den Metachromismus von Farbstoffen halten (Beispiele wären Toluidinblau, Safranin) oder Farbstoffe die sich nicht mit Alkohol verarbeiten lassen verwenden, so sollte man mit Xylol entparaffinieren und dann in Malinol einschließen.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter