HISTOLOGIE: Leberversagen/Leberausfallskoma

Begonnen von Florian Stellmacher, August 07, 2011, 17:48:52 NACHMITTAGS

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Florian Stellmacher

Liebe Freunde der Histologie,

zur Leberzirrhose sei noch etwas nachgetragen: Insbesondere bei fortdauernder Schädigung der erkrankten Leber durch Alkoholexzesse kann es irgendwann zum Leberversagen kommen, das mit verschiedenen typischen Symptomen verbunden ist. Am eindrucksvollsten ist hier neben chronischen Symptomen wie einer Gelbverfärbung der Haut (Icterus), der sog. Bauchwassersucht (Ascites), bei der über 10 Liter freie Flüssigkeit im Bauch sein können, und Gerinnungsstörungen die hepatische Enzephalopathie, bei der es zunächst zu Delirium, Verwirrtheit, Orientierungslosigkeit, Sprachstörungen, Aggressivität sowie motorischen Ausfällen kommt, die dann akut in ein tiefes Koma (sog. Leberausfallskoma) mit Erlöschen der Muskeleigenreflexe, Muskelsteife und schließlich Muskelschlaffheit übergeht.
Histologisch finden sich intravitale Gewebsuntergänge der Leber, sog. Nekrosen, in deren Rahmen weite Teile der Leber absterben. Kann der Prozess nicht aufgehalten werden, endet er tödlich.

Bild 1 zeigt ein makroskopisches Bild der Leber eines Patienten, der im Leberausfallskoma verstorben ist. Bereits mit bloßem Auge erkenn man, vor allem wenn man das Bild mit der Leberzirrhose vergleicht, neben fibrösen Septen und Regeneratknoten frische rotbraune, z.T. auch blasse Leberzellnekrosen, die herdförmig eingeblutet sind.



Auf Bild 2 erkennt man eine typische Fettzirrhose der Leber, so wie wir sie bereits kennengelernt haben. Man kann jedoch bereits in der Übersicht erahnen, dass hier etwas nicht stimmt, da man immer wieder hellrosige, schmierige Areale findet, in denen man keine typischen Leberzellen mehr erkennt.


Zeiss Plan Neofluar 2,5x, HE

Bild 3 zeigt uns die gleiche Situation diesmal in der Masson-Goldner-Färbung. Diese Färbung stellt Kollagengewebe grün dar. Man erkennt hier, dass die sonst eher glatt konturierten Bindegewebssepten wie ausgefranst erscheinen und dass die typische zytoplasmatische rote Färbung der Leberzellen z.T. einem blassen Graugrün gewichen ist.


Zeiss Plan Neofluar 2,5x, Masson-Goldner

Auf Bild 4 kann man sehen, dass dieser Schädigungsprzess nicht etwa gleichmäßig über die gesamte Leber ausgebildet ist, sondern dass hier die Schädigung weniger stark ist; die Septen erscheinen schärfer, die Leberzellen innerhalb der Regeneratknoten besitzen überwiegend noch ihre typische Farbe.


Zeiss Plan Neofluar 2,5x, Masson-Goldner

Bild 5 zeigt uns jetzt bei höherer Vergrößerung, dass innerhalb des untergegangenen Lebergewebes keine Zellkerne mehr nachweisbar sind und dass das Zytoplasma eine schmierige Textur annimmt.


Zeiss Plan Neofluar 10x HE

Auf Bild 6 kann man erkenen, dass die Leberzellen selbst sehr viel empfindlicher auf die Schädigung reagieren als z.B. die Gallengangsepithelien links unten oder auf der rechten Seite, die bislang unverändert erscheinen.


Zeiss Plan Neofluar 10x, HE

Bei hoher Vergrößerung in Bild 7 erkennen wir nun, wie es in den geschädigten Leberzelle aussieht: Der überwiegende Teil hat keinen intakten Zellkern mehr, daneben finden sich Zellen mit verdämmernden, in Stücke zerbrechenden Kernen (Karyorhexis). Das Zytoplasma erscheint schmierig, z.T. schaumig, wobei man reichlich bräunliches Gallepigment erkennt, das von den toten Zellen nicht mehr abgegeben werden kann (Cholestase).


Zeiss Plan Neoluar 40x, HE

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Ronald Schulte

#1
Florian,

Fantastischen Beitrag.
Wenn die Krankheit den ganzen Leber erreicht hat und so aussieht wie in Bild 7 dann muss es doch Schluss sein oder? So kann Leber doch nicht Funktionieren und auch sogar nicht schlecht funktionieren?
Wieviel Leber muss man noch haben um zu Funktionieren?

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Florian Stellmacher

Lieber Ronald,

abhängig von der Funktionsfähigkeit des Lebergewebes, das nach einer Leberteilresektion übrig bleibt, kann man enorme Mengen der Leber (wohl bis zu 80%) wegschneiden; das Organ hat eine starke Fähigkeit zur Regeneration und wächst nach gewisser Zeit wieder bis zu seiner normalen Größe heran. Entsprechend kann man annehmen, dass ggf. weniger als ein Viertel der Leber ausreichen kann, um den Körper am Leben zu erhalten. Die Fähigkeit zur Regeneration der Leber haben wohl schon die alten Griechen erahnt, was Eingang in die Sage des Prometheus gefunden hat, dessen Leber täglich nachwuchs, nachdem der Adler Ethon davon gefressen hatte.
So umfangreiche Leberresektionen würde man natürlich nicht ohne Not durchführen, sind aber z.B. bei Abszessen oder Durchblutungsstörungen erforderlich. Bei einem so schweren Befund wie bei diesem, von dem die Bilder stammen, reicht irgendwann die Organleistung nicht mehr aus. Obgleich wir heute Herz, Lungen und Nieren durch Apparate zeitweilig oder auf Dauer ersetzten können, gelingt dies mit der Leber (noch) nicht, sodass man nur versuchen kann, die Symptome der Lebererkrankung zu therapieren.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)