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Foren => Mikroskopie-Forum => Thema gestartet von: Dypsis in November 06, 2013, 08:42:34 VORMITTAG

Titel: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 06, 2013, 08:42:34 VORMITTAG
Hallo,

seit ein paar Tagen bringt mich ein Satz, über den ich in einem alten Leitzkatalog (No. 42, Mikroskope und Nebenaparate, 1906, S. 13) gestolpert bin, ins Grübeln.


(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/137387_34624097.jpg)


Wenn ich die Aussage richtig verstehe, dann hätte man z.B. kein Objektiv austauschen dürfen, weil immer erst eine Anpassung an den Revolver notwendig gewesen wäre??? Und worin könnte diese ominöse Anpassung bestehen?
Die sich änderende Tubuslänge bei Einsatz eines Revolvers wird durch den Tubusauszug kompensiert (steht ja auch etxra drauf).

War der Satz einfach Marketing-Stuss? Ich hege aber den Verdacht, dass ich da was übersehe.

Das ist jetzt zwar keine weltbewegend wichtige Frage, aber bei dem Wetter...

Rätselnde Grüße
Thomas
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Klaus Henkel in November 06, 2013, 12:53:21 NACHMITTAGS
Zitat von: Dypsis in November 06, 2013, 08:42:34 VORMITTAG
seit ein paar Tagen bringt mich ein Satz, über den ich in einem alten Leitzkatalog (No. 42, Mikroskope und Nebenaparate, 1906, S. 13) gestolpert bin, ins Grübeln.
Wenn ich die Aussage richtig verstehe, dann hätte man z.B. kein Objektiv austauschen dürfen, weil immer erst eine Anpassung an den Revolver notwendig gewesen wäre??? Und worin könnte diese ominöse Anpassung bestehen?
Die sich änderende Tubuslänge bei Einsatz eines Revolvers wird durch den Tubusauszug kompensiert (steht ja auch etxra drauf).

War der Satz einfach Marketing-Stuss? Ich hege aber den Verdacht, dass ich da was übersehe.
Das ist jetzt zwar keine weltbewegend wichtige Frage, aber bei dem Wetter...
Thomas

Hallo Dypsis-Thomas F.

Daß Sie das nicht verstehen (können), ist erklärlich. Sie gehören einer Generation an, für die eine Großserienproduktion hoher Präzision selbstverständlich ist. Aber um die Jahrhundertwende 1900 war das keineswegs so. Dazu kommt das altertümliche Gewinde für Objektive und Revolver, die - was Präzision und Fertigungstoleranzen anbelangt - auch von einem englischen Hufschmied hätten konstruktiert sein können. Um diese Zeit war Manufaktur-Handarbeit noch weitgehend vorherrschend, und es war noch gar nicht so lange her, daß Carl Zeiss und Rudolph Winkel mißlungene Mikroskope eigenhändig mit dem Hammer auf dem Amboß zerschlugen um dem Gesellen eine Lehre zu erteilen.

Da mußte selbstverständlich jedes Bauteil eines Instruments mit den anderen per Hand mit Feile und Schraubenschlüssel abgeglichen werden. Für den Käufer war das kein Nachteil, denn man wechselte nicht andauernd die Objektive, die mit dem Instrument geliefert worden waren, gegen andere aus. Dazu bestand kein Anlaß. Dieses ständige Hinundhergeschraube, das heute unter Hobbymikroskopikern anscheinend üblich ist, gab es bei den Profis nämlich nicht. Die kauften nach Beratung durch den Hersteller und mit Kollegen genau das Instrument mit genau der Ausrüstung, die sie brauchten - und Schluß!

Der Objektiv-Abgleich, der dafür sorgte, daß ein Objekt beim Objektivwechsel nicht einfach im optischen Nirwana verschwand, wurde übrigens zum ersten Mal auf Vorschlag von Prof. Köhler bei Carl Zeiss 1911 eingeführt, also erst nach der Herstellung Ihres Leitz-Mikroskops.

Alles etwas klarer?

Grüße aus dem Nachbar-Landkreis!
KH
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 06, 2013, 13:44:50 NACHMITTAGS
Hallo Herr Henkel,

so ungefähr hatte ich mir das schon gedacht, nur wundert es mich, dass das 1906 immer noch so gewesen sein soll. Nach meinem Eindruck waren die Fertigungstoleranzen doch schon ziemlich weit vom Hufschmiednivea entfernt.

Sei dem wie dem wolle, worauf ich mir noch keinen recht Reim machen kann ist, worin die Anpassung bestand. Rein mechanisch, auf Seiten des Revolvers? Oder anders herum, es ging bei der Anpassung "nur" um die Parfokalität?
Auch wenn Sie es als Hobbymikroskopikerunart abtun, auch ein Profi-Mikroskop-Besitzer aus der guten alten Zeit wird sich ab und an erlaubt haben, mal ein Objektiv vom Kollegen auszuleihen oder sich gar ein neues zu kaufen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er dann sein Mikroskop eingeschickt hat?

Und wie stelle ich mir das dann vor:
Kaufte man ein Mikroskop, bekam man es mit eingeschraubten Objektiven? Oder war der Platz am Revolver gekennzeichnet? Die Dosen im Kasten waren dann auch von Anfang an obsolet gewesen, denn man hätte niemals die Objektive dort unterbringen können weil sie am Revolver hätten bleiben müssen.
Also das scheint mir noch nicht so recht plausibel – wenn ich ehrlich sein darf.

Immer noch rätselnde Grüße
Thomas
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: JB in November 06, 2013, 14:29:40 NACHMITTAGS
Hallo Thomas,

Bei Leitz findet sich noch in den 40er/50er Jahren der Hinweis, dass die Objektive genau auf den ausgelieferten Revolver abgestimmt wurden (alte Ortholux Prospekte). Dazu waren die Plaetze am Objektivrevolver durchnummeriert. Ich vermute mal, das ganze Ensemble wurde in der Fabrik parzentrisch zusammengestellt.

Jon
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 06, 2013, 15:18:50 NACHMITTAGS
Hallo Jon,

das sind ja Abgründe, die sich da auftun.  :D

Hat das wirklich jemand auf der Rechnung, wenn er sich neue (respektive andere) Objektive zulegt? Und warum wäre eine Anpassung plötzlich nach 1950 nicht mehr nötig gewesen?

Die Markierung der Plätze wäre doch auch gar nicht ausreichend? Wenn ich das Objektiv nur etwas weniger fest einschraube, dann kann man doch die "Anpassung" vergessen? Also ich weiß nicht, aus der Geschichte wird für mich kein rechter Schuh.
Ich kann mich auch nicht erinnern, dass hier schon mal jemand über Probleme bereichtet hätte, weil er Objektive in einen anderen Revolver geschraubt hat.

Kann es sein, dass es hier in den Prospekten etwas sehr "genau" genommen wurde?

Noch rätselndere Grüße
Thomas
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: JB in November 06, 2013, 15:51:36 NACHMITTAGS
Hallo Thomas,

Bei Leitz nahm man wohl es ganz genau.

Wenn Sie ein Leitz Objektiv herausdrehen und wieder einschrauben kommt es auch recht genau wieder an die selbe Stelle (jedenfalls ausreiched fuer normale Mikroskopie; Pol-Miks haben eine Justierung, soweit ich weiss).

Ansonsten bleibt der Griff zur Kondensorzentrierung um das Bild der Leuchtfeldblende wieder zu zentrieren.

Beste Gruesse,

Jon

Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Peter V. in November 06, 2013, 20:47:24 NACHMITTAGS
Hallo Thomas,

mir erscheint Klaus Henkels Erklärung äußerst plausibel! Lichtjahre entfernt von seinem Wissen um die Mikroskophistorie (und auch dem Wissen anderer Sammler antiker Geräte) entfernt fabuliere ich mal ins Blaue. Sollte ich mir groben Unsinn zusammenreimen, bitte ich um sofortige Richtigstellung und Aufklärung.

Mikroskope waren zu jener Zeit ziemlich sicher extrem(!!) teure Präzisionsgeräte und  keine Massenware. Die Objektivauswahl war wohl mehr als überschaubar. Es gab doch nicht die unendliche Vielfalt an verschiedenen Vergrößerungen, Korrektionsklassen und Spezialobjektiven für alle möglichen exotischen Einsatzbereiche. Und einzelne Objektive waren sicher auch wenig verbreitet, die lagen vermutlich nicht einzeln in Döschen in Schuladen herum und wurden nicht haufenweise über den Gebrauchtmarkt vertrieben. Wer sollte ALSO mit wem irgendwelche Objektive austauschen? Und wozu? Ich glaube Herrn Henkel, dass es so war, dass ein Mikroskop komplett zusammengestellt wurde und der Revolver dazu diente, mehrere Objektive am Mikroskop zu haben, nicht aber dazu, die Objektive ständig hin- und herzuschrauben.
Während einerseits die mechanische Präszision noch nicht so hoch war, wurde andererseits aber darauf Wert gelegt, alles so präzise wie eben nur möglich zu justieren und auszurichten. Dazu gehört eben auch, dass die Objektive parazentrisch sind.
Thomas, ich habe häufiger mal verschiedene "gleiche" Objektive (z.B. Neofluar 40) zum Vergleich an einen Revolver geschraubt, um sie zu vergleichen oder das Beste auszuwählen. Man staunt, wie beispielsweise ein beliebiger Punkt, der bei dem einen Objektiv und Aufnahmegewinde in der Mitte liegt, bei einem zweiten "identischen" Objektiv am Rand liegt oder gar nicht mehr zu sehen ist. Und ich kann mir schon vorstellen, dass die "Parazentrizität" seinerzeit für alle Objektive am Revolver werkseitig justiert werden musste und bei einem Umschrauben eben nicht mehr vorhanden war. Mir erscheint diese Erklärung jedenfalls  logisch, ob sie stimmt, weiß ich natürlich auch nicht.

Herzliche Grüße
Peter
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 06, 2013, 21:28:40 NACHMITTAGS
Hallo Peter,

also ich habe doch nirgends geschrieben, dass man täglich die Objektive mehrfach raus und reinschraubt?

Mir schien und scheint es einfach von der praktischen Seite unplausibel was ich da im Katalog gelesen habe.
Als Beispiel: Ich habe ein wunderwunderwunderschönes Leitz A-Stativ ca. Baujahr 1918. Es scheint sich im Auslieferungszustand zu befinden. Es hat einen Phototubus und einen Vierfachrevolver. Als Ausstattung hat es 6 (in Worten sechs) Objektive (alle wohl gleiche Epoche) UND zwei Mikro-Summare (zum fotografieren).
So, wie hat der gute Besitzer das wohl bewerkstelligt, dass er mit seinem Vierfachrevolver (an dem sich keinerlei Markierung der Positionen befindet) 8 Objektve eingesetzt hat ohne diese am Revolver auszutauschen?

Zweiter Punkt, wurden die Mikroskope dann wirklich mit eingeschraubten Objektiven ausgeliefert?

Herzliche Grüße
(und Danke für die Geduld dabei, mir meine despektierlichen Zweifel auszutreiben)





Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Florian Stellmacher in November 06, 2013, 21:38:37 NACHMITTAGS
Lieber Thomas,

der Umstand, dass der Revolver für die Ausrüstung bei Auslieferung angepasst wurde, bedeutet nicht, dass - gerade im z.T. enorm finanzkräftigen Liebhaberbereich - nicht auch fleißig Obektive hinzugekauft wurden. Sicherlich bewegte sich diese Anpassung auch nur in gewissen Grenzen, die den Einsatz fremder Optiken nicht unmöglich gemacht hätten. Aber bei ganz korrekter Anwendung ergibt sich ein für uns ungewöhnliches Bild - der Revolver wurde dann tatsächlich wieder weggelassen:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/137469_16238091.jpg) (http://s690.photobucket.com/user/pathomax/media/DSC_0301_zps5f3e1000.jpg.html)

Dieses wunderbare (und hier für 6.000 GBP angebotene) Watson Royal in Vollausstattung steht dort ohne Revolver! Der Revolver war wohl eher etwas für Mikroskope, die in der Routine oder Ausbildug ihren Dienst versahen, oder ein nettes, sorgfältig gearbeitetes Zubehör. Und ich glaube schon, dass der Hinweis in der Preisliste der frühzeitigen Kundenbindung nicht wirklich abträglich gewesen sein kann.  ;)

Herzliche Grüße,
Florian
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Florian Stellmacher in November 06, 2013, 21:49:23 NACHMITTAGS
Lieber Thomas,

ob die Mikroskope mit eingeschraubten Optiken ausgeliefert wurden? Dies hätte sich bei frühen Modellen sicherlich verboten, denn die für die Optik verwendeten Glassorten sollten vor Licht und vor allem Luft geschütz werden (ganz frühe Mikroskope besitzen sogar einen Schieber, der die Augenlinse abdeckt). Als die Glassorten beständiger wurden, war dies sicherlich nicht mehr in dieser Weise nötig; ich denke jedoch, dass ein Hersteller es gern gesehen hat, wenn die kostbaren Objektive vor äußeren Eiflüssen geschützt hermetisch in ihren Messingbehältern gelagert wurden. Das empfiehlt so auch die zeitgenössische Literatur, soweit mir erinnerlich. Auch das Transportrisiko ist natürlich bei nicht-montierten Objektiven, insbesondere hinsichtlich der Gewinde, kleiner.

Ich glaube also, die Mikroskope wurden mit separat verpackten Objektiven ausgeliefert, was Deine Frage, inwiefern der Revolver angepasst wurde, nur allzu berechtigt erscheinen lässt, denn wie erkennt man, welches Objektiv in welches Gewinde eingeschraubt werden soll? Eine Zahlen- oder Farbkodierung kenne ich erst bei Nachkriegsmikroskopen.

Ich bin gespannt auf weitere Antworten!

Herzliche Grüße,
Florian
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: JB in November 06, 2013, 21:50:25 NACHMITTAGS
Hallo Thomas,

Zur Illustration ein Ausschnitt des Ortholux Handbuches von 1963.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/137472_65894649.jpg) (http://s1178.photobucket.com/user/jayb37/media/Untitled-1_zpsf25108c3.jpg.html)
©Leitz

"each outfit" = jedes ausgelieferte Ortholux (mit Zubehoer)
Man gab eine Liste bei, in der die zu den einzelnen Positionen passenden Objektive aufgelistet waren.

Das Problem war also erkannt. Je nach Preisklasse des Mikroskops wurde das Problem wahrscheinlich unterschiedlich geloest/ignoriert.

Jon
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 06, 2013, 22:00:11 NACHMITTAGS
Hallo Jon,

das bezieht sich doch aber auf recht spezielle Anwendungen. Ein Allerweltrevolver mit Allerweltsobjektiven für Allerweltsanwendungen hatte die Nummern wohl doch eher um einen "äußerlichen" Überblick über die Vergrößerungen zu behalten.
So hatte ich das bisher zumindest verstanden.

Herzliche Grüße
Thomas

Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 06, 2013, 22:11:10 NACHMITTAGS
Lieber Florian,

man hatte wohl auch bei Leitz Zweifel bekommen? Wenn ich es nicht in der Eile überlesen habe, dann steht von einer Anpassung im Katalog von 1913 kein Piep mehr.
Da steht nur, dass die erweiterte optische Ausstattung lieber später erfolgen sollte und man sein Geld lieber in ein größeres Stativ stecken solle. Von Einschicken zur Anpassung keine Rede.

Hast Du das Watson nicht gekauft????? Schande!

Herzliche Grüße
Thomas
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 06, 2013, 22:21:48 NACHMITTAGS
... und 1897 hielt man es zumindest nach Katalog auch noch nicht für notwendig. Wäre interessant, in welchen Katalogen darauf hingewiesen wurde (es steht bei den Stativen und ist in einer anderen Schrift gesetzt). Vielleicht hatte da doch die Marktingabteilung die Finger im Spiel? Oder umgekehrt, hat geschlafen, denn wer traut sich dann noch Objektive nachzukaufen? 1913 hatte man das vielleicht bemerkt?

Gespannte Grüße
Thomas
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Peter V. in November 06, 2013, 22:35:10 NACHMITTAGS
Hallo Thomas,

ich denke, der Autor war eben ein Pedant, Purist oder wie auch immer man das nennen soll. Wie oft findet man auch heute noch in irgendwelche Gebaruchsanweisungen völlig übertriebene Anwendungsvorschriften und Pflegetipps, die kein Mensch in der Praxis beachtet: ("Einmal in der Woche mit einem nebelfeuchten fusselfreien Baumwollappen abwischen" usw./ Achten Sie hierauf, darauf, machen Sie niemals dieses oder jenes.... ;)).

Das heißt ja nicht, dass ein Objektiv niemals gar nie nicht umgeschraubt werden durfte. Aber für den "optimalen" Sitz war eben eine Justierung im Werk notwendig. Vermutlich hätte man es auch - weniger dramatisch - so formulieren können:

"Es erklärt sich hieraus, dass es nicht sinnvoll ist, Stativ und Revolver getrennt zu beziehen. ...... Wird an einem Stativ später ein Revolver gewünscht, sollten für ein optimale Justage Stativ und Objektive mit eingesandt werden"

Natürlich kann die originale Formulierung auch so interpretiert werden, dass Leitz sich geweigert hat, einen Revolver allein zu versenden, ohne das ganze System zu jusiteren. Wer weiß das schon? Es gibt ja auch heute Unternehmen, die sich weigern, Ersatzteile zu versenden und stattdessen verlangen, das Gerät ins Werk zu schicken.
Über die wahre Intention kann man nur spekulieren.

Herzliche Grüße
Peter
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dünnschliffbohrer in November 06, 2013, 22:56:09 NACHMITTAGS
Zitat:  "Auf eine in weitesten Kreisen der Mikroskopbenutzer kaum bekannte und beachtete Tatsache soll in diesem Zusammenhang hingewiesen werden. Die große Genauigkeit, mit der  bei guten Stativen beim Umschlagen des Objektivrevolvers die optischen Achsen der verschiedenen Objektive in der Gebrauchslage zusammen fallen, wird im Allgemeinen  durch eine besonders sorgfältige Behandlung der Anlageflächen am Objektiv und am Revolver  erzielt. So unscheinbar diese Flächen auch aussehen, so entscheidend wichtig ist ihre sorgfältige Erhaltung und Behandlung für die Funktion des Revolvers. Daß diese Flächen etwas Besonderes sind, erkennt man schon daran, daß man sie ohne Oberflächenbehandlung, also Lackierung oder galvanische Behandlung gelassen hat, obwohl sonst die Mikroskopfirmen  auf einwandfreie Oberflächenbeschaffenheit ihrer Geräte größte Sorgfalt verwenden. Sitzt nun ein hartes Staubkörnchen, etwa Quarz oder ein winziger Metallspan, auf einer dieser Flächen, so genügt in vielen Fällen diese Unebenheit, um das Objektiv soweit aus seiner vorbestimmten Lage zu drücken, daß bei starker Vergrößerung in Frage gestellt ist, ob die interessierende Objekteinzelheit noch annähernd in der Sehfeldmitte liegt. Wenn man es also irgend ermöglichen kann, beläßt man die Objektive am Revolver, wenn man ihren einwandfreien Sitz durch betrachten einer Objekteinzelheit mit allen am Revolver angesetzten Systemen nacheinander festgestellt hat. Muß man die Objetive auswechseln, bürstet man die Anlageflächen vor dem Anschrauben mit einer alten Zahnbürste ab. ..."

Dr. Ludwig OTTO: "Durchlichtmikroskopie" VEB Verlag Technik Berlin, 1959: S. 56-57.

OTTO war wissenschaftlicher Mitarbeiter des VEB Carl Zeiss Jena.

Irgendwo habe ich auch mal gelesen, der Revolver sei das mechnisch empfindlichste Teil am ganzen Mikroskop. Ich habe selber ein schwarzes Leitz SM-Lux, welches mir seinerzeit der Uni-Feinmechaniker in Ordnung bringen sollte. Der Trieb ging schwer und ungleichmäßig, war halt verharzt. Den hat er auch schön hingekriegt, aber leider hat sich der Gute auch ohne Not am Revolver vergriffen, der seither genau das oben beschrieben Problem hat: alles Abbürsten der Objektivgewinde mit der Zahnbürste hat nichts mehr gebracht, man erkennt auch keine sichtbaren Beschädigungen, aber seither ist das Mikroskop - obwohl sonst recht schön erhalten - kaum noch zu Gebrauchen und außer Dienst gestellt. Ich weis nicht, was man da noch machen kann. - Dünnschliffbohrer
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Jürg Braun in November 07, 2013, 10:57:00 VORMITTAG
Guten Tag Dünnschliffbohrer

Ich weiss von einem Techniker der mit Zigarettenpapier schon Wunder vollbracht hat. Ich vermute jedoch, dass er schon jahrelang geübt hate. Die Objektive dürfen dann nie mehr ausgeschraubt werden! Sonst flattert die Justage davon.

Gruss

Jürg

Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: reblaus in November 07, 2013, 11:43:06 VORMITTAG
Hallo -

tanzende Objektive kann man auch erzielen, wenn Zwischenringen oder DIC-"Stühlchen" eingeschraubt werden. Da wird das Wiederfinden einer Objektstelle mit der nächst höheren Vergrößerung oft zum Glücksspiel. Deshalb hat Zeiss später auch Revolver herausgebracht, bei denen die DIC-Stühlchen fertig montiert waren.

Gruß

Rolf
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Florian Stellmacher in November 07, 2013, 14:17:45 NACHMITTAGS
Lieber Thomas,

Jabenz Hogg schreibt in The Microscope von 1998 auf Seite 260 "... and they [gemeint sind die Objektive] should always to be put into their brass cases when done with."

Hogg schreibt auch, dass der von Charles Brooke eingeführte Objektivrevolver, wobei er die Modelle verschiedener Hersteller gründlich vergleicht, Arbeitszeit einsparen würden und daher zu empfehlen sei. Wichtig sei aber die korrekte Zentrierung. Ähnliches habe ich auch bei Carpenter (1901), Beale (1880), Crooss & Cole (1922) und anderen gefunden. Keiner der Autoren schreibt jedoch, dass der Revolver speziell für das Auslieferungs-"Setup" angepasst werden müsse. Allerdings wird gewarnt, dass bei unterschiedlicher Baulänge der Objektve an ein und demselben Revolver sowohl das Präparat als auch die Obektive gefährdet seien. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Revolver ohne tellerförmige Abdeckung, wie sie erst später - einige Autoren behaupten von Beck - eingeführt wurden, die Objektve dem Staub aussetzen. Man darf die Autoren wohl auch so verstehen, dass die Objektive, die einmal in den Revolver eingeschraubt wurden, nicht unnötig wieder abgeschraubt werden sollten. Carpenter empfiehlt sogar, sich bei mehr als in den Revolver eingeschraubten Objektiven lieber gleich ein zweites Stativ zu kaufen!  :D

Herzliche Grüße,
Florian
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 07, 2013, 17:13:42 NACHMITTAGS
Lieber Florian,

woh, da hast Du aber gründlich recherchiert. Danke. Ich hätte gar nicht gedacht, dass sich aus diesem Thema doch Funken schlagen lassen  ;D
Ein Umstand ist nun geklärt, bzw. auch nicht, es war wohl damals wie heute Geschmacksache bzw. eine Frage der Arbeitsweise oder Ansprüche, wie man es mit dem (in vernünftigem Rahmen - selbstverständlichst) Objektivwechsel bzw. dauerndem Verbleib am Revolver hält.

Es scheint dann aber so, dass diese Anpassung bzw. die unbedingte Aufforderung das Stativ zur Anpassung einzuschicken eben doch vollkommenster Stuss ist (selbst wenn man die Aufforderung relativiert)? Das Risiko bei Transport usw. war ja auch damals sicher nicht zu verachten.
Es wird wohl seinen Grund haben warum diese Aufforderung recht schnell wieder aus dem Katalog verschwunden ist.

Wo wir aber gerade bei der Revolverlogie sind, in welchem Zeitraum wurden denn wohl die "gekapselten" Revolver, wie sie dann bei den vernickelten Stativen Standard waren, eingeführt? ich habe ein AABM, an dem befindet sich so ein "moderner" Revolver. Da es ca. Baujahr 1929 ist (Seriennummer 271000), hege ich die Hoffnung, dass es vielleicht schon mit diesem Revolver ausgeliefert wurde. So nach der These: Man hatte diese modernen Revolver schon entwickelt und hat sie am Flaggschiff (denn "über" dem AABM gab es nur noch das Universal) schon etwas früher eingeführt. Ich habe noch ein zwei andere späte Messingstative, an denen auch diese modernen Revolver hängen. Vielleicht haben die Besitzer sie aber auch nur nachgerüstet?

Herzliche Grüße
Thomas

Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 07, 2013, 17:26:59 NACHMITTAGS
... obwohl, vielleicht ging es ja um die Anpassung des Revolvers an den Tubus? Ich kann mir ansatzweise vorstellen, dass es hier eher eine sinnvolle Justierung geben konnte.
Ich mag einfach nicht recht glauben, dass es nicht doch irgendeinen vernünftigen Grund für diesen Satz gab.

Hm.
und natürlich Grüße
Thomas
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Klaus Henkel in November 08, 2013, 00:08:19 VORMITTAG
Zitat von: Dypsis in November 07, 2013, 17:26:59 NACHMITTAGS
Ich kann mir ansatzweise vorstellen, dass es hier eher eine sinnvolle Justierung geben konnte. ...
Ich mag einfach nicht recht glauben, dass es nicht doch irgendeinen vernünftigen Grund für diesen Satz gab.

Mit scheint, daß es in dieser Frage besser ist, über Fakten zu reden als über Gaubensdinge und die Vorstellungskraft. Wenn Ihnen das Thema so wichtig ist, dann sollten Sie wohl oder übel einen intensiven Blick in die Fachliteratur tun. Die gibt es nämlich durchaus.

Und was bitte, soll denn das: Vielleicht hatte da doch die Marktingabteilung die Finger im Spiel? Marketing um 1900. Da kann ich noch nicht einmal schmunzeln.
Dieses Konglomerat von Nichtwissen, Vermutungen, Glauben und Vorstellungen bringt doch nichts. Meine Fähigkeiten, einem Tauben den Klang einer Barockorgel zu beschreiben sind doch zu begrenzt. Am Ende war ja alles vielleicht doch eine Marketing-Verschwörung, so um 1900? Ein Blick in ein aktuelles Lexikon erklärt recht genau, wann der Begriff Marketing zum ersten Mal in Industrie und Handel auftauchte.

Wenn man etwas erklärt und als einzige Antwort darauf vom Adressaten erwidert wird, er könne sich das nicht so recht vorstellen, ist das kein ernstzunehmender Beitrag. Da verliert man nach dem zwanzigsten Beitrag scho a bissel die Lust.

Servus
KH
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Dypsis in November 08, 2013, 01:28:35 VORMITTAG
Guten Abend Herr Henkel,

ich finde Ihren Ton recht befremdlich und verstehe nicht ganz womit ich mir den verdient haben. Sie beschweren sich, dass ich mir erlaube meine Zweifel nicht mit einem Beitrag von Ihnen ein für allemal als ausgeräumt zu betrachten, lassen es aber an der minimalen Form der Höflichkeit fehlen, mich wenigstens bei Ihrer Rüge direkt anzusprechen. Gibt es eine deutlichere Form der Mißachtung?
Aber sei´s drum.

Natürlich hat es um 1900 keine sogenannte Marketingabteilung gegeben haben. Sicher aber jemand der sich Gedanken darüber gemacht hat, wie man die Umsatzzahlen steigern kann oder Kunden binden (wenn auch nicht so aggressiv und mit der Priorität wie es heute geschieht). Davon abgesehen, es war im übertragenen Sinne gemeint, scherzhaft und nur so nebenbei bemerkt. Ich dachte, das könnte man bei gutem Willen verstehen... Es wundert mich, dass Sie sich darauf kaprizieren.

Zur Sache selbst haben Sie jetzt aber leider nichts mehr geschrieben. Aber da Sie zwischen den Zeilen andeuten, dass Sie keine Perlen mehr vor die Säue werfen wollen wird auch nichts mehr kommen.
Ich sehe da nach wie vor noch Widersprüche. Auch wenn Sie das für Torheit halten.

Ich wünsche Ihnen ein angenehme gute Nacht

Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: Florian Stellmacher in November 08, 2013, 09:03:43 VORMITTAG
Lieber Thomas,

auch nach Durchsicht weiterer, nun verstärkt auch deutschsprachiger Literatur bis 1932 habe ich keinen Hinweis auf eine werksseitige Optimierung der Revolveranpassung für die bei Auslieferung mitgegebenen Objektive gefunden. Angesichts der Tatsache, dass eine Markierung der einzelnen Gewinde des Revolvers erst sehr viel später eingeführt wurde, ist eine derartige Anpassung wohl als relativ zu betrachten. Es wird sicherlich auch noch Literatur geben, die ich (noch) nicht besitze.

Zu allen Zeiten waren Firmen, die etwas herstellten, auch darauf angewiesen, dass ihre Produkte gekauft wurden. Da war eine positive Erwähnung in der Literatur, eine gewonnene Medaille bei einer Messe oder sogar der Rang eines Hoflieferanten recht hilfreich, um den Vertrieb anzukurbeln. Leider hat sich, zumindest meines Wissens nach, noch niemand die Mühe gemacht, eine Karte der Regent Street, High Holborn, in London im letzten Viertel des 19. Jh. zu zeichnen und dort die Mikroskop-Hersteller und -verkäufer einzuzeichnen. Diese lagen praktisch Tür an Tür und kupferten voneinander ab, was das Zeug hielt. Sich auf derartigem Territorium ein dauerhaftes Überleben zu sichern, hat sicherlich auch schon damals die Vorgänger heutiger Manager beschäftigt. Dass sich die Firma Zeiss, namentlich Ernst Abbe, ihre wesentlichen Erkenntnisse bezüglich der theoretischen Optik sowie die daraus abgeleiteten neuen Instrumente und Einzelkomponenten (z.B. apochromatische Objektive, Abbescher Beleuchtungsapparat), soweit dies möglich gewesen wäre, nicht hat patentieren lassen, ist sicherlich eine Ausnahme, die man nicht genug würdigen kann. Gleichwohl standen auch deutsche Hersteller in nationaler und internationaler Konkurrenz. Daher würd ich Dein Argument der Kundenbindung nicht einfach wegwischen wollen.

Herzliche Grüße,
Florian
Titel: Re: Tubus-Revolver-Objektivanpassung bei alten Leitzhufeisen
Beitrag von: mikromeister in November 08, 2013, 10:21:47 VORMITTAG
Zitat von: Dünnschliffbohrer in November 06, 2013, 22:56:09 NACHMITTAGSDen hat er auch schön hingekriegt, aber leider hat sich der Gute auch ohne Not am Revolver vergriffen, der seither genau das oben beschrieben Problem hat: alles Abbürsten der Objektivgewinde mit der Zahnbürste hat nichts mehr gebracht, man erkennt auch keine sichtbaren Beschädigungen, aber seither ist das Mikroskop - obwohl sonst recht schön erhalten - kaum noch zu Gebrauchen und außer Dienst gestellt. Ich weis nicht, was man da noch machen kann

Der Revolver hat eine Planlauffläche, eine zentrierende Lagerung und eine Index-Rastung.
Ausserdem hat jedes Objektiv mindestens eine Plananlagefläche und ein Gewinde, das prinzipiell schlecht zentriert.

Jeder dieser 5 Funktionseinheiten kann durch Verschmutzung, Beschädigung oder Dejustage ein Zentrierungsproblem verursachen.
Das Objektivgewinde ist dabei wohl das unkritischste Teil.

Ich würde empfehlen, durch Versuche herauszufinden, ob der Fehler systematisch oder zufällig ist.
Außerdem, ob er bei Austausch der Objektive mit diesen "mitgeht", also am Objektiv liegt oder eben am Revolver selber.
Dann lohnt sich sicherlich das Drücken hier und dort, um zu sehen ob es was mit Spiel zu tun hat.

Nach diesen Versuchen sollte das Problem so weit eingegrenzt sein, dass Abhilfe möglich ist.

Zuletzt möchte ich doch dafür plädieren, dass man das Abbürsten von Feinmechanik mit alten Zahnbürsten unterlässt.
Zahnpaste-Schleifreste sind unzweifelhaft schädlich.
Ein feuchtes Einweg-Brillenputztuch ist in diesem Fall sicherlich nicht das Optimum, aber allenthalben erhältlich und um Welten geeigneter.