Botanik: Faulbaum, Pulverholz (Frangula alnus) *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, August 28, 2012, 19:15:26 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Faulbaum wächst bei uns im ,,Ristedter Moor" in der Nähe von Bremen. Er hat seinen Namen von der Rinde, die im frischen Zustand einen unangenehmen faulen, Brechreiz hervorrufenden Geruch hat.
Von lat. ,,frangere" = brechen.
Der Faulbaum (Frangula alnus) ist ein bis 5 Meter hoher Baum der auf sauren Böden im Moor gedeiht. Er trägt im Gegensatz zum Kreuzdorn keine Dornen.
Er blüht von Mai bis Juni. Die 7-8 mm großen Steinfrüchte färben sich bei der Reife von grün über rot nach schwarzviolett.
Die aus Faulbaumholz hergestellte Holzkohle ist von hoher Qualität und diente zur Schießpulverbereitung (Schwarzpulver)- daher der Zweit-Name Pulverholz !
Er fand seit dem 14. Jahrhundert Anwendung in der Heilkunde und wurde somit auch in den alten Kräuterbüchern beschrieben. Faulbaumrinde enthält verschiedene Anthrachinone  (Anthrachinonderivate  sind die Wirkstoffe diverser pflanzlicher Abführmittel), unter anderem Emodin (Pflanzenwirkstoffe gegen Diabetes)  und Tannine (Gerbstoffe).
Von der Einnahme zur so genannten Blutreinigung oder Gewichtsabnahme, wie in der Volksheilkunde üblich, wird wegen der vorhandenen Risiken abgeraten. Über die möglicherweise Krebs auslösenden Eigenschaften nach Langzeiteinnahme wird immer noch kontrovers diskutiert.

Alle Pflanzenteile sind giftig.

Systematik:

Ordnung: Rosenartige (Rosales)
Familie: Kreuzdorngewächse (Rhamnaceae)
Gattung: Faulbäume (Frangula)
Art: Faulbaum, giftig !
Wissenschaftlicher Name: Frangula alnus
Volkstümlicher Name: Pulverholz, Stinkboom oder Schusterholz
Englischer Name: alder buckthorn

Bild 01 Illustration aus dem Jahre 1796

Quelle: Deutschlands Flora in Abbildungen  http://www.biolib.de
Urheber: Johann Georg Sturm (Zeichnung von: Jacob Sturm)
Diese Bild ist gemeinfrei.

Bild 02 Frangula alnus

Foto aus dem ,,Ristedter Moor"

Bild 03 Frangula alnus

Längsschnitt durch Steinfrucht mit 2 Samen.


Spross, Querschnitt, 20 µm

Bild 04  Schnittstelle,  Frangula alnus

Spross mit grauer bis braunvioletter Rinde. Triebe mit den typischen, länglichen Korkwarzen. Das Holz des Faulbaumes ist leicht und weich und zeigt sich im Splint hellgelb, im Kern ziegelrot. Früher nutzte man es für Drechslerarbeiten in der Tischlerei.

Bild 05 Reichert Schlittenmikrotom

Nur mit einem ziehenden Schnitt - Winkelstellung 15 Grad - ist ein sauberer Querschnitt möglich. Das Holz ist typischerweise sehr brüchig.
Für die Schnitt habe ich die " Feather – Klingen, Type A22" verwendet. Dieser Klingentyp ist nach meiner Erfahrung schärfer als die Leica 818 Einwegklinge.

Bild 06  Gegenüberstellung, ungefärbter Schnitt, Frangula alnus

Deutlich erkennt man die beachtlichen Unterschiede der Strukturfeinheiten  bei den verschiedenen Schnittstärken.

Arbeitsanleitung:

Original Färberezept siehe Seite von Herrn Armin Eisner http://www.aeisner.de/
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf :

1. Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 4 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan.

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahme  wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 07 Übersicht Frangula alnus

Die sechs Lentizellen sind deutlich zu erkennen.
Die Übersichtsaufnahme  wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 08  Vergrößerung  aus der Übersicht mit Beschriftung, Frangula alnus

Bei starker Vergrößerung erkennt man, dass der Kork (KO) aus vielen Schichten radial in Reihen stehender, rechteckiger Zellen besteht. Darunter liegt eine kollenchymatische  Schicht und weiter innen das auffällig getüpfelte Parenchym der primären Rinde.
KO = Kork Epidermis mit Cuticula, PR = primäre Rinde Kork, PH = Phloem, R = Rindenparenchym primäre Rinde, K = Kambium, XY = Xylem, MA = Markparenchym

Bild 09 Querschnitt  durch eine Lentizelle mit Beschriftung,  Frangula alnus

Diese bestehen aus einem Haufen locker miteinander verbundener Zellen.
R = Rindenparenchym, EP = Epidermis, KK = Korkkambium, F = lockere Füllzellen, CU = Cuticula, K = Kork


Neue Färbung mit Fuchsin-Chrysoidin-Astrablau nach Etzold (FCA-Färbung)

Vorbehandlung mit Klorix – Bleichmittel (1 Teil Klorix + 9 Teile Wasser)

Arbeitsablauf :

Schnitte gründlich in Aqua dest. spülen.
FCA - Farblösung   5-8 Min. gelegentlich schwenken.
Kurz abspülen in Aqua dest.
In zwei Portionen Ethanol 30%ig abspülen.     je 30 Sek.
In Ethanol 70%ig differenzieren     ca. 30 Sek.
In zwei Portionen Ethanol 30%ig abspülen.     je 30 Sek.
der Rest des überschüssigen Farbstoffes geht ab.
Entwässern in zwei Portionen abs. Isopropanol     je 1 Min.
Je nach Einschlussmittel über Xylol oder gleich einschließen.

Ergebnis :

Verholzte Zellwände rot, oft in verschiedenen Farbtönen (Sklerenchym purpurrot, Xylem: ziegel- bis gelbrot). Eingewachsenen Steinzellen orange. Holzfasern dunkelrot, Markstrahlenzellen mehr gelbrot, cutinisierte Zellwände gelb bis orangerot. Unverholzte, nicht cutinisierte Zellwände blau, Korkschichten ungefärbt. Mittellamellen verkorkter Zellen oft rot (verholzt). Kallose sowie Reservezellulose in Samen ungefärbt. Plasma meist rötlich. Zellkerne rot oder blau.
Bei der Betrachtung wird eine Kontrastverbesserung bei Verwendung eines BG 38 Filters (blaugrün, 3mm dick) erreicht.

Schlussfolgerung :

   blaue Zellen: lebende Zellen, Grundgewebe
   rote Zellen: tote Zellen, Stützgewebe, Sklerenchym


Bild 10 Vergrößerung  Frangula alnus


Bild 11 Gegenüberstellung  der beiden Färbungen


Bild 12 Gegenüberstellung der AF – Fluoreszenzaufnahmen


Blattstiel, Querschnitt 20 µm

Bild 13 Schnittstelle, Frangula alnus

Die 3-4 cm breiten Blätter haben gewöhnlich 6 - 9 Seitennerven und sind ober- und unterseits entlang der Adern behaart.

Bild 14 Übersicht,  Frangula alnus

Zentrales Leitbündel

Bild 15 AF – Fluoreszenzaufnahme, Blattstiel, Frangula alnus

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.

Literaturhinweis  und Quellen:

Kosmos-Baumführer Europa, ISBN 978-3-440-11741-5
Schmidt, Peter A. / Hecker, Ulrich: Taschenbuch der Gehölze; ISBN 978-3-494-01448-7
Stahl-Biskup, Reichling: Anatomie und Histologie der Samenpflanzen ; ISBN 3-7692-3204-6
Ben-Erik van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart; ISBN 3-8047-2069-2, 2004.
Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen; Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg.
Wikipedia; Freie Enzyklopädie.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen



Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Joachim7

Hallo Hans - Jürgen,

wieder eine beeindruckende lehrreiche Dokumentation.

In der Gegenüberstellung Etzold ./. Wacker Färbung finde ich für mich die letztere aussagefähiger.
Freundliche Grüße aus dem Remstal

Joachim

ich bevorzuge das freundschaftliche "DU"

Mila

Lieber Hans-Jürgen,

Faulbaumrinde wird immer noch als abführende Droge eingesetzt, allerdings muss man, wie Du schon schriebst, die Neben- und auch Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln beachten. Ich mikroskopiere mit meinen Schülern die gepulverte Droge und freue mich sehr über Deinen Beitrag, vielen Dank.

Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

es ist wieder eine Freude, Deinen Beitrag zu lesen! Vielen Dank für die sorgfältige Darstellung dieser schönen Pflanze.

Besonders interessant finde ich die etwas "nach innen gekehrten" Lentizellen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

hajowemo

Lieber Hans-Jürgen,

ich freue mich immer wieder auf deine ausführlichen Beiträge.
Auch dieser ist dir wieder sehr gut gelungen.

Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
Homepage www.mikroskopie-hobby.de
Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Detlef Kramer

Lieber Hans-Jürgen,

Deine Fotos werden wirklich stetig besser. Kompliment!

Von mir muss aber auch Meckerei kommen, das bist Du ja gewohnt?!

Bild 08: Wieso soll die primäre Rinde außerhalb der Rinde liegen? Also "R" ist primäre Rinde, "PR" ist Kork und "KO" ist die Epidermis mit Cuticula.

Die Lentizelle ist toll getroffen!

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

Lieber Detlef,

upps, Du hast natürlich recht - was aus meiner Sicht auch die "nach innen gekehrte" Lentizelle erklärt, die in Bild 9 so gut getroffen ist. Da kann man auch noch sehr schön die Cuticula sehen, was ich so deute, dass sich im Rindenparenchym bereits das Periderm gebildet hat, das im Rahmen des weiteren Wachstums die außen liegenden Zellschichten (Epidermis und ggf. noch etwas Parenchym) aufsprengen wird.

Sehe ich das richtig? Zumindest habe ich auch meine Schnitte vom Spross der Großen Engelstrompete (Bild 7c) in dieser Richtung interpretiert. Wenn nicht: mecker' ruhig rum, wir lernen alle davon. ...  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

ich danke für das Interesse und Euer Lob.

@ Detlef,

danke für Dein Kompliment. Wieso Meckerei ?
Ich freue mich, wenn Du meine Beiträge liest und Fehler erkennst. Ich bin gerne bereit diese zu korrigieren. Dadurch lernen evtl. mehrere etwas von der Pflanzenanatomie.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
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