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"Ich habe den längsten ......

Begonnen von Michael Plewka, September 09, 2013, 08:35:48 VORMITTAG

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Michael Plewka

......Stachel, zumindest relativ!" würde dieses Rädertier von sich behaupten können, wenn es denn sprechen könnte.

hallo zusammen,

Dieses bizarre Rädertier  habe  ich nun zum 3. Mal gefunden; diesmal in den Teichen an der Ruhr-Universität Bochum. Bei dem ersten Fund war ich noch sehr aufgeregt und habe habe vor lauter Nervosität das einzige gefunden Viech beim Freipräparieren zerlegt.



Es handelt sich um Squatinella  longispinata und nicht, wie ich fälschlicherweise beim Mikroskopikertreffen in Hagen behauptet hatte: S. leydigi; unterscheidbar von letzterem durch den Stachel am 3. Fußsegment.

Das zweite Rädertier dieser Art fand ich dann in einer über 6 Monate alten Probe, die den ganzen letzten (langen !!!) Winter draußen gestanden und somit tief durchgefroren war. Trotzdem (oder gerade deswegen ??) ließen sich sehr viele Exemplare finden. Wie sie den Winter überlebt haben, weiß ich nicht; irgendwelche Dauereier habe ich nicht gefunden.

Hatte ich zuvor geglaubt, es mit einer recht seltenen Art zu tun zu haben (immerhin suche ich schon über 12 Jahre danach), stellte ich nun in der 3. Probe wieder eine große Anzahl dieser Viecher fest.

Allen Proben gemeinsam ist, dass dort auch der Wasserschlauch (Utricularia sp.) zu finden ist.
Das exotische und auffällige Merkmal ist nun dieser Stachel, der senkrecht aus dem Rücken des Viechs wie eine  zu lange Haifischfloose herausragt. Der Stachel ist elastisch am Rücken befestigt und bewegt sich während des Schwimmens nach hinten; er bremst dabei also regelrecht die Bewegung ab. Kostet also Energie. Ebenso konnte ich beobachten, dass die Viecher sich in Detritusflocken oder Algenfäden sehr häufig verheddern. Man fragt sich deshalb unwillkürlich: "wozu ist der gut?"

Man kann deshalb, wie in so vielen Fällen, spekulieren. Die typische Vermutung "Schutz vor Fressfeinden" erscheint mir wenig plausibel: ich habe keine gefunden.
Der Vergleich mit Pfau oder Hirsch  bringt wenig: Ein Attraktivitätsfaktor für Geschlechtspartner liegt nicht vor.
Ob es sich um einen Schwebefortsatz handelt, so wie man es bei planktischen Formen von Algen (z.B. Chaetoceros, Asterionella)  oder auch Rädertieren (Kelicottia, Filinia) findet, kann ebenso bezweifelt werden.
Ein Selektionsvortieil könnte sein, dass der Stachel davor schützt, von den Fangblasen des Wasserschlauchs eingesogen zu werden. Das würde auch erklären, warum ich S. longispinata und Utricularia sp. immer zusammen gefunden habe.
Andererseits wurde eine weitere Art derselben Gattung, nämlich S. rostrum, ebenfalls in den Proben angetroffen, was den adaptiven Vorteil von S. longispinata wiederum relativiert.

Weitere Bilder hier:

http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Squatinella%20longispinata.html

beste Grüße Michael Plewka






Ernst Hippe

Lieber Herr Plewka,
hoch interessant! Bisher habe ich trotz jahrzehntelangem Tümpeln diese Art nicht gefunden. Die Begründung mit dem Wasserschlauch erscheint mir sehr plausibel. Danke fürs Zeigen!
Gruß Ernst Hippe
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Eckhard

Hallo Michael,

ein sehr interessanter Fund! Man würde denken, ein solcher Stachel sei bei der Bewegung eher hinderlich.

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
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ruhop

Hallo, Herr Plewka.

Ein wirklich gelungenes Foto.

Der Gedanke, daß es sich bei dem langen Stachel um eine passive Gegenwehr in Richtung Freßfeinde handeln könnte, kam mir bereits beim Lesen Ihres Artikels, zumal Sie ja auch den Wasserschlauch erwähnten. Ich dachte dabei an die Entwicklung der Seitenstacheln bei Brachionus calyciflorus im Zusammenhang mit dem Auftreten von Asplanchna. Ernst Hippe hat ja wohl ähnliche Assoziationen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, dieses Phänomen in einen entsprechenden Zusammenhang bringen zu können.

Schönen Gruß aus dem Hintertaunus

H. Penzhorn

A. Büschlen

Hallo Herr Plewka

ich bin immer wieder beeindruckt von ihren sorgfältig dokumentierten Bildern.

Wo liegt ihre Annahme begründet, dass ein Zusammenhang mit dem Vorkommen von Utricularia sp. besteht?

Gruss Arnold Büschlen
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

Michael Plewka

hallo zusammen,

@ Herrn Büschlen:

leider verstehe ich Ihre Frage nicht so ganz, da nicht deutlich wird, was da im Zusammenhang mit dem Vorkommen stehen soll.

Die Annahme, dass  das Vorkommen von S. longispinata mit dem Vorkommen von Utricularia zusammenhängt, ist darin beründet, dass ich dieses  (relativ seltene -siehe auch dei Beiträge der Kollegen-) Viech 3x in der Anwesenheit von Utricularia gefunden habe. Ein experimenteller Beweis ist das nicht. Weitere Anhaltspunkte habe ich nicht. Die Hoffnung, dass vielleicht weitere Beobachtungen aus dem Forum mehr Licht ins Dunkel bringen, scheint sich ja nicht zu erfüllen. Wie gesagt, das ist lediglich eine Annahme.

Wenn ich oben geschrieben habe, dass dieses gemeinsame Vorkommen damit erklärt werden könne, dass dieser lange Stachel möglicherweise eine  "Fraßsschutz" darstellt, so ist das schlicht und ergreifend dummes Zeug: vielmehr ist es genau umgekehrt. Das gemeinsame Vorkommen bietet eine Erklärung für die Größe bzw. Existenz des Stachels als evolutive Anpassung. Ein Beweis ist das selbstverständlich ebenfalls nicht. ich bitte diesen Fehler zu entschuldigen.

Damit fehlt es freilich weiterhin an einer Erklärung für das gemeinsame Vorkommen (so dieses denn mehr als purer Zufall ist). Auch hierfür gibt es die große Menge der allgemeinen ökologischen Vermutungen (Nahrungsangebot, Symbiosen etc. ), die aber alle auf eine experimentellen Überprüfung warten.

beste Grüße Michael Plewka