Lackabzüge, Messen von Chip-Details mit dem Interphako-Mikroskop

Begonnen von Carsten Wieczorrek, Januar 25, 2025, 10:10:32 VORMITTAG

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Carsten Wieczorrek

Hallo,
ich habe lange an der Erstellung von Lackabzügen gearbeitet, jetzt bekomme ich vorzeigbare Ergebnisse hin.

Für die Qualitätskontrolle von Mikrochips wurden Lackabzüge angefertigt. Das war erforderlich, da es zwischen unterschiedlichen Metallen zu einem Phasensprung kommt. Da die Schichten sehr dünn sind, kann die elektromagnetische Lichtwelle etwas in das Material eindringen (,,tunneln"). Diese Eindringtiefe ist von Metall zu Metall verschieden. Misst man interferometrisch, kommt es an Kanten, an denen verschiedene Metalle zusammen kommen, zu Messfehler. Der Lackabzug besteht aus einem einheitlichen Material, da tritt das Problem nicht auf.

Ich verwende jetzt handelsüblichen Nagellack. Den ziehe ich unverdünnt auf und lasse ihn etwa 1,5 h trocknen. Dann schneide ich mit einer Rasierklinge die Chip-Ränder nach und kann den Film mit einer Pinzette abziehen. Längeres Trocknen führt zu zu harten Filmen, die beim Abziehen brechen.

Die Filme decke ich nur noch in Luft ein, da ist der Kontrast am besten. Wie der Vortrag in Bonn gezeigt hat, kann auch Glyceringelantine nach 1 Monat die extrem feinen Strukturen auflösen. Lösemittelhaltige Eindeckmittel verbieten sich ebenso. Auch habe ich Eindeckmittel gefunden, deren Brechungsindex nahe dem von Nagellack ist: da sieht man gar nichts mehr.

Bevor wir jetzt ans Messen gehen, erst mal zwei "schöne" Bilder. Wohlgemerkt, das ist kein Auflicht, sondern Durchlicht.

Bild 1: Lackabzúg eines Chips im Interphako mit partiller Bildaufspaltung
chip_bunt_5.jpg


Bild 2: Lackabzúg eines Chips im Interphako mit partiller Bildaufspaltung
chip_bunt_6.jpg

Suchen wir uns eine Stelle mit einer dünnen Leiterbahn, siehe Bild 3.
Das Bild zeigt eine totale Bildaufspaltung, die zwei Teilbilder der Leiterbahn wurden so angeordnet, dass sie exakt neben einander liegen.

Bild 3: Leiterbahn in totaler Bildaufspaltung
leiterbahn_lateral.jpg


In der Objektiv-Austrittspupille zeigen sich dann Interferenzstreifen, siehe Bild 4.
Bild 4: Objektivaustrittspupille bei totaler Bildaufspaltung
lateral_klein.jpg

Der Streifenabstand ist umgekehrt proportional zu der Bildaufspaltung. Er wird mit einem Okularmikrometer gemessen. Es werden 3 Streifenabstände gezählt und 3,4 mm abgelesen, also ist b = 3,4/3 = 1,1333 mm. Damit berechnet sich die Breite zu

b = (163,8 x 525) / (1,1333 x 50,9 x 546) = 85995/31496 = 2,730 µm

Messen wir nun die Dicke einer Leiterbahn. Bild 5 zeigt einen anderen Ausschnitt von dem Chip. Das Bild ist aufgespalten, der rote Pfeil markiert die zwei Bilder einer Leiterbahn. Das Bild ist mit der Messtrommel des Mikroskops auf Gleicheit der Helligkeit der beiden Leiterbahn-Teilbilder abgeglichen.

Bild 5: Abgleich der Teilbilder auf gleiche Helligkeit
leiterbahn_beide.jpg

An der Messtrommel wurde 76 abgelesen. Jetzt wird mit der Messtrommel das Bild so eingestellt, dass das rechte Teilbild die größte Dunkelheit zeigt, siehe Bild 6:

Bild 6: Abgleich auf größte Dunkelheit im rechten Teilbild
leiterbahn_rechts.jpg

An der Messtrommel wurde 10 abgelesen. Jetzt wird mit der Messtrommel das Bild so eingestellt, dass das linke Teilbild die größte Dunkelheit zeigt, siehe Bild 7:

Bild 7: Abgleich auf größte Dunkelheit im linken Teilbild
leiterbahn_links.jpg

Bei der Einstellung für Bild 7 wurde an der Messtrommel 43,4 abgelesen (von 76 über 100). Fr die Phasenverschiebung gilt dann, da 76 – 10 = 66 und 143,4 – 76 = 67,4

D = (67,4 + 66) / 2 * 5,09 = 339,5 nm.

Aus der Phasenverschiebung lässt sich die Dicke berechnen, wenn der Brechungsindex des Lackes bekannt ist. Es gilt

D = h * (n1-n2)

Wobei D die Phasenverschiebung, h die Höhe/Dicke, und n2/n1 die Brechungsindices des Lackes und des Eindeckmittels sind. Setzen wir für Luft n2 = 1 und für den Lackfilm 1,525 (Literaturwert für einen Zaponlack), dann ergibt sich

h = D / (n2 -n1) = 339,5 / (1,525-1) = 339,5/0,525 = 646,7 nm = 0,6467 µm

Schöne Grüße
Carsten

P.S.: Kann jemand den Brechungsindex von Nagellack bestimmen?



Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

olaf.med

Hallo Carsten,

ZitatP.S.: Kann jemand den Brechungsindex von Nagellack bestimmen?

Wie genau brauchst Du es denn? Hier gibt es eine Methode, die die Bestimmung in Sekundenschnelle auf die 3. Nachkommastelle genau ermöglicht. Man kann sogar die Änderung des Brechungsindex in Abhängigkeit von der Aushärtzeit verfolgen.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Spectrum

#2
Vielen Dank Carsten,
Ein interessantes Verfahren das du uns hier zeigst.
Grüße Holger
Holger
Duzen und meine Bilder (auch ungefragt)  bearbeiten, mit eigenen Aufnahmen ergänzen und weitergeben erwünscht!

Aljoscha

Hallo Carsten,

Das ist ein Thema, von dem ich rein nichts verstehe. Deine Bilder sind trotzdem sehr beeindruckend für mich. Toll, was man da rausholen kann.

Viele Grüße

Alexander

hugojun

Hallo Carsten,
vielen Dank für den schönen Beitrag.
Das Treffen in Bonn hat die Anwender dieser Methode doch ein gutes Stück nach vorne gebracht.
Die Unsicherheit über Manipulation der Betriebselemente und dass was man beobachtet hat uns doch alle verunsichert, da zu Hause im Kämmerlein keine Vergleichsmöglichkeiten bestanden.

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist der Lackabdruck kein brauchbares Dauerpräparat.
Die Bestimmung des Brechungsindex am Lack macht auch nur dann Sinn, wenn eine gewissen Trocknungskonstanz eingetreten ist ( natürlich nach dem Entfernen vom Chip).
Ist es dann nicht angebracht, den Abdruck erst zu vermessen, wenn diese Konstanz eingetreten ist, oder sind Verzerrungen durch Lackschrumpfung zu erwarten, wenn man zu lange trocknet?

Zu deiner Formel zur Bestimmung des Lateralmaß, habe ich auch eine Frage:
b = (163,8 x 525) / (1,1333 x 50,9 x 546) = 85995/31496 = 2,730 µm
woher stammen einige deiner ,,Konstanten", hier ,,fett"markiert.
525 und 546 würde ich für Wellenlängen in nm halten, aber dann warum 2 verschiedenen?
Schönen Sonntag
Jürgen

Carsten Wieczorrek

Hallo,
@Jürgen
Fangen wir mit der Formel an. Die ist aus dem Beyer. 163,8 ist die von mir ermittelte Interferometer-Konstante, 50,9 der Abbildungsmaßstab meines 50er Objektivs. 546 ist nach Beyer die CZJ Referenzwellenlänge und 525 die Wellenlänge meiner LED.

Natürlich sollten die Lackfilme komplett aushärten. Dazu langen nach Beyer 24h. Die Filme sind sehr gute Dauerpräparate. Man darf sie halt nur in Luft eindecken. Ich habe die Filme auf einen Objektträger gelegt, ein Deckglas aufgelegt und vorsichtig plan gedrückt. Nach 24h habe ich die Ränder des Deckglas mit UV Kunststoff versiegelt.

Grüße
Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

hugojun

Dank Dir Carsten,

in der Formel

a = (C*λ) / (d* β'*546)

aus der Literatur 30-305-1 entspricht a deinem zweiten b und d deinem ersten b zu Bild 4.

a = (163,8 x 525) / (1,1333 x 50,9 x 546) = 85995/31496 = 2,730 µm

daher mein Missverständnis.

Der Rest :

C = Interferometer Konstante (163,8)
525 = LED
β`= Abbildungsmaßstab (50,9)
d = ermittelter Streifenabstand für λLED



LG
Jürgen