Einige Aspekte zu Asplanchna + Ergänzungen

Begonnen von Michael Plewka, Oktober 11, 2010, 22:48:36 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Liebes Forum,
weil es sich gerade anbietet, möchte ich einige Bilder zu den  inneren Organen von Asplanchna zeigen. Hier zunächst mal 3 Totalansichten von demselben Tier, auf unterschiedliche Schärfeebenen fokussiert.

In Bild 1 , quasi in Dorsalansicht, erkennt man neben dem Lateraltaster (LT) zahlreich Fasern, von denen die dickste (Rt) wahrscheinlich eine Retraktormuskel darstellt, der das Einziehen des  Kopfbereichs ermöglicht. Die anderen Fasern können Nerven bzw. weitere Muskelfasern sein. Seltsamerweise ist eine Querstreifung der Muskeln  (so wie sie z.B. bei Polyarthra zu erkennen ist)  nicht  erkennbar. Im Kopfbereich ist weiterhin eines der beiden Augen zu erkennen:




Bild 2  zeigt den Fokus auf den Verdauungstrakt . Man erkennt den Oesophagus (Oes) , der in den Magen (Ma) mündet. Der Magen endet blind, d.h., unverdauliche Nahrungsreste werden wieder ausgewürgt. Der Magen ist an MuskelFasern aufgehängt, so dass dieser auf-und abbewegt werden kann. Dadurch wird die Nahrung bewegt und der Zutritt von Verdauungsenzymen erleichtert.  Weiterhin zu erkennen ist das Ovar (Ov), sowie die Blase (Bl), wobei das Nephridialorgan außerhalb der Fokusebene liegt:



In Bild 3 ist schließlich u.a. das Nephridial- bzw. Exkretionsorgan (Ex) zu erkennen. Weiterhin ist nun eine der paarigen Magendrüsen (MDr ) im Fokus.




In Bild 4 erkennt man beim 40fachen Objektiv (Ölimmersion) bereits einige Details des Nephridialorgans: einige der Terminalzellen sind mit ihren äußeren Fibrillen sichbar:




Bild 5  Beim 100 fachen Objektiv  erkennt man zwei Typen von Terminalzellen (eine zylinderförmige (TZ1) und drei trichterförmige  (TZ2)), welche die Flüssigkeit aus dem Körperinnenraum  (lt. KOSTE durch Diffusion) aufnehmen.
Im Video ( http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Filme/Rotifer/source/Asplanchna.html )kann man erkennen, dass sowohl die äußeren Fibrillen (rote Pfeilspitzen) als auch die Wimpernflammen (gelbe Pfeile) in Bewegung sind.  Die Flüssigkeit wird offensichtlich durch den Wimpernschlag in die Kapillarkänle gedrückt (grüne Pfeilspitzen) und gelangt von da aus in die Blase  (im Bild links).

(Zwar reicht die Qualität des Videos bei weitem nicht an die heran, die Holger Adelmann seinerzeit von den Wimpernflammen aufgenommen hat, jedoch kann man hier zusätzlich noch die amöboiden Zellen erkennen, die sich in ständiger Formveränderung durch das Körperlumen bewegen. Über deren Bedeutung weiß ich nichts.)




Das letzte Bild zeigt ein weiteres Ausschnitt aus einem schwangeren Asplanchna-Exemplar. Im Magen befindet sich ein junger bzw. embryonaler Bosmina-Wasserfloh. Das Asplanchna-Junge wiederum hat neben seinem Ovar (Ov2) bereits einen weiteren Embryo (Em), so dass hier insgesamt 3 Generationen zu sehen sind.



Viel Spaß beim Anschauen
beste Grüße Michael Plewka


Ernst Hippe

Hallo Herr Plewka,
großartige Darstellung! So deutlich und detailliert gibt es sowas wohl kaum in der Literatur - danke!
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

Joost van de Sande

#2
Hallo Herr Plewka,

ich unterschreibe sehr gern das Lob von Ernst. Deinen schönen Beitrag kann doch nicht mehr verbessert werden?
Sehr vielen dank auch für die schönen Bilder der Flame-cells.

Herzliche Grüße

Joost

Peter V.

#3
Zitat von: Ernst Hippe in Oktober 12, 2010, 08:43:39 VORMITTAG
Hallo Herr Plewka,
großartige Darstellung! So deutlich und detailliert gibt es sowas wohl kaum in der Literatur - danke!

Hallo Herr Plewka,

da freut man sich, endlich mal ein nach eigenem Ermessen halbwegs gelungenes Foto ( meine Asplanchnen ) einstellen zu können und dann kommt SO EIN Beitrag von Ihnen, mit SOLCHEN Fotos!!!

Keineswegs neidlos, sondern durchaus voller Neid  ;) muss ich anerkennen: einfach phantastisch, in jeder Beziehung!!! Insbesondere der dunkelblaue Hintegrrund mit den Verläufen macht das Ganze so "lebendig". Ich glaube, besser, klarer und ästhetischer kann man die "Viecher" kaum darstellen. Insbesondere das letzte Foto ist mein persönlicher Favorit.

Und dazu Ihre Erklärungen, bei denen ich ( Gedankenübertragung? ) sofort die gleiche Assoziation hatte wie Herr Hippe: Wenn es doch nur ein "Werk", eine Art "funktionell-anatomischen Tümpler-Atlas" gäbe, das genau so aufgebaut ist wie exakt DIESER Beitrag!!! Ausführliche Erklärungen der Strukturen und ihrer Funktion anhand hervorragender Mikrofotos. Und das exemplarisch und strukturiert für die verschiedensten Arten von Wasserlebewesen - aber das wird wohl ein Traum bleiben.....

Ich sage jedenfalls zu diesem Beitrag: Hut ab!

Eine Frage noch zur Technik: Sind die Aufnahmen geblitzt und welche Kamera haben Sie verwendet?

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Michael Plewka

hallo zusammen,
vielen Dank für die freundlichen Worte! Es freut mich, wenn der Beitrag etwas zur Erkenntnis Euch Tümplern beitragen konnte..
@ Herrn Voigt: bezogen auf meine 3 ersten hier gezeigten Fotos vermag ich keinen Unterschied bezüglich der Detailinformation in Ihren Fotos zu erkennen. Ob man im Bildhintergrund einen Verlauf hat oder nicht, ist sicherlich auch eine Geschmacksfrage. Von vielen Unterwasseraufnahmen kennt man einen Verlauf des Helligkeits- und Farbgradienten, was mir persönlich ganz gut gefällt. Dadurch kommen dann auch "unsere Kleinen" häufig besonders "alienmäßig" zur Geltung. Manchmal schwäche ich den Verlauf ab, manchmal verstärke ich den Verlauf bzw. füge einen hinzu. Bilder mit einem gleichmäßigen Hintergrund wirken dagegen eher seriös. Wichtig erscheint mir dabei aber vor allem, dass die besonderen Aspekte eines Organismus, die man zeigen möchte, auch richtig rüberkommen. Dabei  sind naturgemäß immer diejenigen Mikroskopiker  im Vorteil, die sich mit ihrer Materie auskennen. Martin Kreutz hat mir beispielsweise häufig wichtige Bilddetails (z.B. Zellkerne) an Protisten gezeigt, die ich gar nicht wahrgenommen hatte, weil ich die biologischen Zusammenhänge (noch) nicht kannte.
Zu der Technik: die Übersichtsaufnahmen mit 10 PlanAchromat, geblitzt, die anderen PlanApo, Öl; geblitzt, Als Kamera verwende ich einen Canon 450.
beste Grüße Michael Plewka

steffenclauss

Hallo Michael,

habe soeben Deinen hervorragenden Beitrag gelesen und kann mich den vorschreibern nur anschließen!
Auch nett das Du was zur Technik geschrieben hast. Im übrigen finde ich den DIK bedingten Verlauf, solange er Richtung Blau geht, passend zu allen Wasserorganismen. Selbst beim Dunkelfeld verwende ich gerne mal eine blaue Blende, weils oft a bissl schöner wirkt.

viele Grüße
Steffen

Jürgen H.

Hallo Herr Plewka,

Ihre Bilder ziehen mich weg von den Insekten zu der Rotatorien. Wunderbar, wie sich dem Auge das Innenleben darbietet, wenn es so gekonnt photographiert ist, wie bei Ihnen.

Einige Fragen hätte ich zu Ihren Bildern:

Wenn ich Ihre Bilder richtig interpretiere, hat das Tierchen nur ein Auge. Oder zeigen Bild 1 und 3 unterschiedliche Seiten des Tierchens?

Der eine Lateraltaster am oberen Bildrand ist deutlich zu sehen. Sie vermuten einen zweiten.  Wissen Sie, wozu das Tier diese Organe genau benutzt? Vermeidungsstrategie? Fortpflanzung? Der Taster scheint ja mit einem kleinen Haarbüschel recht komplex aufgebaut.


In Bild 2 erscheinen am oberen Hinterende zwei Einbuchtungen in der Außenhaut, die anscheinend durch den Zug von zwei fädigen Gebilden entstehen? Gibt es dafür eine Erklärung?

Bei den fädigen Gebilden erscheinen an einigen Stellen Knoten, z.B. bei Bild 2 oberhalb der Speiseröhre. Sind das Nerven mit Nervenknoten?

In Bild 1 erscheint beim Kopf unten ein zangenartiges Gebilde, das an eine mittelalterliche Bauzange mit runden Backen zum Greifen großer Steine erinnert. Dient diese Zange der räuberischen Lebensweise des Tierchens, also zum Greifen von Beute? Darüber ein ähnliches zangenartiges Gebilde das eher wie eine spitze Pinzette aussieht. Auch hier die Frage nach der Funktion?

Mikrogrüße

Jürgen









Holger Adelmann

Lieber Herr Plewka,

wunderbar klare Aufnahmen und toll dokumentiert !
Mein Favorit ist ganz klar die vorletzte Aufnahme mit den Nephridien.

Herzliche Grüsse
Holger Adelmann


Michael Plewka

hallo zusammen,
vielen Dank nochmal an alle für die freundlichen Worte...

@ Herrn Harst: Ihre Fragen machen deutlich, dass Sie es nicht nur verstehen, die Morphologie von Insekten hervorragend zu dokumentieren, sondern  dass Sie sich auch sehr gut in die Problematiken anderer Tiergruppen hineinversetzen können. Beeindruckend!

Einige Fragen kann ich noch ganz gut beantworten:
fangen wir mit der ersten an: lt. KOSTE hat Asplanchna 3 Augen: ein Cerebralauge sowie zwei Lateralaugen (Ocellen).  Hier eine Frontalaufnahme, die ich schon einmal früher hier im Forum gezeigt habe. Es handelt sich um eine Asplanchna, die in einem Wassertropfen an der Oberfläche rädert (Aufnahme ohne Deckglas) . Man kann  folgendes erkennen:  Sz: Sinneszelle, Oc: Lateralaugen (Ocellen),  CA: Cerebralauge, an der Frontseite des Gehirns (G);  blaue Pfeilpitzen: Cilien, sowie den Kauer (K).




Hier noch einmal ein anderes Bild von dem Kauer.
Man erkennt:  Ra: klauenartige, bezahnte Rami (Ra) zum Ergreifen der Beute ; Fu: Fulcrum; Man: Manubrien; Un: Unci :



In den zuvor gezeigten Bildern ist der Kauer nicht zu sehen. Die von Ihnen angesprochenen zangen- bzw. pinzettenartigen Gebilde sind wahrscheinlich Sinnesorgane innerhalb des Räderorgans. Hierzu ein weiteres AusschnittsBild vom Kopfbereich.
Die gelben Pfeile zeigen die SinnesCilien, W bedeutet die Wimpern, welche der Fortbewegung bzw. dem Herbeistrudeln der Nahrung dienen:



Zur Frage der Einbuchtungen:  Wie man sieht, ist der Großteil des Körpers von Asplanchna  mit einer durchsichtigen Körperflüssigkeit gefüllt, die scheinbar unter einem gewissen Überdruck steht, welcher dem Körper  ähnlich einem Luftballon eine gewissse Form und Stabilität verleiht. Wie dieser Druck aufgebaut bzw. aufrechterhalten wird, ist  wohl noch nicht geklärt. Da Asplanchna  ein relativ großes Rädertier (ca 1000µ) ist, muss man zum Mikroskopieren ein Deckglas auflegen und zum Erfassen der hier gezeigten Details die Schichtdicke reduzieren, so dass Asplanchna (m.o.w. leicht) gequetscht wird.  Dieses stellt für das Tier eine lebensbedrohliche Situation dar: allzuleicht passiert es, dass Asplanchna dabei seine  Eingeweide irreversibel nach außen stülpt. Insofern ist leicht nachvollziehbar, dass Asplanchna durch Muskelkontraktion  versucht, dieser Situation zu entkommen.


Zu den Knoten. Asplanchna besitzt einige Längsmuskeln, sowie einige quer verlaufende Ringmuskeln.  Mir ist bisher nicht klar, wie ich im Lichtmikroskop bei lebenden Rädertieren die Nervenzellen von Muskelzellen unterscheiden kann (Vitalfärbung??).   Dennoch meine ich, dass einige der sichtbaren Fasern Nervenzellen sein müssen. Bei den  Knoten innerhalb von Asplanchna konnte ich  folgendes feststellen:
zum einen  nehmen  die Amoebocyten  (A) ständig Kontakt mit anderen Zellen auf. Hier nochmal ein Bild von einer solchen Zelle:




Dabei entstehen Fäden, welche andere Fasern (Nerven/Muskeln) vortäuschen. Diese verschwinden wieder . Hierzu auch noch ein kleines Video unter: http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Filme/Rotifer/source/AsplanchnaAmoebocyt.html


Daneben gibt es aber statische Gebilde. Ob es sich bei der mit N bezeichneten Struktur um den Zellkörper einer Nervenzelle handelt, ist mir ebenso unklar wie die weiteren knotenartigen Gebilde (außer A). M? könnte eine Muskelfaser sein. Querstreifung lässt sich wie gesagt nicht erkennen:




Und damit komme ich auch zu Ihrer  2. Frage: Lateraltaster. 
In meiner bisherigen Literatur wird zumeist von der ,,sensorischen" Funktion dieser Organe gesprochen. Hierbei spielt es offenbar keine Rolle, ob ein Rädertier planktisch lebt (wie z.B. Asplanchna, Polyarthra oder Keratella) oder aber mehr im Periphyton vorkommt (wie z.B. Notommata-Arten),  alle haben Lateraltaster. Ich habe deshalb mal versucht, mittels des www. etwas herauszubekomen. Ein Großteil der Forschung an diesen Organen ist jedoch über das ,,öffentliche" Internet nicht verfügbar. Insofern legen  Sie mit Ihrer Frage einen Finger in die offene Wunde:  Interessant finde ich beispielsweise, dass HOCHBERG  das serotonerge Nervensystem einer Conochilus-Art mittels Immunofluoreszenz untersucht hat, dabei aber keine neuronale  Verbindung zu den Ventraltastern erkennbar ist.
Ähnliches gilt für seine Untersuchungen zu Notommata copeus bezüglich der Lateraltaster. Bemerkenswert finde ich hierbei auch, dass in den zwei genannten Arbeiten überhaupt nicht auf die Funktion der Nervensysteme bzw. auf den  Zusammenhang zwischen  den Mechanorezeptoren am Körper  und dem Nervensystem eingegangen wird.  Hier gibt es ganz offensichtlich noch erheblichen Forschungsbedarf.

Davon abgesehen ist vermutlich ist der im 1. Bild meines 1. Beitrags gekennzeichnete ,,Lateraltaster ,, ein Dorsaltaster, während  LT? ein Lateraltaster ist. Wie ich nun herausgefunden habe, ist der Aufbau dieser sensorischen Organe sehr unterschiedlich. Das, was ich für den Dorsaltaster halte, ist offenbar mehrzellig aufgebaut und scheint auch mit mehreren Nervenzellen  in Kontakt zu stehen :


(Ausschnittsvergrößerung aus dem 1. Beitrag)

Weiteres Exemplar:




3.Exemplar




Der Lateraltaster hingegen  scheint lediglich ais einer Zelle zu bestehen:


(Ausschnittsvergrößerung aus dem 1. Beitrag)


und weiteres Exemplar:



zum Schluss noch ein kleines Video zur Cilienbewegung im Magen von Asplanchna:



hier:   http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Filme/Rotifer/source/AsplanchnaMagen.html


viel Spaß beim Anschauen und einen schönen Start in die Woche wünscht Michael Plewka



Jürgen H.

Lieber Herr Plewka,

Ihre Bilder sind wieder hervorragend. Ganz herzlichen Dank für Ihre weiteren Erläuterungen. Und wie das immer so ist: Antworten werfen neue Fragen auf...

Zum ersten Bild: Ein Zentralauge also und zwei Ocellen. Bei meinen Insekten ist es so, dass Ocellen und Komplexaugen offenbar unterschiedliche Funktionen haben, auch unterschiedlich gebaut sind. Während die Komplexaugen, wie von mir gezeigt, über die optischen Loben mit dem Gehirn verbunden sind, fehlt bei den Ocellen eine Zwischenstellen im Gehirn, die den optischen Loben entspricht. Die Ocellen sind auch nicht als Facettenaugen ausgebildet, sondern vereinen, insoweit wie beim menschlichen Auge, hinter einer einzigen Linse mehrere Lichtwandlungsorgane. Funktionell sieht das Insekt mit den Komplexaugen. Die Ocellen scheinen hingegen der Orientierung der Fluglage zu dienen: Mit ihnen kann das Insekt wahrscheinlich seine Dreh- und Nickbewegungen im Flug gegenüber dem Horizont wahrnehmen.

Ich vermute, dass Ihre Rotatorien ein räumliches Wahrnehmungsvermögen nicht brauchen: Sie fressen, was ihnen vor die Linse kommt, machen aber keine Jagd auf entfernter liegende Beute. Oder? Wissen Sie, wozu die Ocellen dienen? Unterscheidet sich ihr Bau von dem des Hauptauges?

Was die Vitalfärbung von Nerven angeht: Bei den Insekten würde ich versuchen, sie mit Methylenblau zu färben. Ganz wenig ins Futter, bei Ihnen ins Wasser. Wie selektiv die Färbung allerdings ist und ob sie auch bei Rotatorien wirksam ist, ist mir unbekannt. Wenn Sie kein Methylenblau haben, kann ich Ihnen gerne ein wenig davon schicken.

Bei dem ersten hervorragenden Filmchen ist deutlich, dass sich die beiden Stränge am unteren Bildrand überhaupt nicht verändern, während alles andere amöboid fließt. Ein wenig bin ich auch an Plasmafäden aus der Botanik erinnert. Daher scheinen mir das weder Muskeln noch Nerven zu sein?

Quergestreifte Muskulatur scheint bei den Rotatorien, so habe ich eben nachgelesen, im Kopf bei den Mundwerkzeugen vorzukommen. Andere Muskulatur muss ja nicht unbedingt quergestreift sein. Auch wäre zu fragen, ob man die Querstreifung ohne färberische oder sonstige Behandlung überhaupt sehen würde?

Dass die Taster zumindest irgendeine Anbindung besitzen, ist ja nach Ihren Bildern offensichtlich. Insoweit ist mir nicht klar, was dieser deutlich zu sehende Strang anderes sein soll, als ein Nerv, zumal diese Verbindung auf den Kopfbereich hinläuft.  Auch bei dem unterschiedlich gebauten Lateraltaster gibt es doch diese Verbindung anscheinend? Im Mikroskop müsste sich zumindest feststellen lassen, wo die Taster mit den gezeigten Strängen genau "angebunden" sind. Hieraus müsste sich doch schon auf die Eigenart der Anbindung (vorsichtig) schließen lassen.

Ganz beeindruckend ist die Cilienbewegung im Magen. Auch hier ist natürlich die Frage nach der Funktion naheliegend. Denn im Unterschied zu den Mikrovilli im Darm "meiner" Insekten, die der Oberflächenvergrößerung dienen mögen, handelt es sich in Ihrem Fall ja um ein aktives Bewegungsorgan. Ich vermute, dass der Mageninhalt auf diese Weise möglichst umfangreich mit den Magenwänden Kontakt erhalten soll?

Fragen über Fragen. Aber ich sehe, dass Sie ein schönes entdeckungsreiches Wochenende verlebt haben.

Mikrogrüße

Jürgen



Michael Plewka

lieber Herr Harst,
recht herzlichen Dank für die weiteren Kommentare und Anregungen! Zu der Frage nach Morphologie und Funktion der Sinnesorgane bei Rädertieren habe ich Prof. E. Wurdak,  die einige Arbeiten zu diesem Thema veröffentlicht hat, kontaktiert. Das Ergebnis wollte ich zunächst abwarten. Mittlerweile hat sie mir freundlicherweise einige ihrer Publikationen zur Verfügung gestellt. Daraus habe ich  die Information erhalten, dass offenbar der funktionale Unterschied sowohl zwischen dem Zerebralauge und den Ocellen  einerseits, als auch der funktionale Unterschied zwischen Dorsal- und Lateraltaster andererseits, noch nicht geklärt ist. Insgesamt sind bei Asplanchna nur 3 !!! Neuronen für die Lichtwahrnehmung vorhanden. Die Ocellen sind direkt auf ein Neuron geschaltet, während  beim Cerebralauge ein Neuron in zwei Axone verzweigt, die zum Gehirn gehen. Offenbar sind die Zellen zu klein, um daran elektrophysiologische Ableitungen machen zu können. Beim Vergleich zwischen Rädertier und Insekt  muss man im übrigen wohl auch berücksichtigen, dass bei Rädertieren die Anzahl der Neuronen insgesamt deutlich unter 100 liegt, was meiner Schätzung nach um Größenordnungen weniger ist als bei Dipteren, so dass man einen wesentlich geringeren Grad an Komplexität und Leistungsfähigkeit erwarten darf.

Methylenblau steht mir reichlich zur Verfügung, ich werde mal entsprechende Versuche unternehmen, sobald ich wieder geeignete Asplanchnen habe...
Es handelt sich bei den Strängen, die sich nicht verändern, ebenfalls um entweder Muskeln oder Nerven. Andere Gewebe gibt es da nicht.

Zur Querstreifung: Quergestreifte Muskeln habe ich bei Rädertieren des öfteren gesehen Einige Bilder hierzu stelle  ich in einem separaten Beitrag ein. Dass diese Muskeln im Mund/Kopfbereich vorkommen, ist aber eher die Ausnahme. Woher haben Sie diese Information?

Taster: Hier noch ein weiterer Aspekt des Dorsaltasters, diesmal "von oben" aufgenommen, wobei die Cilien sichtbar sind (Obj. 100x):




Die genaue Anbindung von Sinnes- und Nervenzellen zu erkennen ist mir bisher noch nicht gelungen. Da ich bisher ohne weitere Präparation (Fixierung/Färbung/Einbettung/Schnitttechnik) fotografiere, bin ich auf etwas Glück angewiesen, dass die Zellen, auf die es ankommt, auch so frei liegen, dass man sie beobachten kann. Das ist aber gerade seltenst der Fall; zumeist werden die Zellen durch anderes Gewebe verdeckt. Damit stoße ich dann an die (selbst gesteckten) Grenzen.

Magencilien: da der Mageninhalt ja (wie bereits geschildert) sich quasi in einem "Wasserbett" befindet, finden natürlich keine peristaltischen Bewegungen o.ä. statt, welche für eine Bewegung der Nahrung zwecks Aufschlusses derselben sorgen könnten. Somit interpretiere ich die Funktion der Cilien dahingehend, dass dadurch ein möglichst intensiver Kontakt von Verdauungsflüssigkeit und Nahrung hergestellt wird (Waschmaschinen-Prinzip).  Die anschließend löslichen bzw. gelösten Nahrungsmoleküle werden sodann durch Diffusion aufgenommen.

Soweit erst mal
beste Grüße Michael Plewka