Botanik: Große Bibernelle Pimpinella major *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Juli 04, 2012, 08:40:24 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

diese Heilpflanze gehört zur Familie der Doldenblütler. Die scharf schmeckende Wurzel der Pimpinella major, auch ,,Deutsche Theriakwurzel" genannt, enthält ätherische Öle und lindert als Tee oder Gurgelmittel Atemwegskatarrhe und Halsentzündungen. Im 16 Jahrhundert galt sie als wirksames Pestmittel. Folgender Spruch war verbreitet: ,, Iss Pimpernell, dann stirbst du nicht so schnell".
Ab dem 16. Jahrhundert wird die Bibernelle in allen Kräuterbüchern erwähnt. 1626 wurde sie im «Kreutterbuch» des Matthiolus gegen Phthisis (Schwindsucht) und  Fieber angewand.
Verwendete Pflanzenteile sind vorwiegend die getrockneten Rhizome und Wurzeln von Pimpinella major; traditionell auch die oberirdischen Teile der Pflanze.
Im Volksmund wurde der Name Bibernell auch als Schimpf- und Spottname verwendet. Davon zeugen der elsässische Spottname «Mamsell Bimpernell» und das Schweizer «Pimpernell» als verächtliche Bezeichnung für eine dicke Weibsperson.

Systematik:

Ordnung: Doldenblütlerartige (Apiales)
Familie: Doldenblütler (Apiaceae)
Unterfamilie: Apioideae
Gattung: Bibernelle
Art: Große Bibernelle
Wissenschaftlicher Name: Pimpinella major
Volkstümlicher Name: Bockskraut, Pimpernelle oder Pimpinelle, Weisse Bibernell, Weisse Pimpinell), Bockwurz, Pfefferwurz, Steinpeterlein
English: Saxifrage, greater Burnet
Francais: grand boucage

Bild 01 Illustration

Bild aus dem Handexemplar des Kräuterbuches von Leonhart Fuchs, heute im Besitz der Stadtbibliothek Ulm.

Bild 02 Blühende Große Bibernelle Pimpinella major  im Juni bis September.


Bild 03 Schnittstellen, Pimpinella major

Interessante Form des Blattstiel (siehe Bild 16)

Schnitte mit dem Reichert - Jung Schlittenmikrotom.

Arbeitsanleitung:

Original Färberezept siehe Seite von Herrn Armin Eisner http://www.aeisner.de/
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf :

1. Probe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 4 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan.

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahmen wurde mit ,,MagniFlash" erstellt

Spross, Querschnitt, 35 µm, W-3A-Färbung nach Wacker

Bild 04  Spross, quer, Übersicht, Pimpinella major

Der Spross ist kantig gefurcht und bis zur Spitze beblättert.
Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 05 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Pimpinella major

EP = Epidermis, R = Rindenparenchym, PH = Phloem, SK = Sklerenchymring um die Leitbündel es handelt  sich um Holzfasern, die als Teil des sekundären Xylems vom Kambium gebildet wurden, X = Xylem

Bild 06 Spross, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Pimpinella major  

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF


Spross, Querschnitt, 35 µm, Etzold blau – Färbung

Etzold – blau: Fuchsin; Safranin; Astrablau ( FSA)

Bild 07 Diese Farblösung ist 15 Jahre alt.


Ansätze :

FSA-Farblösung: In 1000 ml Aqua dest. werden nacheinander Fuchsin bas. 100 mg, Safranin 400 mg, Astrablau 1500 mg gelöst und 20 ml Eisessig zugegeben. Die Farblösung ist gut verschlossen lange haltbar.

Arbeitsablauf :

1. Mit AFE fixierte Schnitte gründlich in 70 % Ethanol  auswaschen    5 Minuten.
2.   50 % Ethanol (kein Brennspiritus)               3 Minuten
3.   30 % Ethanol  (kein Brennspiritus)               3 Minuten
4.   Wasser entmin. , 3 x wechseln    je 1 Minute
5.   AAFC, FSA, FCA-Farblösung  ca.  15 Min. gelegentlich schwenken.     (verdünnte Etzold-Lösung-2 Tropfen auf 2ml dest. Wasser)
6.   Kurz abspülen in Aqua dest. , je 1 x wechseln, je 1 Minute
7.   evtl. in Ethanol 70%ig differenzieren     ca. 30 Sek .- kein Isopropanol  verwenden
8.   In 100 % Isopropylalkohol sorgfältig entwässern 2 x wechseln.   1. Stufe = 30 Sekunden , 2. Stufe = 3 Minuten, 3. Stufe = 5 Minuten
9.   Einschließen in Euparal
10.   Oder als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol oder Roti-Histol  einsetzen.
11.   Einschluss in Entellan.    

Ergebnis :

Verholzte Zellwände rot, oft in verschiedenen Farbtönen (Sklerenchym purpurrot, Xylem: ziegel- bis gelbrot). Eingewachsenen Steinzellen orange. Holzfasern dunkelrot, Markstrahlenzellen mehr gelbrot, cutinisierte Zellwände gelb bis orangerot. Unverholzte, nicht cutinisierte Zellwände grün, Korkschichten ungefärbt. Mittellamellen verkorkter Zellen oft rot (verholzt). Kallose (universelles Abdichtungsmaterial) sowie Reservezellulose in Samen ungefärbt. Plasma meist rötlich. Zellkerne rot oder blau.
Bei der Betrachtung wird eine Kontrastverbesserung bei Verwendung eines BG 38 Filters (blaugrün, 3mm dick) erreicht.

Bild 08 Spross, Vergrößerung, Pimpinella major


Bild 09 Spross, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Pimpinella major  

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Bild 10 Spross, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Pimpinella major  

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Spross, Querschnitt, 35 µm, Etzold grün – Färbung

Etzold grün mit den Farbstoffen Alciangrün (Alcianblau und Alciangelb), Fuchsin und Chrysoidin  AFC oder AAFC
Karl Brügmann hat die FCA-Färbung modifiziert, indem er das kühle Astrablau durch das sehr schöne, brillante und wärmer wirkende Alciangrün ersetzt hat.

Bild 11 Spross, Vergrößerung, Pimpinella major


Bild 12 Spross, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Pimpinella major  

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF

Bild 13 Spross, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Pimpinella major  

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF


Bild 14 Gegenüberstellung der drei Färbungen


Blattstiel, Querschnitt, 30 µm, W-3A-Färbung nach Wacker

Bild 15 Spezialschale für sehr kleine empfindliche Schnitte

Die Farblösungen lassen sich durch die Form des Bodens perfekt absaugen.

Bild 16 Übersicht, Blattstiel, Pimpinella major  

Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 17 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Pimpinella major  

CU = Cutitula, EP = Epidermis, R = Rindenparenchym, PH = Phloem, X = Xylem

Bild 18  Trichom, Pimpinella major  


Bild 19 Leitbündel, Pimpinella major  



Wurzel, Querschnitt, 40 µm, W-3A-Färbung nach Wacker

Bild 20 Schnittstelle, Pimpinella major


Bild 21 Übersicht mit zwei Seitenwurzeln , Pimpinella major  

Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 22 Vergrößerung aus der Übersicht, Pimpinella major  


Bild 23 stärkere Vergrößerung, Pimpinella major  

Ansatz einer Seitenwurzel

Und zum Abschluss noch ein Bild von drei , AF – Fluoreszenzaufnahmen

Bild 24


Literatur :

Ben-Erik van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen;Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart; ISBN 3-8047-2069-2, 2004.
A. Poletti; H. Schilcher; A.Müller: HEILKRÄFTIGE PFLANZEN, Walter Hädecke Verlag, (1982). ISBN 3-7750-0104-2.
Lexikon der Arzeipflanzen und Drogen; Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg.
M. Wichtl; Teedrogen und Phytopharmaka; Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2002.
H. Schilcher: Kleines Heilkräuter-Lexikon; Walter Hädecke Verlag, 1999; ISBN 3-7750-0316-9.
Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen; Springer Medizin Verlag, Heidelberg, 2008.
Wikipedia; Freie Enzyklopädie.
L. Roth, M. Daunderer, K. Kormann; Giftpflanzen - Pflanzengifte; Ecomed Verlagsgesellschaft, 1988.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Detlef Kramer

Lieber Hans-Jürgen,

kleiner Fehler bei der Spross-Beschriftung: "SK = Skelenchymring um die Leitbündel". Wie man deutlich erkennt, befindet sich unmittelbar darüber das Kambium und darüber das Phloem. Tatsächlich handelt es sich also um Holzfasern, die als Teil des sekundären Xylems vom Kambium gebildet wurden.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Hans-Jürgen Koch

Lieber Detlef,

danke für Deinen Hinweis, den kleinen Fehler habe ich berichtigt.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

hajowemo

Lieber Hans-Jürgen,
einfach fantastisch deine Dokumentation!!!!!!! :) :) :)
Danke für die Arbeit die da hinter steckt.
Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
Homepage www.mikroskopie-hobby.de
Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

HDD

Lieber Hans Jügen

Danke für diese hervorragende Arbeit. Es ist wie immer ein Genuß
Deine sauber erarbeiteten Berichte, mit den darin enthaltenen
Arbeitsanleitungen, zu studieren.
Ich beginne gerade mit der Schnippelei und habe kennengelernt
was es bedeutet kleine Schnitte sauber und dünn herzustellen.

Hut ab vor diesem Bericht.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für Deine schöne Doku zu dieser interessanten Pflanze! Die Sprossschnitte mit Etzold Grün gefallen mir dabei besonders gut.

Dein Spezialschälchen ist vom Zahnarzt?

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Liebe Freunde,

erst einmal Dank für Euer Interesse und die netten Worte.

@ Jochen,

ja, etwas Freizeit kostet es schon, bis ein Beitrag mit den Bildern fertig ist. Länger sollte so eine Vorstellung einer Pflanze nicht sei, sonst wird es für die Leser langweilig und für mich ohne Notizen (Laborbuch) schwierig.

@ Horst-Dieter,

kleine Pflanzenteile lassen sich leicht mit einer Gefriereinrichtung schneiden.
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9719.0

@ Jörg,

Geräte, die der Zahnarzt nicht mehr benötigt, sind für mich ein Schatz.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Jan Kros

Lieber Hans-Jürgen
Ich schliesse mich vorigen Schreibern an
wunderschöne Arbeit
Herzlichen Gruss
Jan

Hans-Jürgen Koch

Hallo Jan,

auch Dir danke für Dein Lob.

Gruß in die Niederlande

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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arturoag75

Mr Jurgen,
all your works are absolutely superb!
it's a pleasure to see them! ;) :D
best
arturo

Hans-Jürgen Koch

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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