Axiocam: wie macht Zeiss das eigentlich besser?

Begonnen von ammererlutz, Mai 15, 2020, 15:01:05 NACHMITTAGS

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wilfried48

#30
Hallo Michael (mhaardt),

auch dir kann ich in allen Punkten nur zustimmen.

zum Punkt
ZitatModerne Kameras, die weit mehr auflösen, als das Mikroskop liefern kann, sind darum nicht abzulehnen.
möchte ich noch erwähnen, dass die Leervergrösserung in obigen Vergleichsbeispielen so gross ist, dass alle drei verglichenenen Kameras, das auch unter Berücksichtigung von Nyquistfaktor 2x und Bayermaske 1,5x die Auflösung der Objektivs locker erfüllen.
Daher ist es nur ein Problem der gefälligen Bildbearbeitung und des subjektiven Empfindens welches Bild man als besser bezeichnet. Mehr Information bekommt man auf keinen Fall, wenn man es übertreibt aber Artefakte.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

mhaardt

Nyquist ist die theoretische Antwort zur maximal möglichen Grenzfrequenz.  Praktisch hat man aber keinen perfekten Detektor (Sensor-MTF und im gut belichteten Bereich fixed pattern noise) und kein perfektes Signal (Photonenrauschen).  Theoretisch kann ich keine Einwände liefern, denn Nachrichtentechnik ist nicht mein Gebiet, aber die Diskussionen gibt es im Astrobereich schon lange und dort setzte sich die Erkenntnis durch, dass bei der Nyquistfrequenz ein Knie vom SNR ist, d.h. danach kommt nicht mehr viel, aber ein wenig schon, was sich wohl theoretisch auch belegen lässt.

Die Dekonvolution braucht ein möglichst gutes Signal und die Abtastung mit reichlich Reserve kommt wesentlich näher an das Signal heran, als es sonst möglich wäre.  Eine mehrfache Abtastung durch viele Bilder ist ebenfalls hilfreich.  Dieser Qualitätsgewinn ist mit dem Auge nicht zu sehen, aber für Algorithmen nötig, um noch ein wenig mehr oder manchmal auch erstaunlich viel des originalen Bildes wieder herzustellen.

Es gibt ziemlich viel in Bildern, was man als Mensch nicht sehen kann.  Es war in der Evolution nicht hilfreich, subtile Helligkeitsunterschiede oder Photonenrauschen sehen zu können. :)

Zur Sensor-MTF: Da gibt es bislang im Amateurbereich kaum was.  Bei extremen Kontrasten fielen schon Sensoren negativ durch Reflektionen der Mikrolinsen auf, aber das ist noch keine Qualitifikation.  Ein beliebtes Messverfahren für die MTF ist slanted edge, d.h. der Helligkeitsverlauf an einer schiefen Kante.  Bei normalen Objektiven kommt man hier mit der freien Software mtf mapper weiter, aber bei Sensoren ist das Problem, woher man eine ausreichend scharfe Kante nimmt.  Eine Lösung ist die Bilderzeugung über Interferenz mit dem Talbot-Effekt, d.h. ohne abbildende Optik.  Ich habe es zu Hause probiert und es funktionierte prinzipiell, aber unzureichend.  Ich brauche besser kollimiertes Licht und sollte Polarisationsfilter sowie ein gröberes Gitter nehmen (5 lp/mm, Metall auf Glas) und Letzteres war mir bisher zu teuer zum Spielen.  Ich traue Zeiss absolut zu, einen für diesen Zweck geeigneten Sensor ausgewählt zu haben, um das Maximum zu bekommen.

Hier etwas Lesestoff, um die Illusion einer perfekten Kamera zu ruinieren: https://www.researchgate.net/publication/322964970_Contrast_computation_methods_for_interferometric_measurement_of_sensor_modulation_transfer_function

Michael

Christian Linkenheld

Hallo,

Neben der Einbindung in ZEN oder ZEISS Labscope kann die Kamera auch im Stand-alone-Modus betrieben werden. Dies gilt besonders für die neuen Mikroskop-Modelle Axiolab 5 und Axioscope 5, die mit der Kamera kommunizieren können. Das sieht dann z.B. so aus:




Die Kamera (1) wird per C-Mount-Adapter (2 - empfehlenswert ist i.d.R. 0,5x) auf dem Tubus (3) angebracht.
Auf der Rückseite von Kamera und Mikroskop verläuft ein Kabel für die Stromversorgung und die Kommunikation zwischen Mikroskop und Kamera (auf dem Bild nicht sichtbar). Hierdurch wird der Kamera das gerade verwendete Objektiv mitgeteilt.
Per HDMI-Kabel (4) wird das Bild zum Monitor (5) übertragen. Der Monitor braucht eine Auflösung von 3840x2160 Pixeln, was genau der Kameraauflösung entspricht. Bei einer geringeren Auflösung liefert die Kamera nur Bilder im Full-HD-Format (1920x1080 Pixel). Dies gilt auch für die gespeicherten Bilder. Entsprechende Monitore mit brauchbarer Bildqualität gibt es ab etwa 400€ (im Bild ein Monitor mit Format 24").
Im USB-Hub (6 - im Lieferumfang enthalten und mit der Kamerarückseite verbunden) finden sich ein Speicherstick für die Bilder/Videos und ein Stick für die kabellose Tastatur und Maus (7 - nicht im Lieferumfang enthalten). Letztere werden für die Bedienung des OSD-Menüs benötigt, über das verschiedene Einstellungen vorgenommen werden können (z.B. Kameraparameter, aber auch die Konfiguration des Mikroskops bzgl. der an den Revolverpositionen vorhandenen Objektive).
Die Aufnahme eines Bildes (TIFF oder JPEG) erfolgt dann einfach durch kurzes Drücken eines der beiden Aufnahmeknöpfe (8 - Bild unten) im Stativfuß (auf beiden Seiten des Fußes befindet sich jeweils ein Knopf). Ein längeres Drücken des Auslöseknopfes bis die blaue LED auf der Kameraoberseite blinkt startet alternativ die Aufzeichnung eines Videos. Das nochmalige Drücken des Auslöseknopfes beendet dann die Aufzeichnung. Zur wirklich sehr guten Videofunktion der Kamera folgt noch ein weiterer Beitrag.



Die Kamera kann natürlich auch an anderen Mikroskopen im Stand-alone-Modus verwendet werden. Hier sind dann aber bestimmte Funktionen nicht verfügbar:

- Auslösen per Knopfdruck
- Erkennen des verwendeten Objektivs
- Automatisches Deshading für das erkannte Objektiv
- Einblenden eines Maßstabes schon direkt in das Livebild

viele Grüße

Christian

Christian Linkenheld

Hallo,

das Nachschärfen des Bildes bei der Axiocam 208 erfolgt übrigens nicht durch die Software, sondern durch die Kameraelektronik. Deshalb ist diese Möglichkeit auch im Stand-alone-Modus (siehe vorhergehender Beitrag) möglich.
Da diese Option zu störenden Artefakten führen kann lohnt sich nochmal ein kurzer Blick auf dieses Feature.
Nachfolgend eine verkleinerte Aufnahme von Bakterien. Die ursprüngliche Aufnahme mit 3840x2160 Pixeln wurde einfach ohne Nachbearbeitung verkleinert (Objektiv N-Achroplan 40x Ph2). Die Nachschärfung war hierbei aktiv. Bei solch "einfach" strukturierten Objekten kann das Nachschärfen sehr sinnvoll sein. Die Version ohne Nachschärfen habe ich leider direkt verworfen, da sie den interessierenden Sachverhalt - hier waren es die fadenförmigen Bakterien mit ihren Scheiden - viel weniger deutlich dargestellt hat. 



Nachfolgend ein Ausschnitt aus obigem Bild in Originalauflösung. Die Schärfeartefakte halten sich in engen Grenzen.



Unten zwei Ausschnitte in Originalauflösung von Spirogyra - links ohne Nachschärfung, rechts mit Nachschärfung.



Die nachgeschärfte Version hat vergröbernde Artefakte.

Ich habe mit der Nachschärfung länger experimentiert und bin für mich zu folgendem Schluss gekommen:

Das automatische Nachschärfen ist dann sinnvoll, wenn das Präparat relativ einfach strukturiert ist. Bei komplexeren Präparaten fängt man sich aber Artefakte ein, die insbesondere dann stören, wenn man das Bild in voller Auflösung weiterverwendet. Bei Videos (siehe folgenden Beitrag) habe ich mit dem Nachschärfen durchgehend positive Erfahrungen gemacht.

viele Grüße

Christian

treinisch

Hallo Christian,

das war spannend! Danke für den vertieften Einblick!

vlg
Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

ammererlutz

#35
Danke für die intgeressante Information Herr Linkenheld

Ja im Kamera Menu muss man auf "Medellzpezifisch" gehen iund aufklappen, dann kann man die Haken bei "Rauschkorrektur" und "Schärfekorrektue" entfernen. Etwas verstecktes feature, das ich erst jetzt sah
Dazu gleich eine Frage an den Fachmann: unter dem Schieber für "Farbtemperatur" ist der Schieber für "Sättigung", dieser ist bei mir aber nicht aktiv( siehe Bild)  kann man das ändern?
Danke
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Christian Linkenheld

Hallo,

mit der Axiocam 208 color lassen sich auch leicht sehr gute Videos erstellen (MP4 mit H.264-Codec). Hierbei sind die Formate Full-HD (1920x1080 Pixel) und 4K (3840x2160 Pixel) möglich.
Der erfasste Bereich ist bei beiden Formaten identisch.
Ausgehend von der Stand-Alone-Konfiguration mit dem Axiolab 5 oder dem Axioscope 5 startet die Aufzeichnung des Videos per Auslöseknopf am Stativ. Man sieht am Monitor während der Aufnahme den erfassten Bereich in der gleichen Auflösung, wie im Video. Durch die aus meiner Sicht sehr günstige Kompressionsrate (etwas weniger als 1MB/Sekunde bei Full-HD) treten nur geringe Kompresionsartefakte auf. Gleichzeitig haben die Videos eine überschaubare Dateigröße. Das nachfolgend verlinkte Video ist ein Video in Full-HD direkt aus der Kamera - also ohne jede weitere Bearbeitung:

https://www.mikroskopie.de/?page_id=2829

Videos in Full-HD haben bei YouTube eine etwas geringere Datenrate. Nach einem Upload in YouTube bekommt man dann dieses Video:

https://www.youtube.com/watch?v=e2g58pItNGI

Die Qualität ist gegenüber dem Ausgangsvideo etwas reduziert.

Insgesamt lassen sich mit der Axiocam 208 color sehr leicht Videos für Demonstrations- und Schulungszwecke erzeugen. Die Kompressionsrate ist ideal für einen direkten Upload nach YouTube geeignet.

viele Grüße

Christian

A. Büschlen

Hallo Christian,

danke für deine fachkundigen Erläuterungen!

Gruss Arnold Büschlen
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

piu58

Zitat von: mhaardt in Mai 17, 2020, 20:31:30 NACHMITTAGS
Es gibt ziemlich viel in Bildern, was man als Mensch nicht sehen kann.  Es war in der Evolution nicht hilfreich, subtile Helligkeitsunterschiede oder Photonenrauschen sehen zu können. :)


Die Leistungsfähigkeit des Auges wird gemeinhin unterschätzt. Es ist möglich, ziemlich feien Kontraste zu entdecken, wenn man das übt. Dazu wurden in den 40er Jahren ausführliche Untersuchungen Im Auftrag der amerikanischen Luftwaffe durchgeführt (Kann ein Bomberpilot man verdunkelte Stadte erkennen). Es ist unglaublich, wie weit runter die Damen (waren alles Damen) gekommen sind.

Auf der anderen Seite ist es kein Problem, einen Kontrast von etwa 20 Blendenstufen auf einen Blick zu überbrücken, also ohne Anpassungen wie Pupillenöffnung und Aktivierung des Dunkelsehens.

Das Auge im Normalbetrieb (3 mm Pupillenöffnung) hat eine Auflösung in der Nähe der Beugungsgrenze.

Man muss das alles übern, aber man kann es auch üben und erreicht dan erstaunliches. Freilich brauch(t)en das die Astronomen nötiger als die Mikroskopiker. Aber denkt mal an Leeuwenhoeks Bakteriensichtungen mit vielleicht 50-facher Vergrößerung. Er hat Spirillen und Stäbchen unterschieden und Bewegung gesehen.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

Peter V.

Hallo Christian,

wenn ich mir die Angebote zur Axiocam durchlesen, finde ich nichts über eine mitgelieferte Software, sondern nur über die "Kompatibilität zu...". Ist denn eine kostenfreie Versionen eines Programmes downloadbar?

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

A. Büschlen

Hallo,

Peter fragt:
ZitatIst denn eine kostenfreie Versionen eines Programmes downloadbar?

Und ich habe auch noch eine Frage: ist der notwendige Treiber immer dabei? und auf welchem Betriebssystem läuft die Software?

Bestzen Dank.

Gruss Arnold

Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

ammererlutz

#41
Zitat von: A. Büschlen in Mai 19, 2020, 10:09:11 VORMITTAG
Hallo,

Peter fragt:
ZitatIst denn eine kostenfreie Versionen eines Programmes downloadbar?

Und ich habe auch noch eine Frage: ist der notwendige Treiber immer dabei? und auf welchem Betriebssystem läuft die Software?

Bestzen Dank.

Gruss Arnold

Alles dabei , Software wäre zwar auch gratis runter zu laden, bequemer aber mit der mit gelieferten CD Rom, auch treibersoftware ist auf der CD.
Ich habe win 10 als Betriebssystem am pc
Lieferumfang s Bild
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

mhaardt

Uwe: Soweit ich weiss, sind die 20 Blendenstufen schon inkl. Pupillenveränderung, aber in der Tat ist der Dynamikbereich riesig.  Eben das ist der Grund, warum die Dynamik komprimiert wird und wir Blendenstufen als lineare Stufen und nicht als Faktoren wahrnehmen.  Das bedeutet: Für kleine lineare Schritte sind wir eher unempfindlich, wenn sie nicht als Kontrastkante auftauchen, und Frauen schneiden dabei in der Tat besser ab als Männer.  Diese Unempfindlichkeit ist kein Defizit, denn wie gesagt hätten wir im Normalfall nichts davon, Photonenrauschen u.ä. wahrnehmen zu können.  Aus eben jedem Grund ist die Helligkeit in so gut wie allen Bild- und Videoformaten ebenfalls in der Dynamik komprimiert (Gammakodierung).  Die dabei verworfene Information wird visuell von niemand vermisst.

Ich habe schon Flat Frames mit viel und wenig Rauschen gesehen, und visuell sehen die genau gleich aus, aber in den Messwerten sieht man einen enormen Unterschied und für Algorithmen macht es auch einen großen Unterschied.  Man ist da weit weg von dem, was mit Übung noch zu sehen ist, und in der Tat hilft Übung enorm zu sehen, was das Auge hergibt, aber was das Gehirn unterdrückt.

Wenn man jetzt hingeht, und das Bild verschieden guter Kameras vergleicht, dann kann es sein, dass da visuell kaum ein oder kein Unterschied ist, aber eine gute Kamera liefert deutlich weniger Rauschen ab, so dass Schärfungsalgorithmen bessere Ergebnisse liefern können und man denkt: Wie geht das nur? Wenn ich meine Bilder nachschärfe, sehe ich viel mehr Artefakte.  Beim Mikroskop hat man in der Regel gut ausgeleuchtete Bilder.  Das Photonenrauschen wächst mit der Wurzel der Helligkeit, aber das feste Muster wird proportional mit der Helligkeit verstärkt, d.h. es setzt sich irgendwann durch und es ist meist wunderbar korrigierbar.  Es wurde oben geschrieben, dass die Kamera weiss, welches Objektiv gewählt wurde, und dessen Verschattung (Vignettierung) korrigiert.  Das geht algorithmisch, was jede Webcam macht, oder mit Flat Frames und Dark Frames, was für ein klein wenig mehr Geld auch drin ist.  Also: Das Potential besser als der Standard abzuschneiden, ist definitiv da.

Ich habe gelegentlich mit Photometrie zu tun und staune immer wieder, was man nicht sieht oder falsch bewertet.

Michael