Interessante Pilzfunde 70 - Borstiger Knäueling

Begonnen von Bernd Miggel, Mai 20, 2023, 17:09:25 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Den hier beschriebene Borstigen Knäueling (Panus rudis, Synonym: Lentinus strigosus) fanden wir am 18. Mai 2023 auf einem am Boden liegenden, mächtigen, morschen Rotbuchenstamm. Von kleinen, 5 mm breiten ,,Knöpfen" bis 10 cm breiten, voll ausgewachsenen Exemplaren war alles vertreten. Insgesamt konnten wir an die fünfzig Fruchtkörper zählen, je nach Entwicklungsstadium in den Farben violett (jung) bis braun (vollreif).
Die Art besiedelt morsche Laubhölzer, vornehmlich Rotbuchen, und führt ein saprobiontisches Dasein. Die Erscheinungszeit lässt sich für Deutschland von Mai bis Dezember angeben.
In der Roten Liste Pilze Deutschlands (2016) wird sie in der Gefährdungskategorie G (Gefährdung unbekannten Ausmaßes) angegeben. Siehe jedoch die Angabe unter "Notizen".
Der Name rührt vom Borstenfilz, der Hut und Stiel des Pilzes bedeckt.

Die beiden folgenden Bilder zeigen den Borstigen Knäueling in der Wachstumsphase bei anhaltend feuchtem Wetter.

Bernd Miggel

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#1
Makroskopische Merkmale

Je nach Anwuchsstelle am Holz sind die Fruchtkörper muschel- oder kreisförmig gewachen und besitzen einen Hutdurchmesser von bis zu 10 cm. Der gesamte Hut ist dicht mit Borsten übersät, wie es in Bild 5 gut zu sehen ist. Der Hutrand ist stets eingebogen bis eingerollt. Junge Fruchtkörper, die bei feuchtem oder nassem Wetter gewachsen sind, zeigen sich in leuchtendem Violett (Bilder 1 und 2). Bereits 1 Tag Trockenheit reicht aus, um die Farbe zu einem nichtssagenden Hellbraun verblassen zu lassen (Bilder 3 und 4). Die creme- bis ockerfarbenen Lamellen stehen dicht und laufen am Stiel herab. Sie sind mit Lamelletten stark untermischt (Bilder 2 und 4). Ihre Schneide ist glatt. Den Stiel kann man mit kurz und stämmig bezeichnen. Er ist weiß und, genau wie der Hut, dicht mit Borsten versehen. Das Fleisch ist weißlich und außerordentlich zäh, bei Exsikkaten fast wie Holz. Der Geruch wird in  LUDWIG, E. (2001) als mehlartig angegeben. Der Geschmack ist nach eigenem Empfinden anfangs mild, angenehm wie etwa der von Steinpilzen, nach 30 Sekunden immer stärker bitterscharf werdend und im Hals unangenehm kratzend.

Bernd Miggel

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#2
Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind lang ellipsoid bis zylindrisch, dünnwandig, hyalin und glatt. Eine Probe mit 30 repräsentativen Sporen ergab (95-prozentiges Vertrauensintervall) folgende Schätzwerte:
L x B = 4,7-6,4 x 2,3-3,0 µm      Schlankheitsgrad Q = 2,0-2,1

Bernd Miggel

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#3
Pleurozystiden
An der Lamellenfläche finden wir dickwandige Zystiden mit Kristallschopf, sogen. ,,Metuloide". Sie sind beim Borstigen Knäueling 40-60 µm lang bei einem Durchmesser von 10-14 µm.

Bernd Miggel

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#4
Hyphensystem
Die außerordentliche Zähigkeit der Huttrama (Hutfleisch) weist darauf hin, dass der Fruchtkörper nicht nur generative Hyphen aufweist. Nach der Fachliteratur ist der Borstige Knäueling dimitisch, und zwar mit Gereativ- und Bindehyphen. Die Generativhyphen sind dünnwandig und besitzen an den Septen Schnallen. Die Bindehyphen sind dagegen dickwandig und schnallenlos. Dies kann man den Bildern 7 und 8 entnehmen. Die Beschriftungen in den Bildern Bedeuten: GH Generativhyphe, BH Bindehyphe, M Metuloide, S Schnalle.

Bernd Miggel

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#5
Notizen
•   Detaillierte Beschreibungen des Borstigen Knäuelings sind in der Fachliteratur sehr spärlich gesät.
•   Die Art scheint sich, möglicherweise bedingt durch die Klinaerwärmung, in Deutschland stark auszubreiten. In Hessen besitzt sie einen deutlichen Verbreitungsschwerpunkt (siehe 4.).
•   Alte, sich in Zersetzung befindliche Fruchtkörper ,,zermatschen" in einem auffälligen Goldgelb.


Verwechslungsmöglichkeiten
•   Der   Laubholz-Knäueling (Panus conchatus) besitzt einen kahlen, glatten, stets braunen Hut. Violette Farben kommen nicht vor.


Weiterführende Literatur:
1.   KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 3. Ständerpilze: Blätterpilze I: 17-16, Nr. 2.4.
2.   LUDWIG, E. (2001): Pilzkompendium Bd. 1: Nr. 39.8 (Textband: 240-241, Bildband: 68, Tafel 66).
3.   MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1977): Handbuch für Pilzfreunde Band III: 244, Nr. 94.
4.   https://fundkorb.de/pilze/lentinus-strigosus-borstiger-kn%C3%A4ueling


Viel Vergnügen beim Anschauen!
Bernd




Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729