Übelkeit beim Mikroskopieren

Begonnen von horst, Februar 26, 2010, 13:56:17 NACHMITTAGS

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horst

Beim systematischen Durchmustern komplexer Präparate (z. B. Streupräparate von Sandproben) ist es erforderlich, den Bildausschnitt durch Verschieben des Kreuztisches in x- bzw. y-Richtung kontinuierlich linear zu verschieben. Dabei verspüre ich zum Teil eine deutliche Übelkeit ähnlich Reisebeschwerden oder Seekrankheit (Was normalerweise nicht mein Problem ist). Ích nehme an, das dies mit dem irregeführten Gleichgewichtsorgan zusammenhängt, welches beim Blick ins Mikroskop eine Bewegung vorgaukelt, die aber nicht vorhanden ist.

(Nur zur Klarstellung: Die Präparate enthalten unter dem Deckglas dest. Wasser - keinen Alkohol. Auch der Mikroskopierende selbst ist seiner Meinung nach nüchtern.)

Kennt jemand dass Problem? Gibts´s Tricks zur Besserung? Monokular mikroskopieren?

Grüße in die Runde, Stefan R.

liftboy

Hallo Stefan,
das Problem ist bekannt, tritt auch bei Tänzern, Sportlern mit Drehbewegungen und natürlich auch beim Mikroskopieren auf (wenn man etwa zu zügig durchmustert)
Meiner besseren Hälfte wird sogar übel, wenn sie das Mikrobild auf dem Monitor verfolgen muss und ich zu schnell drehe!
Gruß
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Bernhard Lebeda

#2
Zitat
( Auch der Mikroskopierende selbst ist seiner Meinung nach nüchtern.)



das scheint mir aber eine höchst subjektive Einschätzung  ;D

Hallo Stefan

mir geht das manchmal am Compi so wenn ich Landkarten scrolle. Am Mik, tja, vielleicht einfach langsamer verschieben?

Und viel Ingwertee trinken  ;)


Mik ahoi


Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

TPL

Hallo Stefan,
das Problem kenne ich gut vom Mikrofossil- und Schwermineral-Auslesen unter dem Stereomikroskop: ich werde zwar nicht so leicht seekrank, aber es wird auf Dauer belastend und ich bekomme Kopfschmerzen.
Die einfachste Abhilfe: das Präparat immer nur über kurze Intervalle (knapp ein Gesichtsfeld) verschieben und - wenn möglich - währenddessen die Augen schließen (leichtes blinzeln genügt).

Schönen Gruß, Thomas

alemanne

Hallo Stefan,
ich empfinde es als sehr unangenehm, eine Probe mit nicht verzeichnungsfreien Okularen (z.B. Zeiss CPL) zu durchmustern. Es kommt mir dann vor, als säße ich in einer Trommel, die um mich herum in verschiedenen Richtungen rotiert. Im Gegensatz dazu nehme ich mit den besseren KPL-Okularen den für mich unangenehmen Effekt nicht wahr.
Herzlichen Gruß
H.G.

Eckhard F. H.

Hallo Mikroskopiker,
das ist normal. Das Hirn ist bei der Verarbeitung bewegter generell Bilder überfordert. Verdonnert man man es dennoch dazu, kommt die Notbremse. Hühner, Tauben etc. meistern die Situation, indem sie den Kopf beim Gehen ruckweise bewegen und nur das Bild der Ruheposition verarbeiten. Auch bei der Pirouette der Baletttänzer sieht man es gut.
Gruß - Eckhard N.

Florian Stellmacher

#6
Hallo Stafan,

dieses Phänomen ist weit verbreitet, es wird als Kinetose (http://de.wikipedia.org/wiki/Reisekrankheit) bezeichnet.

Ich habe junge Kollegen erlebt, die zunächst extreme Schwierigkeiten hatten, wie Du sie beschreibst. Ein Kollegin ist tatsächlich einmal am Diskussionsmikroskop, als das Präparat verschoben wurde, vom Stuhl gekippt! Bisher hat sich die Symptomatik aber bei allen früher oder später gebessert oder völlig gegeben - in der Pathologie ist soewas ansonsten logischerweise ein K.O.-Kriterium, da wir stundenlag am Mikroskop Schnittpräparate lückenlos durchmustern müssen. Übung hilft also in den allermeisten Fällen!

Der Tipp von Thomas ist hierbei sicherlich das Beste, was Du tun kannst; solange Du ein Präparat durchmusterst, das selbst keine beweglichen Strukturen enthält, die verfolgt werden müssen, empfiehlt es sich, ein Gesichtsfeld anzusehen und dann möglichst rasch das nächste benachbarte Gesichtsfeld einzustellen. Mit den Kreuztisch ist das sehr gut machbar. Bei entsprechender Routine macht Deine Hand diese Bewegung von allein, ohne dass Du darüber nachdenken müsstest.
Bei beweglichen Objekten wie z.B. Protozoen, die Du unter dem Mikroskop verfolgen möchtest, tritt der Schwindel in weit geringerem Maße auf, wenn Du Dich nur auf das eine wesentliche Objekt konzentriest und dieses möglichst im Gesichtsfeldzentrum behältst. Das geht natürlich nur ansatzweise, aber Du wirst auch hier einen Übungseffekt beobachten, der dazu führt, dass irgendwann auch diese Bewegung quasi automatisch abläuft.

Es bestehen also glänzende Aussichten, dass Du die Kinetose auf ein erträgliches Maß reduzieren kannst.  ;)

Viele Grüße,
Florian

Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

olaf.med

Hallo,

die erste Voraussetzung zum Ermüdungs-, Schwindel- und Kopfschmerz-freien Mikroskopieren ist die perfekte Einstellung des Binotubus, also den Augenabstand genau abzugleichen und die Augenlinsen beider Okulare exakt auf die Ebene des reellen Zwischenbilds einzustellen. Bei den Menschen, die regelmäßig vor mir sitzen, erlebe ich dabei ganz Erstaunliches. Bei Euch geübten Mikroskopikern ist das aber doch wohl selbstverständlich......oder????? ;) ;)

Bitte nicht hauen, tut weh, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Werner Jülich

Der Vorgang ist den Vogelbeobachtern aus der Fernglasbeobachtung bekannt. Zeiss und Leica lösen bei Ferngläsern das Problem durch eine gewollt in die Okulare hereingerechnete kissenförmige Verzeichnung. Würde man dies bei Mikroskopokularen ebenfalls tun, könnten man sich die Okularmikrometereinsätze allerdings schenken.

Werner Jülich

Peter V.

Zitatin der Pathologie ist soewas ansonsten logischerweise ein K.O.-Kriterium,

...hier im wahrsten Wortsinne!!!  ;D  ;D  ;D

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

horst

Danke für Mitgefühl, Tips und Mutmachen! Ich bin optimistisch, dass die Sache in den Griff zu bekommen ist.

Stefan

isoplexis

Wie wärs mit einer billigen Cam und Laptop?

Für die reine Suche nach Interessantem tuts doch auch eine ganz billige Bresser....

Klaus Dönnebrink

Dieses Problem kenne ich gut.
Ich hatte Leberschnitte nicht völlig eben gestreckt und eingedeckt.
Beim Durchmustern der Schnitte bei stärkerer Vergrößerung war es dann
wie auf der Achterbahn , wenn man versuchte, die Schnitte mit dem Auge
scharf zu stellen, statt mit der Mikrometerschraube. Diese Versuchung ist um so größer,
je kleiner die auszugleichenden Höhenunterschiede waren.
Schwindel und Übelkeit stellen sich dann ein wenn zwei Afferenzen
gegensätzliche Signale empfangen : der Hintern und der übrige Körper signalisieren Ruhe,
die Augenmuskeln wellige Bewegung.
Wenn man zwei gerin unterschiedlich hohe Gegenstände in gutem Sehabstand auf dem Tisch nebeneinanderlegt und im Sitzen schnell wechselnd auf scharfes Sehen fokussiert,
hat man nach kurzer Zeit den gleichen Effekt.
Ich denke,daß Ihre Präparate bei Ihnen einen vergleichbaren Effekt auslösen.
K.Dönnebrink