Ein Fotoadapter für das Leitz-Ortholux I und eine Canon DSLR

Begonnen von -JS-, April 30, 2012, 00:17:19 VORMITTAG

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-JS-

Liebes Forum,
der nachfolgende Aufsatz wird sich mit der Entwicklung und dem Bau eines Foto-Adapters für ein altehrwürdiges Leitz Ortholux I in Verbindung mit einer Canon-DSLR befassen.
Zur Ausführung wurde auf eine Lösung mit Zwischenoptik und T2-Kopplung zurückgegriffen, da zu diesem Aufbau auf die Ergebnisse verschiedentlicher bereits in Gebrauch befindlicher und in Eigenbau erstellter Adapter zurückgegriffen werden konnte.
Die einzelnen Abläufe bzw. Ergebnisse werden in insgesamt vier Abschnitten dargestellt.

Teil I: Eine Werra I und was man daraus machen kann

Winfried Todt hatte, angeregt durch einen älteren Artikel hier im Forum "Leitz Panphot (1955) goes digital (2010)", mit mir Kontakt aufgenommen und nach einigen mails und Telefonaten war die Erstellung, Durchsicht und Korrektur der Zeichnungen für sein Vorhaben abgeschlossen sowie die Umsetzung festgelegt.
Ein Ortholux I von Leitz mit einem als Foto-Okular eingesetzten Periplan GW10 sollte einen Adapter erhalten, der für die Anwendung einer DSLR von Canon geeignet ist.
Für die benötigte Zwischenoptik fiel die Wahl auf ein Tessar von Zeiss mit der Brennweite von 50 mm, und wegen der günstigen Preisgestaltung sowie einer leichten Umsetzbarkeit auf ein solches aus einer Werra I von Carl Zeiss Jena, konstruiert und vertrieben ab 1954 bis ca. 1957 im Zeiss-Werk Eisfeld/Thüringen.
Das Objektiv dieser Kamera hat für das hier geschilderte Vorhaben den großen Vorteil, inklusive seiner Blende als Ganzes vor dem Zentralverschluss verbaut zu sein. Es ist nicht, wie seinerzeit bei Kleinbildkameras ohne Wechseloptik oft auch üblich, geteilt mit dann zwischen den jeweiligen Linsengruppen liegenden Blenden- und Verschlußlamellen.
Nachstehend werden zunächst die Arbeitsschritte zum Ausbau des Tessars 1:2.8 / f=50mm aus einer Werra I sowie die ersten Umbauarbeiten für die Verwendung dieser Optik an einem Mikroskop-Fotoadapter gezeigt:


(Abb. 1)
L: Eine Werra I von Carl Zeiss Jena / Eisfeld aus den frühen 60er Jahren
M: Objektiv von der Seite mit Darstellung eines der drei Gewindestifte, die den Entfernungseinstellring sichern
R: Lösen der Entfernungsring-Sicherungsstifte



(Abb. 2)
L: Einstellring abgenommen
M: Objektivkorpus aus dem Verschlusskörper der Werra herausgeschraubt
R: Lösen der Madenschraube, welche die Schnecke für die Entfernungseinstellung
sichert



(Abb. 3)
L: Entfernungseinstellschnecke abgeschraubt. An der Optikfassung wird unterhalb der film- bzw. später chipseits zugewandten
Linsengruppe ein Gewinde M28 x 0.5 sichtbar. Dieses Gewinde hat später noch eine besondere Bedeutung.
M: Lösen des Übertragungsstiftes für die Blendeneinstellung
R: Blendeneinstellungsring und Stift abgeschraubt



(Abb. 4)
L: Ausgebautes Tessar von der Frontlinse aus dargestellt
M: Neues Gehäuse aus POM mit Innengewinde M28 x 0.5 zur Aufnahme des Tessars
und Außengewinde M34 x 0.5 für eine spätere Unendlich-Fokussierung auf den Chip der
für den Fotoadapter vorgesehenen Canon-DSLR
R: Tessar und POM-Gehäuse miteinander verschraubt, Ansicht schräg von vorn-oben



(Abb. 5)
L: Tessar und POM-Gehäuse verschraubt, von der hinteren später dem Chip zugewandten
Linsengruppe des Tessars aus betrachtet
M: Tessar mit POM-Gewindegehäuse, Okularauflageplatte und Sicherungs-Ringmutter für
die Fukuseinstellung aus POM
R: POM-Gehäuse mit montiertem Tessar, der in das Filtergewinde der Optik eingeschraubten
Okular-Auflageplatte und Konter-Mutter, von der Frontlinse aus gezeigt



Teil II: Die Bestandteile des Foto-Adapters für das Ortholux I

Der Adapter sollte eine feste Verbindung mit dem Foto-Tubus des Ortholux sicher stellen, gleichzeitig aber jederzeit leicht abnehmbar sein, z.B. um einen schnellen Okularwechsel vornehmen zu können. Ferner sollte der Adapter eine Fokussiermöglichkeit der Zwischenoptik auf den Chip der verwendeten Kamera beinhalten.
Als Material wurde schwarz eingefärbtes Polyoxymethylen (POM) gewählt, sowie Messing für einen Zentrierring und Kupfer für ein Klemmband am Tubus, für dessen Festsetzung bzw. Lockerung drei entsprechend platzierte Stiftschrauben eingeplant wurden.


(Abb. 6)
Ansicht der Einzelteile des Adapters (1). Jeweils von links:
Zentrierring aus Messing, VA-Montageschrauben, Klemmband aus Kupfer;
Adapterkopf mit innen liegendem Fokussiergewinde M28 x 0.5 und äusserem Gewinde für einen T2-Anschluß,
Tessar in Gewindegehäuse mit Kontermutter und Okularauflageplatte (hier nicht sichtbar),
Tubusklemmrohr für den Ortholux-Fototubus mit drei Gewindestiften für die Befestigung am Foto-Tubus des Ortholux.



(Abb. 7)
Ansicht der Einzelteile des Adapters (2). Jeweils von links:
Okularabstandsring 12.5mm, Okular Periplan GW 10x;
Abdeckhülse, T2-Adapter mit Canon-Bajonett, Tubus-Stutzen des Ortholux von Leitz



(Abb. 8 )
L: Adapterkopf mit eingesetztem Tessar
M: Montage des Adapterkopfs am Klemmrohr
R: Canon-Bajonett (T2) aufgeschraubt



(Abb. 9)
L: Montage des Tubus-Klemmbandes
M: Adapter komplett mit T2-Bajonett und Abdeckhülse montiert
R: Adapter auf Foto-Tubus des Ortholux (inkl. Periplan 10x) montiert,
Stiftschrauben zur Klemmung leicht angezogen



Der Fokus des für den Adapter vorgesehenen Tessars lässt sich mit Hilfe des Feingewindes
M34 x 0.5 an der neuen Optikhalterung aus POM (siehe auch Abb. 5) leicht einstellen und nach
Erreichen des Optimalwertes mit einem entsprechenden Konterring festsetzen.


(Abb. 10)
Fokus-/Farbkontrolle (Adapter ohne Okular an Canon EOS 5D MkII montiert, Ausschnitt)



Teil III: Vergleichende Darstellungen Leitz / Zeiss

Mit einer provisorischen Kopplung (basierend auf einem auf den Aussendurchmesser des Okular Periplan GW 10x angepaßten neuen Tubusrohrabschnitt) wurde eine Verbindung des in Teil II dargestellten Adapters und dem Phototubus eines Zeiss Standard WL hergestellt.
Ziel war es, die Funktionabilität des Adapters mit einer Canon EOS 5D zu prüfen sowie die erreichte Qualität mit der Zeiss-Originalausstattung (Original-Tubusrohrabschnitt von Zeiss, Okular S-KPL 10x/20 Br, als Relais-Optik ebenfalls das Tessar f=50mm) zu vergleichen.


1.) Allium cepa, Wurzel, Mitose. Hellfeld, Zeiss PlanApo 40x
Links: mit Leitz Periplan 10x / Tessar 50mm / Rechts: mit Zeiss S-KPL 10x Br



2.) Pleurosigma angulatum, DIC (Nomarski II), Zeiss PlanAPo 40x, Ausschnitt
Links: mit Leitz Periplan 10x / Tessar 50mm / Rechts: mit Zeiss S-KPL 10x Br



3.) Ammophila arenaria, Blatt quer, Färbung Wacker 3A (Präparat von Jörg Weiß)
Hellfeld, Zeiss PlanApo 40x
Links: mit Leitz Periplan 10x / Tessar 50mm / Rechts: mit Zeiss S-KPL 10x Br



Ergebnisse

a) Erfreulicherweise wurden keine Hot spots gefunden. Dies ist bekanntlich ein sehr lästiges Phänomen und macht oftmals sehr aufwändige Vermeidungsmaßnahmen notwendig.

b) Farbaberrationen (Pleurosigma, DIC) sind vermutlich auf die Kompensationsunterschiede Leitz Okular- Zeiss Objektiv zurückzuführen und dürften beim Einsatz am Ortholux mit Original-Leitz-Optiken nicht auftreten.

c) Die Abbildungsgüte und der Kontrast der Grauwertstufungen (insbes. Allium) ist in Ordnung.


Teil IV: Aufbau am Ortholux I

Nach der Beendigung der 'Bastelarbeiten' habe ich von Winfried die nachstehenden Bilder erhalten, welche die endgültige Montage des hier vorgestellten Adapters an seinem Ortholux I zeigen:



Es stellte sich übrigens bei den ersten Probeaufnahmen heraus, daß eine ursprünglich angedachte Erhöhung des Okulars zum Erreichen der Parfokalität von visueller Beobachtung und fotografischer Darstellung nicht notwendig war. Nach kleinen Korrekturen am verstellbaren Periplan hat sich damit der Einsatz eines zusätzlichen Abstandsringes aus Kupfer (siehe Abb. 7) erübrigt.

Zum Abschluß möchte ich noch ganz gern bemerken, daß die Zusammenarbeit mit Winfried sehr viel Spaß gebracht hat.
Ich wünsche ihm viel Freude und Erfolg mit seinem neuen Adapter.

Danke für's Lesen und viele Grüße
Joachim
... bevorzugt es, ge_Du_zt zu werden ...

Lothar Gutjahr

Hallo Joachim,

Kompliment ! Da kommt beim Lesen richtig Freude auf. Auch hast du mir ein klein wenig ein schlechtes Gewissen gemacht, weil ich das Ortholux stiefmütterlich einstauben lasse. Gedanklich ist es schon aus Platzgründen verschwunden. Als Nachbauanleitung wird das bei den Drehteilen und den Feingewinden etwas an Grenzen stossen. Aber du hast da eine Superarbeit abgeliefert.

Diese Tessare gibt es ja auch in den meisten alten Praktikas als Standardobjektiv. Kann natürlich sein, daß die anders gefasst sind. Auf der anderen Seite sollte man Sozialismus hin oder her, auch annehmen, daß wenn 2,8/50 drauf steht in allen Varianten Wiederholteile verwendet wurden. Ich habe zwei davon hier liegen und das eine neulich auf der NEX spazieren getragen.Bekommt man in der Bucht samt Kamera um die 8 € herum. Ohne über 60 €. Werde mal eines zerlegen und schauen ob da auch das 28.er Gewinde auftaucht.

Danke fürs Posten

Lothar

Rawfoto

Hallo Joachim

Ein toller Beitrag, aus meiner Sicht schreit der direkt nach Veröffentlichung im Mikrokosmos. Versuch doch einmal Dein Glück ...

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Nomarski

Lieber Joachim,

                                                                


Viele Grüße
Bernd

detlef.q

Hallo Joachim,

ein toller Artikel und eine klasse Arbeit! Es freut mich, dass Du zum wiederholten Mal ein altehrwürdiges Mikroskop mit einem erstklassigen Fotoadapter ausgestattet hast.
Durch eine gut adaptierte Kamera gewinnt unser schönes Hobby einiges an Attraktivität dazu.

Mit dem Adapter den Du für mich 2010 konstruiert und bauen lassen hast (http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=7037.0), bin ich nach wie vor 100%ig zufrieden.
Ich denke, dass Winfried Todt mit seiner, jetzt sauber adaptierten EOS, ebenfalls sehr zufrieden ist und wünsche ihm viel Spaß damit.

Joachim, das war mal wieder eine Spitzenleistung!

Herzliche Grüße
Detlef

Bastian

Joachim,

da lacht das "Bastlerherz" noch so eine schöne Umsetzung. Von der Planung, über die Ausführung bis hin zur Dokumentation ist das ein wirklich gelungener Beitrag, der sicher vielen weiter helfen wird. Mir hilft er aktuell sehr weiter, da ich mich mit dem Thema Fotoadaption beschäftige. Gerade erst habe ich beim Suchen im Forum diesen http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6104.msg92379 hier gefunden, der mir zu wertvollen Tips für meine Umsetzung verholfen hat.

Wie ich im Beitrag von Detflef.q sehe gibt es da noch eine Reihe weitere solider Adaptionen.

Besonders gut gefällt mir die nachhaltige Nutzung älterer Kameraoptiken. So macht Zweckentfremden Spaß. Ich bin gespannt was Du uns noch so alles zeigen wirst!

Herzliche Grüße,
Bastian