Botanik: Spross des Gewöhnlichen Frauenmantels und ein Vergleich *

Begonnen von Fahrenheit, Juli 29, 2012, 09:48:06 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

aus Tantes Garten habe ich Schnitte durch den Blütenstängel des Gewöhnlichen Frauenmantels (Alchemilla vulgaris) gezeigt und dort auch die Pflanze beschrieben. Schnitte durch den Spross fehlten, das möchte ich nun nachholen.

Eine Klarstellung von Detlef im oben verlinkten Thread möchte ich hier ebenfalls wieder geben:
"Die Blüte ist ein Spross begrenzten Wachstums"
Es gibt also keinen prinzipiellen Unterschied zwischen dem Spross und einem von mir so genannten Blütenstängel, der nur eine spezielle Ausprägung des Sprosses darstellt.


Die Präparation ist identisch, um den Vergleich zu ermöglichen:

Der Spross wurde frisch auf dem Handzylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter geschnitten. Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm.
Anschließend wurden die Schnitte für etwa 20 Minuten in AFE fixiert.

Gefärbt habe ich nach W3ASimm II von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden.

Bild 1: Die Pflanze mit einem Teil des Sprosses

Der liegende Spross ist von alten Blattstielen der vergangenen Austriebe umgeben und über all setzen wurzeln an. Die Schwarzfärbung stammt wohl aus dem Verrottungsprozess des alten Pflanzenmaterials in der etwas unappetitlichen Umgebung des Fundes ...  ;-)

Bild 2: Spross mit Schnittführung


Beim Schneiden zeigt sich, dass sich das unfixierte Material binnen Minuten braun orange einfärbt:

Bild 3: Frische Schnittfläche im Mikrotom


Bild 4: So sieht ein Schnitt nach kurzer Zeit aus

Der Anschnitt ist zu dick und unregelmäßig und daher unbrauchbar - die Entwicklung auf dem Fließ hat mich dann doch überrascht.

Bild 5: Nach einigen Minuten ist alles dunkel angelaufen

Nur die Leitbündel behalten ihre helle Färbung.


Nun zu den Präparaten

Bild 6: Ein Querschnitt in der Übersicht, Makroaufnahme vom Präparat

Der Spross hat einen Durchmesser von rund 1,1 cm.  

Bild 7a/b: Ein Ausschnitt bei einer Vergrößerung von 50x, Bild 7b mit Beschriftung; Stapel aus je 12 Bildern


Beschriftung von links nach rechts (innen nach außen):
MP: Markparenchyym als Speichergewebe
Xl: Xylem
Ca: Cambium (zugegeben, hier schwer zu erkennen)
Pl: Phloem
RP: Rindenparenchym
Ep: Epidermis
Cu: Cuticula
Ha: Haar
Man kann schön erkennen, dass der Spross als Überdauerungsorgan eingerichtet ist. Die Zellen des massiven Markparenchym sind angefüllt mit Amyloplasten, davon später mehr.

Bild 8: Blütenstängel zum Vergleich, Vergrößerung 50x, Stapel aus 14 Aufnahmen

Spross und Blütenstängel (ein abgewandelter Spross) zeigen erwartungsgemäß einen sehr ähnlichen Aufbau.

Bild 9: Amyloplasten des Markparenchyms in polarisiertem Licht (SW), Vergrößerung 400x, Stapel aus 18 Bildern

Ihr kennt das ja schon: meine Kamera liefert im Pol nur Falschfarben, daher hier ein SW-Bild. Die Amyloplasten sind auch so bestens zu erkennen.

Bild 10a/b: Ein genauerer Blick auf die Leitbündel, Bild 9b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 11 Bildern


Beschriftung von unten nach oben (innen nach außen):
MP:  Markparenchym
PXl: Primäres Xylem
T:   Tracheen
MS:  Markstrahl
Xl:  Xylem
Skl: Sklerenchym
Ca:  Cambium
Pl:  Phloem mit Siebröhren und Geleitzellen
RP:  Rindenparenchym

Bild 11: Die Epidermis mit Haaransätzen, Vergrößerung 200x, Stapel aus 18 Bildern

Der Aufbau der Epidermis mit den eingesenkten mehrzelligen Haaren gleicht wiederum der des Blütenstängels.

Bild 12a/b: Leitbündel zu einem Blattansatz, Vergrößerung 100x (13 Bilder) und 200x (34 Bilder)


Dieses Leitbündel ist aufgrund der Lage im Spross schräg angeschnitten, was hier - so finde ich - auch seinen Reiz hat.

Bild 13: Blattansatz am Spross, Vergrößerung 50x, Stapel aus 16 Bildern


Beim Schneiden fiel auch einiges an Beifang in Form der alten, verrottenden Blattansätze (Fuß des Blattstiels) rund um den Spross an. Einiges taugte von der Schnittdicke her zur Präparation:

Bild 14: Fuß eines Blattstiels, Makroaufnahme vom Präparat


Bild 15: Etwas näher heran, Vergrößerung 50x, Stapel aus 9 Bildern

Die Qualität entspricht leider nicht ganz der eines gezielt geführten Schnittes, aber man kann schön erkennen, dass das Gewebe bereits sehr angegriffen ist.

Bild 16a/b: Leitbündel des alten Blattansatzes, Bild 16b mit Beschriftung, Vergrößerung 200x, Stapel aus 10 Bildern


Beschriftung aus der Mitte heraus (innen nach außen):
MP:  Markparenchym, durch den Zerfall schon stark verklebt, kaum noch Zellstrukturen erkennbar
Xl:  Xylem, das Xylemparenchym ist bereits weitgehend zerfallen, die Tracheen liegen einzeln im Schnitt
Pl:  Phloem, wie bei allen weichen Geweben kaum noch Struktur erkennbar
Skl: Sklerenchym, recht gut erhalten
RP:  Großzellliges Rindenparenchym
D:   Eingelagerte Calicumoxalatdrusen
EP:  Die Epidermis ist auch noch recht gut erhalten
Auffällig ist, dass sich keinerlei Spuren eines Pilzbefalls zeigen.

Die drei Leitbündel, die hier zu erkennen sind, finden sich übrigens im anfänglich dreieckigen Blattstiel wieder, der ist jedoch freistehend nicht zu schneiden und folgt ein anderes mal. :-)


Nun zum angekündigten Vergleich:

Von der äußeren Anmutung unterscheidet sich der Gewöhnliche Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) kaum vom Balkan-Storchenschnabel (Geranium macrorrhizum). Beide Pflanzen treiben jährlich aus einem liegenden, verwurzelten Überdauerungsorgan neu aus. Blätter und Blütenstängel erscheinen in einer Rosette an der dessen Spitze.

Bild 17: Vergleich Gewöhnlicher Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) und Balkan-Storchenschnabel (Geranium macrorrhizum)


Allerdings handelt es sich beim Frauenmantel um den Spross und beim Balkan-Storchenschnabel um ein Rhizom. Beide Querschnitte unterscheiden sind durch die unterschiedliche Anordnung der Leitbündel, wobei der Spross des Frauenmantels dem zugehörigen Blütenstängel viel ähnlicher sieht, als das beim Storchenschnabel der Fall ist:

Bild 18: Spross des Frauenmantels und Rhizom des Storchenschnabels bei einer Vergrößerung von 50x


Bild 19: Frauenmantel, Spross und Blütenstängel, Vergrößerung wieder 50x


Bild 20: Balkan-Storchenschnabel, Spross und Blütenstängel, Vergrößerung 50x

Beide Pflanzenfamilien kommen in den gleichen Habitaten vor, es sieht also so aus, als ob beide sich auf die gleiche Art und Weise erfolgreich angepasst haben.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: uups, Abschluß vergessen - nachgeholt.
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

hajowemo

Hallo Jörg,

ich lese mit offenem Mund deinen Beitrag und bin einfach begeistert.
Herzlichen Dank fürs zeigen.

Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
Homepage www.mikroskopie-hobby.de
Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

also man kanns ja nicht zu oft sagen ( und auch nicht hören gelle?): wieder mal ein Genuß wie sorgfältig du das darstellst.

Eine fachliche Vermutung: die schnell einsetzende Verfärbung an der Luft ist eine Oxidation, die dem aktiven Koch wohlbekannt ist und das Gegenmittel ebenso: leicht ansäuern - muss ja nicht gleich Salzsäure sein. Essigsäure sollte es schon tun. Eine Anregung zur wissenschaftlichen Überprüfung!  ;)

Und noch eine Anregung: bei den schönen Darstellungen tuts mir immer im Herzen weh, wenn ich dran denke, dass es nur am verblassenden Sensor deiner an sich schönen Canon PS liegt, dass du keine ordentlichen Polaufnahmen machen kannst.

Sollten wir nicht mal bei der EZB einen kleinen Unterstützungsfond beantragen? Der hätte dann einen realen sichtbaren Nutzeffekt im Gegensatz zu den Milliardenprojekten zur Bankenrettung! ;D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Fahrenheit

#3
Liebe Freunde,

herzlichen Dank für Euer Lob! (Das ich natürlich immer wieder gerne lese: auch Handwerker lieben den Applaus ... ;D)

Lieber Klaus,

mit der Oxidation gebe ich Dir Recht, zumal der von Dir angeregte Beweis mit der Fixierung in AFE schon erbracht ist. Aber was oxidiert da genau? Die kleine Alchemistin (Alchemilla  :D) verfügt  ja leider über ein ganzes Bündel von Pflanzeninhaltsstoffen mit oder ohne Heilwirkung, die in Frage kommen.

Vielleicht kann Mila da mehr sagen?

Tja, gegen einen Rettungsfond zum Ersatz meiner etwas schwächelnden A520 hätte ich natürlich nichts einzuwenden. Das hohe alter der Kamera zeigt sich m.E. aber eher in den Bildern 15 und 16, wo sie mit den vielen Rottönen arg zu kämpfen hat.
Die Farbfehler im polarisierten Licht gehen wohl eher auf die einfache Konstruktion des Infrarotfilters zurück - ich glaube, da bräuchte ich einen Finanzierungsschirm zur Beschaffung von zwei passenden Filtern für zirkular polarisiertes Licht.  ;)

Euch beiden herzliche Grüße
Jörg  
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Holger Adelmann

#4
Sehr schöner Beitrag, Jörg !
Ich vermute bei der Verfärbung eine Melaninbildung aus Vorstufen wie etwa Phenylalanin, Benzochinon o.ä. wenn ich mich recht entsinne - google das doch mal.
Ich denke so etwas findet auch beim Apfel statt wenn man die geschnittenen Spalten an der Luft liegen lässt.

Herzliche Grüsse
Holger

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

ein super Beitrag. Das Bild Nr. 16 (Leitbündel des alten Blattansatzes ) gefällt mir am besten.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Fahrenheit

Liebe Freunde,

auch Euch vielen Dank für Euer Lob, das mich immer sehr freut.

Lieber Holger,

danke für Deinen Tipp! Auf die Schnelle habe ich leider nichts gefunden, aber ich werde noch mal nachschauen.

Lieber Hans-Jürgen,

schade, der Blick durchs Okular ist gerade bei den Rottönen noch deutlich differenzierter. Das bekomme ich mit meiner Kamera nicht mehr abgebildet - ein Problem mit dem Sensor, wie ich bereits oben geschrieben habe.

Euch beiden herzliche Grüße!
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

HDD

Lieber Jörg

Wunderschöne Arbeit.Der Wuzelschnitt ist gut gelungen. Der war mit
Sicherheit sehr hart. Wie " Dünn " bekommt man den im besten Fall geschnitten?

Ich könnte mir vorstellen, dass er beim Schneiden heftig nach der Seite ausweicht.

Viele Grüße

Horst-Dieter

koestlfr

Hallo Jörg!

Wunderschön!

Liebe Grüße

Franz

PS: der Blick durch ein schönes Weitfeldbino kann durch nichts ersetzt werden! Amen!
Liebe Grüße
Franz

Fahrenheit

Lieber Freunde,

nochmals Danke für das Lob!  :D

Lieber Horst-Dieter,

nein, das war keine Wurzel und auch nicht hart.  ;) Der Spross des Gewöhnlichen Frauenmantels ist - wie auch die Bilder in W3Asim II Färbung zeigen, nicht sonderlich stark verholzt und war somit recht leicht zu schneiden. Auch die Ausweichbewegungen hielten sich bei vorsichtigem Schnitt in Grenzen.
Meine Schnitte sind ja immer um die 50 µm dick, also nicht sehr dünn. Ich mag es lieber, wenn das Gewebe sichbar von den "Decken" und "Böden" der Zellen begrenzt wird, also nicht so nach Häckeldeckchen aussieht.

Euch beiden herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM