Liebe Pflanzenfreunde,
in den letzten Tagen sind in unserem Garten die Quitten herangereift und da diese Früchte sehr hart und roh (für die meisten ...) ungenießbar sind, habe ich mich auf die Suche nach Steinzellennester begeben. Ok, ich hatte mehr erwartet, aber die vorhandenen reichen wohl aus.

Bild 1: unsere Quittenbaum

Die Quitte (Cydonia oblonga) ist die einzige Pflanzenart der Gattung Cydonia und gehört zur Untertribus der Kernobstgewächse (Pyrinae) innerhalb der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Somit ist sie z.B. mit Äpfel und Birnen verwandt und kommt dann auch in zwei Varietäten mit birnenförmigen (Cydonia oblonga var. oblonga) und apfelförmigen (rundlichen) Früchten (Cydonia oblonga var. maliformis) vor.
Quitten sind laubabwerfende Sträucher oder kleine Bäume, deren Wuchshöhe von 4 bis 8 Meter reicht. Die Rinde junger Zweige ist violett und behaart und wird später bräunlich violett und glatt. Die wechselständigen Laubblätter sind in Blattstiel mit Nebenblättern und Blattspreite gegliedert. Der behaarte Blattstiel ist 0,8–1,5 cm lang und die beim Austrieb behaarte Blattspreite erreicht Größen von 5 bis 12 cm in der Länge bei einer Breite von 3 bis 10 cm. Der Blattrand ist glatt und die kleinen, behaarten Blattknospen sind nur von wenigen Schuppen geschützt. An der Blattgröße kann man es bereits erkennen: Quitten sind ein altes Kulturobst und es gibt unzählige Sorten, deren Aussehen teils deutlich von der Wildform abweicht.
Bild 2: Eine Blüte öffnet sich

Die Blüten stehen einzeln an den Spitzen der frischen Triebe einjähriger Zweige. Der behaarte Blütenstiel ist etwa 5 mm lang. An ihm sitzt eine einzelne zwittrige, radiärsymmetrische, fünfzählige Blüte, die einen Durchmesser von 4 bis 5 cm erreichen kann und somit deutlich größer als andere Obstblüten ist. Sie hat eine doppelte Blütenhülle (Perianth) und einen glockenförmigen Blütenbecher (Hypanthium). Die fünf auf beiden Seiten behaarten Kelchblätter sind zurückgebogen und 5–6 mm lang mit glattem Rand. Die fünf freien, weißen bis leicht rosafarbenen Kronblätter sind verkehrt-eiförmig und bis etwa 2 cm lang.
Bild 3: Eine voll geöffnete Blüte lässt Staubblätter und Stempel erkennen

Es gibt 20 Staubblätter und 5 freie Stempel, deren Basis flaumig behaart ist. Die fünf unterständigen Fruchtblätter enthalten jeweils viele Samenanlagen. Die Quitte blüht nur in einem kurzen Zeitraum im Mai und Juni. Die Blüten können sich selbst befruchten, es muss also kein weiterer Baum zur Bestäubung in der Nähe stehen.
Bild 4: die Früchte unserer Quitte sind groß und birnenförmig

Der wollig behaarte Fruchtstiel ist nur etwa 5 mm lang. Daran sitzt die gelbe, duftende Quitte, die typischerweise dicht behaart ist. Die Haare sitzen dabei nicht sonderlich fest und können leicht zu einem bräunlichen Flaum zusammengeschoben werden. Die vielsamige Sammelbalgfrucht weist bei der Wildform einen Durchmesser von 3 cm bis 5 cm auf, aber kultivierte Sorten können deutlich größere Früchte bilden: die schwerste Frucht aus unserer eigenen Ernte hatte seinerzeit ein Gewicht von etwas über 900 g. Die zurückgeschlagenen Kelchblätter sind auch noch bei Reife deutlich zu erkennen. Quitten reifen spät, sie werden oft erst im Oktober oder noch bis Anfang November geerntet.
Bild 5: Illustration aus Köhlers Medizinal-Pflanzen

1897 von Franz Eugen Köhler, gemeinfrei, Scan von Thomas Schöpke (2004 - Uni Greifswald)
Wie der Titel der Quelle der obigen Illustration schon nahe legt, werden Quitten nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch in der Medizin genutzt. Die Samen der Quitte enthalten Schleimstoffe, giftige cyanogene Glycoside und Öle. Die Quittenfrucht selber enthält viel Vitamin C, Kalium, Natrium, Zink, Eisen, Kupfer, Mangan und Fluor, Tannine, Gerbsäure, organische Säuren, Pektin und ebenfalls Schleimstoffe.
Die üblicherweise bei uns genutzten Quittensorten sind für den Rohverzehr nicht geeignet, da sie hart und durch die Gerbstoffe bitter sind. Andernorts gibt es aber auch Sorten, die roh gegessen werden können, zum Beispiel die in der Türkei angebaute Shirin-Quitte.
Bei der Zubereitung mitteleuropäischer Sorten muss in jedem Fall vor dem Verarbeiten der Früchte der Flaum der Quitten gründlich entfernt werden, da die Haarzellen einen Bitterstoff enthalten. Die Verwendungsmöglichkeiten sind dann vielfältig: Marmelade, Kompott, Mus, Saft und Gelee, Chutney aber auch Likör oder Schnaps - es gibt viele Rezepte von Oma oder aus dem Netz.
Etwas besonderes ist Quittenbrot, eine Süßigkeit aus mit Zucker vermischtem eingedicktem Quittenmus, das etwa 1 cm dick auf einem Backblech verstrichen und im Backofen gedörrt oder an der Luft getrocknet wird. In kleine Quadrate oder Rauten geschnitten und mit Zucker bestreut ist es vor allem in Spanien oder Portugal als "Dulce de membrillo" eine verbreitete traditionelle Weihnachts- oder Wintersüßigkeit.
Wir werden es in diesem Jahr einmal selbst probieren - es ist gerade in der Küche in Arbeit.

Als Heildroge dienen die reifen Quittensamen mit etwa 20 % Schleimstoffen (überwiegend Pentosane), bis 1,5 % Amygdalin und Öl. Sie werden in der Volksheilkunde - unzerkleinert, da sonst Blausäure aus Amygdalin frei wird - noch gelegentlich zur Bereitung eines Schleimes verwendet, der als Hustenreiz linderndes und mild abführendes Mittel gilt.
Nicht medizinisch, aber für den Mikroskopiker interessant: der Quittenschleim ist auch ein probates Mittel zur "Stilllegung" quirliger kleiner Rädertiere in Tümpelproben, die sonst nur sehr schwer zu beobachten sind.
Äußerliche Anwendungen in Salben oder Cremes u.a. bei rissiger Haut, aufgesprungenen Lippen, wunden Brustwarzen (Langstreckenläufer wissen, was ich meine ...), Verbrennungen und Wundliegen sind ebenfalls möglich und in der Kosmetik erfolgt die Nutzung als fettfreie, reizlose Salbengrundlage.
Weiterhin kann der Saft der ganzen Früchte, der neben Schleim auch reichlich Gerbstoffe enthält, bei leichten Entzündungen im Mund- und Rachenraum sowie bei Darmstörungen nützlich sein.
Der bekannte Quittenduft geht übrigens auf etwa 80 verschiedene Aromate - meist ätherische Öle - zurück.
Bild 6: Eine Quitte in ihrer ganzen Pracht

Bild 7: die Quitte ist eine vielsamige Sammelbalgfrucht

Der hohe Pektingehalt der schön reifen Frucht sorgt für ein schnelles Nachbräunen am Anschnitt.
Bevor wir über die Präparation zu den Schnitten kommen, werfen wir noch einmal einen Blick auf die Frucht selbst mit ihrer starken Behaarung:
Bild 8: ganz schön flauschig: Haare auf der Fruchtschale der Quitte

Der Haarflaum lässt eigentlich eher Stufen- oder Sternhaare erwarten, dem ist aber nicht so: es handelt sich um vielfach gekräuselte einzellige Haare, die sich unter dem Mikroskop nur schwer ablichten lassen, da sie sich durch den Feuchtigkeitsverlust (die Wärme der Mikroskop-Beleuchtung reicht aus ...) ruckartig strecken.
Abgeschabt auf dem Objektträger wird es also nichts. Ein Vollpräparat für die ansonsten eher ereignislosen Trichome war mir zu aufwändig. Was also tun? Ein dünner Schnitt knapp unterhalb der Frucht-Epidermis brachte die Lösung. Wenn dieser im Durchlicht mikroskopiert wird, hat der schnelle Fotograf eine Chance ...

Bild 9: stark geknäulte Trichome auf der Epidermis der Quitte im Durchlicht, ungefärbtes Frischpräparat, Vergrößerung 50x, Stapel aus 26 Bildern
Bevor wir zu den Schnittbilder kommen, wie immer kurz zur Präparation:Aus der frischen Frucht wurde an der Außenseite ein Stäbchen von ca. 6 * 6 mm Durchmesser und 15 mm Länge geschnitten. Dieses konnte dann freistehend auf dem Handzylindermikrotom mit DurAedge Einmalklingen im SHK-Klingenhalter geschnitten werden. Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm.
Vor der Färbung habe ich wieder einige Aufnahmen vom frischen Material gemacht.
Gefärbt habe ich hier nach der Schnittfixierung in AFE für ca. 20 Minuten wieder nach W3Asim II von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im
Downloadbereich der MKB-Webseite herunter geladen werden. Nach der Färbung habe ich vor dem Entwässern durch häufiges Spülen mit jeweils frischem Aqua dest. sanft differenziert.
Eine ausführliche Beschreibung der Färbung findet sich
hier.
Und noch ein wenig zur Technik:Alle Aufnahmen auf dem Leica DME mit den Objektiven NPlan 5x und 40x sowie dem 10x und 20x PlanApo. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption, zur Zeit nutze ich ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit PSRemote und der Vorschub manuell anhand der Skala am Feintrieb des DME.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
So, nun aber zu den Schnitten!Beginnen wir mit den Steinzellen, wegen derer ich die Päparate ja erstellt habe.
Bild 10 a/b: Steinzellenhaufen, Bild 10a ungefärbt, Vergrößerung 100x, Stapel aus 23 bzw. 35 Bildern


Bild 11a/b: etwas näher heran, Bild 11a wieder ungefärbt, Vergrößerung 200x, Stapel aus 43 bzw. 52 Bildern


Die Steinzellen bilden mehr oder weniger kugelförmige Haufen, die kreisförmig von den Parenchymzellen des Fruchtmarks umgeben sind. Die Schnitte sind daher nicht ganz einfach zu erstellen: wenn man Pech hat, schiebt die Klinge einen Steinzellhaufen vor sich her durch das weiche Mark.
Bild 12a/b: Steinzellen im Detail, Bild 12b mit Beschriftung; Vergrößerung 400x, Stapel aus je 12 Bildern


Im umgebenden Fruchtmark (Pa) liegen die Steinzellen (StZ) in kleineren oder größeren Gruppen. Die Tüpfelkanäle (TüK) sind schön zu erkennen.
Der Zweite Blick galt der Epidermis der Frucht und der daran befindlichen Haare. Da die Haare sich aber sehr leicht ablösen, war vom Flaum schon nach dem Schnitt nicht mehr all zu viel übrig.
Bild 13a - c: Epidermis mit Trichom, Bild 13a ungefärbt, Bild 13c mit Beschriftung. Vergrößerung 200x bzw. 400x, gestapelt aus 39 bzw. 36 Bildern



Die Frucht ist von einer dicken Cuticula (Cu) umschlossen, an der hier zufällig noch ein abgeschnittenes Haar (Tr) haftet. Darunter liegt eine kleinzellige Epidermis (Ep), die auf dem Fruchtmark 8Pa) aufliegt.
Zum Schluss noch einmal ein Blick auf die Leitbündel in der Frucht. Freundlicherweise präsentieren sie sich gleichzeitig im Quer- und Längsschnitt.
Bild 14a/b: Leitbündel, Bild 14b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 17 Bilder


Der grundsätzliche Aufbau entspricht den Bildern oben mit Cuticula (Cu), Epidermis (Ep) und Fruchtmark (Parenchym, Pa). Darin eingebettet finden sich die Leitbündel (LB l und q), beim längs getroffenen Bündel sind auch Tracheiden (T) erkennbar. Etwas unterhalb einige Sklereiden (Skl).
Vielen Dank fürs Ansehen, Anmerkungen und Kritik sind wie immer willkommen.
Herzliche Grüße
Jörg